Fokus auf Stärken

Recaro Aircraft Seating hat es hoch hinaus geschafft. Nicht nur wörtlich in Form seiner Sitze, die eingebaut in Flugzeugen tagtäglich gen Himmel aufbrechen. Auch bei Wachstum und Umsatz befindet sich die Firma auf einem Höhenflug. Doch das war nicht immer so.

Wir kennen Recaro Aircraft Seating als ein Unternehmen, das Premium-Flugzeugsitze der besonderen Art entwickelt und produziert; als einen Arbeitgeber, der weltweit rund 2.200 Mitarbeiter beschäftigt – davon mehr als 1.000 in Deutschland; als eine Firma, die im Jahr 2016 rund 452 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet hat und 2017 aller Voraussicht nach die 500-Millionen-Euro-Marke geknackt haben wird. Und wir kennen Recaro Aircraft Seating als ein Unternehmen, das mit über zehn Prozent Wachstum jährlich zu den drei größten Flugzeugsitzherstellern weltweit gehört. Das sind – grob zusammengefasst – die Eckdaten, die den Weltmarktführer mit Sitz im Westen von Schwäbisch Hall heute auszeichnen.

Doch das war nicht immer so. Gerade einmal ein paar Jahre ist es her, da war die wirtschaftliche Lage alles andere als rosig. „Die Jahre 2004/2005 waren schwierig, wir haben Verluste geschrieben“, erinnert sich Mark Hiller, der seit 2005 im Unternehmen, seit 2007 in der Geschäftsführung und seit 2012 CEO des Flugzeugsitzherstellers ist, und erklärt, warum: „Wir hatten Schwierigkeiten in Sachen Liefertreue, die Qualität stimmte nicht und wir waren schlichtweg zu teuer. Das lag hauptsächlich daran, dass wir vor allem auftragsbezogen agiert und Projekte in Summe nicht konsequent genug verfolgt haben.“

Hätte sich das Unternehmen auf diese Art weiterentwickelt, hätte das vermutlich früher oder später das Aus für Recaro Aircraft Seating bedeutet. Doch genau dies wollte man verhindern. Aber wie? „Zunächst einmal haben wir uns gefragt: Worin sind wir wirklich gut? Was ist unsere ursprüngliche Kompetenz? In den Jahren zuvor hatten wir von allem ein bisschen was gemacht.“ Ein vermutlich häufig begangener Fehler, denn gerade in Zeiten der Globalisierung stellt sich die Vielzahl der Chancen als oft zu groß heraus. Eine Rechnung, die ohne Konzentration aufs Kerngeschäft kaum aufgehen kann. „Wir haben damit begonnen, uns mehr auf unsere Stärken zu fokussieren. Und genau das haben wir dann getan.“

Fortan, so Hiller, habe man sich hauptsächlich auf das Segment Economy-Class-Sitze konzentriert; habe dort, wo es möglich war, standardisiert; habe begonnen, ein Bau-kastensystem aufzubauen sowie in Forschung und Entwicklung investiert. „Mit durchschnittlich vier Prozent in den Jahren zuvor war das einfach zu wenig.“ Zum Vergleich: Heute wendet Recaro Aircraft Seating einen zweistelligen Prozentsatz dafür auf.

Premium-Anspruch

Auch die Märkte habe man neu gedacht und bespielt – in zweierlei Hinsicht: „Einerseits haben wir uns im bestehenden Markt breiter aufgestellt. Wir bieten für jedes Marktsegment, jede Airline und Kabine das passende Produkt und dabei bleiben wir unserem Recaro-Premium-Anspruch verpflichtet“, schildert der 45-Jährige das damalige Vorgehen. Im Jahr 2012 dann der nächste strategisch wichtige Schritt in eine bessere Zukunft: der Sprung nach China – als einer der ersten internationalen Flugzeugsitzlieferanten. „Asien wird auch künftig der größte Wachstumsmarkt für Flugzeugsitze sein. Die Region boomt.“

Heute erlebt Recaro diesen Boom selbst. Denn die investierte Arbeit hat sich ausbezahlt. Dabei waren es wohl die vielen kleinen Schritte, die das Unternehmen zum heutigen Erfolg zurückgeführt haben. Recaro Aircraft Seating steht 2018 besser da als je zuvor. Doch zurücklehnen will sich Hiller deshalb noch lange nicht. „Wir haben auch in den vergangenen Jahren kräftig investiert, neue Produkte entwickelt.“ Unter anderem, erklärt er, einen Business-Class-Sitz mit der nüchternen Bezeichnung CL6710. Doch nüchtern ist dieser ganz und gar nicht – im Gegenteil. An Komfort mangelt es diesem Sitz keineswegs. Auf Knopfdruck etwa verwandelt sich der Sitzbereich in einen Relaxsessel oder ein komplett flaches Bett. Ein Luxus, den die Kunden zu schätzen wissen und auf den die Recaro-Mitarbeiter zu Recht stolz sind.

„Jetzt heißt es, den Bereich Business-Class noch weiter auszubauen“, erklärt Hiller. Das kann der Flugzeugsitzhersteller getrost tun, denn sein Kerngeschäft, den Economy-Class-Sitz, beherrscht Recaro wie kaum ein anderer.

Lydia-Kathrin Hilpert

Zur Person
Dr. Mark Hiller leitet Recaro Aircraft Seating seit April 2012 als Geschäftsführer (Chief Executive Officer). Seit 2014 ist er zudem Gesellschafter des Unternehmens. Der promovierte Wirtschaftsingenieur arbeitet seit 2003 für die Unternehmensgruppe. Zuvor war er zunächst in der Holding tätig, später verantwortete Hiller als Ressortleiter Customer Affairs den Vertrieb, das Programm-Management und den Customer Support bei Recaro Aircraft Seating.