Erst Tradition, dann Innovation

Ab und zu darf man sich von der älteren Generation ruhig Ratschläge geben lassen. Schließlich hat diese unbestreitbar mehr Erfahrung. Beim Generationentalk im Audi Forum Neckarsulm Mitte November trafen zwei junge Geschäftsmänner auf zwei Herren der alten Schule.

Mein Schwiegervater war mein Mentor, mein bester Freund im Leben. Ich habe ihm alles zu verdanken“, erzählt Michael Knauth, ehemaliger Geschäftsführer der Carl Knoblauch GmbH & Co. KG, eines Metall-Recycling-Unternehmens in Heilbronn, und es rührt einen fast zu Tränen, wie er es sagt. Freilich ist der Rahmen kein sonderlich emotionaler wie ein Jubiläum oder eine Ehrung, denn diese Worte spricht Knauth beim Generationentalk auf dem fünften „deutschen arbeitsmarkt forum“ im Audi Forum Neckarsulm.

Dieses wurde Mitte November vom HR-Dienstleister Bera und der German Graduate School of Management and Law veranstaltet. Das Gespräch mit einem früheren und zwei gegenwärtigen Geschäftsführern sowie einem Berufseinsteiger, das von Manfred Stockburger, Wirtschaftsredakteur der Heilbronner Stimme, moderiert wurde, stellte einen von neun spannenden und hochwertigen Programmpunkten des Kongresses dar. Dazu waren Top-Entscheider aus Wirtschaft, Politik, Organisationen und Verbänden geladen, die Vorträgen und Diskussionen interessanter Referenten lauschen und sich auch mit diesen branchenübergreifend austauschen konnten.

Dass Knauth seinem Schwiegervater Rolf Knoblauch alles zu verdanken hat, damit meint er sowohl seine Karriere als auch sein privates Glück. Denn dieser, der selbst Sohn des Firmengründers Carl Knoblauch war, vertraute ihm seinerzeit nicht nur seine Firma an, sondern auch seine Tochter. Durch sie kam Knauth überhaupt erst in den 1922 gegründeten Betrieb hinein – vor 37 Jahren. Zunächst arbeitete der heutige Rentner, der noch als Berater für das Unternehmen Carl Knoblauch tätig ist, an der Seite seines Schwiegervaters. Dann – beinahe über Nacht – übernahm er selbst die Geschäftsführung. Denn Knoblauch verstarb plötzlich im Alter von 58 Jahren. „Innerhalb von sechs Wochen musste die Nachfolge geregelt werden“, erinnert sich Knauth. Alles änderte sich. Doch nicht zum Negativen. Im Gegenteil: „Es lief gut bei uns.“ Er müsse sich fast entschuldigen, dass es in der Firma so gut gelaufen sei. Dass es nie Probleme oder Meinungsverschiedenheiten gegeben habe.

Mitarbeiterbindung

Es wirkt nicht überheblich oder von sich selbst überzeugt, wenn Knauth sagt: „Es ist uns gelungen, unsere Mitarbeiter zu binden.“ Die Betriebszugehörigkeit betrage bei Carl Knoblauch im Durchschnitt 17 bis 18 Jahre. „Wenn eine Firma lange Jahre Bestand haben soll, muss man ehrlich, transparent und offen sein“, gibt der Ex-Chef vor allem Jungunternehmern als Rat mit auf den Weg.

Wie passend, dass neben ihm Sebastian Kübler steht – ein Start-up-Gründer, der gerade mal 32 ist. Mit seiner Stuttgarter Internetagentur econsor GmbH, die seit 2008 am Markt ist, beraten er und seine rund 50 Mitarbeiter Unternehmen bei den Themen Webdesign, Online-Marketing und -shops, Programmierung, Suchmaschinenoptimierung sowie App-Entwicklung. Bereits während des Abiturs hat Kübler seine erste Firma gegründet, plaudert er aus dem Nähkästchen. Das mache ihm einfach Spaß. Auch für ihn nimmt Mitarbeiterbindung einen hohen Stellenwert ein. Deshalb werden unter anderem Ziele, die monatlich im Team vereinbart werden, mit einem Bonus honoriert, wenn sie erreicht worden sind.

Zu diesem Aspekt hat Markus Binder, Geschäftsführer der Franz Binder GmbH & Co. Elektrische Bauelemente KG in Neckarsulm, einem der Marktführer im Bereich Rundsteckverbinder, ebenfalls etwas hinzuzufügen. „Auch wir machen viel beim Thema Mitarbeiterbindung. Wir haben zum Beispiel einen Personal Trainer, der durch die Abteilungen geht, Jobticketvergünstigungen, Weihnachtsgeld und Gewinnbeteiligungen – um nur einige Benefits zu nennen“, sagt Binder. Da muss Knauth, der einfach noch einer von der alten Schule ist, kurz dazwischen grätschen, bevor Stockburger die nächste Frage stellen kann: „Das alles ist wichtig und richtig. Doch nur mit monetären Vorteilen kann man den Mitarbeiter nicht motivieren.“ Er selbst kenne beispielsweise jeden einzelnen seiner einstigen Angestellten – und seine Tochter, die den Betrieb seit 2017 führt, auch.

Da muss auch der Jüngste in der Runde – Leon-Philipp Rath, Sohn des Bera-Gründers Bernd Rath – beipflichten. „Man muss Sinn in der Arbeit finden. Dazu gehört auch, Veränderungen herbeizuführen und voranzutreiben“, ist der derzeitige Assistent der Bera-Geschäftsführung überzeugt. Man dürfe allerdings nicht nur vorausschauen, betont er, sondern müsse auch das Bestehende pflegen. Knauth sieht das ähnlich. „Meine Tochter hat sich getraut, Dinge im Bereich der Digitalisierung zu forcieren und es hat geklappt. Warum soll ich ihr da im Wege stehen?“, fragt er rhetorisch. Und vielleicht werde sein Enkel, der jetzt drei ist, später einmal noch mehr verändern. Denn Innovation könne auch durch Tradition entstehen.

Olga Lechmann