Heute Brasilien, morgen Indien. Als Montagearbeiter ist Atilay Akgül seit zehn Jahren auf der ganzen Welt unterwegs. Uns hat er erzählt, wie er persönlich an den Geschäftsreisen gewachsen ist und gelernt hat, mit fremden Kulturen umzugehen.
Eine leichte Erschütterung reißt ihn aus seinen Träumen. Noch etwas verschlafen nimmt er die Durchsage der Stewardess wahr. Sie bittet die Passagiere, sich für den Landeanflug bereit zu machen. Nach zwölf Stunden in der Luft neigt sich der Flieger nach und nach gen Boden. „Welcome to Brasilia. The temperature is about 29 degrees“, ertönt es vom Piloten durch den Lautsprecher. Da kann der Urlaub am Strand ja beginnen. Doch weit gefehlt: Atilay Akgül fliegt zum Arbeiten nach Brasilien.
Als Servicemitarbeiter der Rommelag Kunststoff-Maschinen Vertriebsgesellschaft mbH mit Werk in Sulzbach-Laufen ist er durch seine Tätigkeit im Außendienst auf der ganzen Welt unterwegs. Mexico, China, Indien, Spanien – und das sind nur einige Beispiele der Länder, in denen der gelernte Elektriker seit nunmehr zehn Jahren für den Auf- und Umbau der Maschinenanlagen zuständig ist.
Als er zum ersten Mal den Auftrag für einen Auslandseinsatz bekam, hat er sich sofort auf das Abenteuer gefreut. „Ich war jung, ungebunden und neugierig, was mich erwarten wird“, erinnert sich der 36-Jährige zurück. Rauskommen. Die Welt kennenlernen. Nichts wie weg. So einfach war es aber dann doch nicht. Denn mit Ablauf der letzten Tage bis zur Abreise war sie da: die Nervosität vor der großen Reise. Wie verständige ich mich? Was erwartet mich in dem Unternehmen? Wo genau muss ich hin? Nicht die Arbeit an sich habe ihm Bauchschmerzen bereitet, sondern eher das Zurechtkommen mit dem Umfeld, den Menschen und deren Mentalität, die, wie es Atilay Akgül erlebt hat, von Land zu Land einfach unterschiedlich ist. „Man muss sich bewusst sein, dass vieles nicht so strukturiert abläuft wie bei uns in Deutschland und dem Chaos seine Zeit lassen, sich zu entwirren“, gibt der erfahrene Montagearbeiter als Tipp für den Umgang mit fremden Kulturen. Mittlerweile habe er aber eine Routine entwickelt, sich in ungewohnten Situationen zurechtzufinden, weshalb er den Reisen immer gelassener entgegensieht. Vor allem, was die Essensgewohnheiten angeht, hat der Deutsche mit türkischen Wurzeln schon viel dazugelernt. „Die Spanier lassen sich beim Essen wirklich Zeit. Für eine Portion, die ich in 20 Minuten verputze, brauchen die fast drei Stunden. Das sind wirkliche Genießer“, erzählt er unter Lachen. In Spanien ist er übrigens – auch wenn es ihm bisher überall gut gefallen hat – am liebsten. Dort kenne er sich aus und sei auf Du und Du mit den Mitarbeitern der Firma. „Da fühle ich mich fast schon wie Zuhause.“
Apropos: Was sagen eigentlich Frau und Kinder dazu, wenn der Mann im Haus so oft – zum Teil über mehrere Wochen – unterwegs ist? „Meine beiden Söhne wissen mittlerweile genau, was es heißt, wenn die Koffer im Flur stehen. Da ist der Kummer natürlich groß“, erzählt der Familienvater und schaut dabei zu seinem Jüngsten, der an seinem Getränk schlürft. Durch gemeinsame Absprachen und auch die Geduld und das Verständnis seiner Frau habe seine Familie aber die Zeit seiner Abwesenheit bisher immer gut überstanden. Und Hausaufgaben kontrollieren könne man schließlich auch über diverse Nachrichtendienste. Schmunzeln muss der Auslandserfahrene jedes Mal aufs Neue, wenn er seinen Söhnen am Telefon erklärt, warum er schon schlafen geht, obwohl es bei ihnen, in Deutschland, noch hell ist.
Abgesehen von diesen organisatorischen Feinheiten und dem Heimweh, welches den Sulzbach-Laufener des Öfteren plagt – das gibt er ungeniert zu –, hätten die Geschäftsreisen aus seiner Sicht ansonsten nur Vorteile. „Man wird selbstsicherer und verliert die Hemmungen, auf andere Menschen zuzugehen“, sagt er überzeugt. Sein Fremdsprachenvokabular konnte Atilay Akgül über die Jahre auch etwas verbessern. Dadurch erlaubt er sich bei der Arbeit den ein oder anderen Scherz mit seinen ausländischen Kollegen.
Verena Köger