Erfahrungsbericht: Ein Jahr Digitalisierungsbeauftragter

Christian Deibert ist seit einem Jahr Digitalisierungsbeauftragter bei der Stadt Öhringen. Foto: Stadt Öhringen

Christian Deibert steuert seit einem Jahr die digitale Modernisierung der Stadtverwaltung von Öhringen. Im Interview erläutert er, wo Öhringen heute im Bereich Digitalisierung steht, welche Projekte von ihm initiiert wurden und wohin die digitale Reise in der nächsten Zeit gehen wird.

Herr Deibert, Sie sind nun seit einem Jahr als Digitalisierungsbeauftragter in Öhringen im Amt. Welche Herausforderungen mussten Sie zu Beginn meistern?

Christian Deibert: Meine Arbeit ist von sehr viel Kommunikation mit den Amts- und Sachgebietsleitenden sowie unseren Mitarbeitenden geprägt gewesen. Jedes Projekt, bei dem es um Veränderung geht, muss gut erklärt und begründet werden. Es ist wichtig zu wissen, warum etwas Neues eingeführt wird, der Sinn und Zweck sowie die Vorteile müssen allen klar sein. Daher gehört es auch zu meinen Aufgaben, Unsicherheiten aufzulösen, zu beraten und für alle verträgliche Lösungen zu finden. Digitalisierung soll echten Mehrwert generieren. Ich bin kein Fan davon, auf Teufel komm raus alles zu digitalisieren, nur weil es möglich ist. Die Digitalisierung ist nur ein Hilfsmittel, um Aufgaben effizienter zu lösen und Bürgerinnen und Bürgern sowie den Mitarbeitenden in der Verwaltung das Leben und Arbeiten zu vereinfachen.

Was war im ersten Jahr besonders schwierig?

Deibert: Die Projekte bezüglich unserer eAkte zu planen hat sich als langwierig herausgestellt, da wir hier in Abhängigkeiten zum Rechenzentrum stehen. Wenn wir die Entscheidung gefällt haben ein bestimmtes Modul einzuführen, dauert es zum Teil über ein Jahr bis wir einen Projektplatz bekommen, um überhaupt einmal anfangen zu können. Auch unsere Verwaltungsdienstleistungen online anzubieten hat sich als schwierig herausgestellt. Kaum ein Prozess hat sich ohne Komplikationen aktivieren lassen. Der größte Aufwand entsteht in der Implementierung und Wartung der Prozesse. Dafür fehlen oft Fachkräfte. Ein weiteres Problem ist der Föderalismus. Länder und Kommunen gehen bei digitalen Lösungen oft eigene Wege und nutzen unterschiedliche kommunale Fachverfahren. Das bringt Schnittstellenprobleme mit sich, denn Onlinelösungen anderer Kommunen können nicht einfach so übernommen werden. Zudem gibt es keine einheitliche Softwarearchitektur in den Behörden, man arbeitet mit unterschiedlichen Betriebssystemen. Das sind einige Gründe, warum das selbst gesteckte Ziel der Regierung, bis Ende 2022 im Onlinezugangsgesetz (OZG) 6000 Leistungen, zusammengefasst in 575 sogenannten OZG-Leistungsbündeln, zu digitalisieren, bisher nicht oder nur im geringen Maße realisiert werden konnte.

Was hat denn gut geklappt?

Deibert: Ich freue mich, dass wir im letzten Jahr zwei Projekte als App umsetzen konnten. Es gibt eine Kita-App, mit der unkompliziert und direkt mit den Eltern kommuniziert werden kann. Parktickets können im Stadtgebiet nun auch per App mit Parkster erworben werden.

Im Bereich Online-Service haben wir die Online-Terminvergabe auf das Standesamt ausgebaut und bekommen ab dem 20. Februar auch eine neue und moderne Homepage. Dort sind die ersten digitalen Leistungen wie unter anderem Ausweis-Verlust melden, Auskunftssperre, Übermittlungssperre, Hund an- oder abmelden, Gewerbe an-, um- und abmelden, Baugenehmigung beantragen online gegangen. Wir haben zudem ein Online-Fundbüro. Mängel oder Feedback kann man nun auch digital direkt an die Stadtverwaltung schicken. Grundsätzlich können diese Online-Leistungen auf der neuen Homepage unter „Rathaus & Verwaltung/Dienstleistungen“ aufgerufen werden. Das Angebot der Seite wird laufend ausgebaut und verbessert.

Für unsere Mitarbeitenden haben wir Möglichkeiten für das Homeoffice ausgebaut. Im Rathaus digitalisieren wir aktuell unsere Steuerakten und haben die Digitalisierung der Ausländerakten für dieses Jahr vergeben. Weiterhin wurde das E-Payment bei Bußgeldern eingeführt sowie die dazugehörige digitale Anhörung.

Wie ist das Feedback aus der Bevölkerung?

Deibert: Besonders die Parkster-App als neustes Projekt mit spürbarem Mehrwert kommt sehr gut an. Online werden inzwischen knapp die Hälfte der Termine für das Einwohnermeldeamt vereinbart. Problematisch ist, dass für die Nutzung der digitalen Angebote oft ein Ausweis mit Fingerabdruck-Funktion notwendig ist. Das ist eine große Hürde, weil viele Bürgerinnen und Bürger diesen Ausweis (noch) nicht haben oder nicht nutzen. Auf der neuen Homepage können mich Bürgerinnen und Bürger über die Seite „Digitalisierung“ unter „Rathaus und Verwaltung“ direkt mit Anmerkungen oder Ideen kontaktieren.

Was steht im Jahr 2023 konkret an?

Deibert: Vor allem sollen weitere digitale Verwaltungsdienstleistungen ausgebaut werden. E-Payment soll in der Onleihe der Bibliothek verfügbar sein und nach und nach auf zukünftige gebührenpflichtige Online-Leistungen angebunden werden. Wir möchten auch gerne beim Standesamt eine Online-Trauterminvergabe einführen.

Intern soll es interaktive Schulungssoftware für Mitarbeitende geben, Bauakten werden digitalisiert, ein neues Intranet mit Workflows ist in Arbeit. Zudem wird das Datenmanagementsystem als Grundlage für die digitale Akte weiterentwickelt. Technologisch werden wir nach und nach die PCs austauschen und Arbeitsplätze aufrüsten, um mobiles Arbeiten und Desksharing zu erleichtern. Das wirkt auch der Raumnot im Rathaus entgegen.

Wohin geht die Reise in den nächsten fünf Jahren?

Deibert: Ich hoffe, dass die E-Akte überall in der Verwaltung eingeführt wird, sodass der Arbeitsalltag eines Verwaltungsmitarbeitenden, mit Ausnahme der persönlichen Termine, komplett digital stattfinden kann. Natürlich ist mir aber auch wichtig, dass trotzdem jede Leistung für die Bürgerinnen und Bürger nach wie vor analog angeboten werden kann. Als öffentliche Verwaltung müssen wir auch weiterhin Bürgerinnen und Bürger bedienen können, die digitale Angebote nicht nutzen möchten oder können.

Mein persönlicher Wunsch wäre es, in Richtung Smart City zu gehen, zum Beispiel mit intelligenten Mülleimern, die dem Bauhof eine Route signalisieren, bei der nur volle Mülleimer geleert werden. Anwendungen wie diese gibt es schon. So lässt sich mit der Digitalisierung nachhaltig CO2 und Aufwand für die Mitarbeitenden einsparen, was wiederum mehr Zeit für andere Aufgaben ermöglicht. Momentan ist das aber noch Zukunftsmusik, da wir hierfür erst noch Voraussetzungen schaffen müssen und andere Projekte eine höhere Priorität haben. Wohin die Reise final geht, wird von der Verwaltungsspitze und dem Gemeinderat entschieden.

Interview: Monika Pfau, Pressestelle, Große Kreisstadt Öhringen