Ein starker Partner der Industrie, fest verwurzelt in der Region: Die Boie GmbH aus Heilbronn blickt auf eine Geschichte von 150 Jahren zurück und ist mittlerweile in vierter Generation in Familienhand.
Metall zieht sich wie ein roter Faden durch die wechselvolle Geschichte der Boie GmbH, die in diesem Jahr ihr 150. Jubiläum feiert. Doch mit jedem Generationswechsel hat sich das Unternehmen ein Stück weit neu erfunden, um sich den Bedürfnissen der Kunden und den Erfordernissen der Zeit anzupassen.
Die Erfolgsgeschichte beginnt 1868 mit Ludwig Georg, genannt Louis, Boie, der einen Flaschner- und Installationsbetrieb gründet, sich aber bald auf die Konstruktion von Herden und Öfen konzentriert. Darin ist er so gut, dass er 1884 zum „königlichen Hoflieferanten“ ernannt wird. Der metallverarbeitende Betrieb wird nach und nach erweitert, beispielsweise durch eine Eisengießerei. Sogar eine Fahrradfabrik kommt hinzu, die von seinen Söhnen Albert und Karl geführt wird. Nach dem Ersten Weltkrieg wird sie jedoch aufgegeben.
Sein jüngster Sohn Herrmann Boie übernimmt 1914 das Geschäft, führt es durch die Kriegswirren und spezialisiert sich auf die Herstellung von Großküchenherden, Metzgerei-, Koch- und Rauchanlagen. Er nimmt erstmals Kugellager der Marke SKF als Handelsware ins Sortiment auf, die das Unternehmen bis heute vertreibt.
Während des Zweiten Weltkriegs erlebt Hermann Boie einen herben Rückschlag. Bei der Bombardierung Heilbronns am 4. Dezember 1944 werden das Unternehmen und das Wohnhaus der Familie komplett zerstört. Aufgeben kommt nicht infrage: Da die Produktionsanlagen nicht mehr vorhanden sind, macht der Unternehmer als Händler weiter. Wenige Jahre nach dem Krieg übernehmen seine Söhne Hermann junior und Dieter Boie das Geschäft. In den Wirtschaftswunderjahren floriert die Firma wieder, vertreibt Haushaltsgeräte und Küchen, ist aber auch im Heizungsbau aktiv. Ein technischer Großhandel für Wälzlager, Antriebstechnik und Werkzeuge kommt hinzu.
Auch im neuen Jahrtausend bleibt das Unternehmen in Familienhand: Dieter Boies Söhne Stefan und Hans übernehmen die Geschäftsleitung. Sie konzentrieren sich voll und ganz auf den technischen Großhandel, der sich zum wichtigsten Geschäftszweig entwickelt hat.
Klare Aufgabenverteilung
Die Rollen der Brüder sind klar verteilt: Hans Boie kümmert sich um die technischen Aspekte wie IT-Infrastruktur und Digitalisierung, während Stefan Boie die kaufmännischen Angelegenheiten regelt und die Zahlen im Blick hat. Sie beschäftigen aktuell 85 Mitarbeiter. Der Umsatz lag zuletzt bei rund 30 Millionen Euro. Die Digitalisierung ist ein großes Thema für die Boie GmbH. Ein neues ERP-System wurde bereits eingeführt, der Onlineshop wird derzeit überarbeitet.
Die damit einhergehenden Veränderungen sind eine Herausforderung und zugleich eine Chance. Umdenken ist erforderlich. „Wir müssen unsere Beratungsleistungen zum Teil neu erfinden“, sagt Stefan Boie. „Heute laufen die Entscheidungsprozesse der Kunden zu einem großen Teil im Vorfeld via Internet ohne Kontakt zum Händler ab – wir werden oft sehr spät oder gar nicht involviert.“
Was früher der Händler als Berater tat, erledigt der Kunde heute vielfach selbst. Er informiert sich selbstständig über das Produkt, hat Zugriff auf Datenblätter, vergleicht Angebote und sichtet Bewertungen. „Was immer wichtiger wird, sind Artikelstammdaten,“ erläutert Stefan Boie und meint damit nicht nur Produktinformationen wie Größe, Gewicht, Einsatzzweck und Preis.
Den neuen Anforderungen anpassen
„Wir haben heute oft die Anforderung, dass wir für gekaufte Produkte bestimmte Konformitäten nachweisen müssen. Da geht es zum Beispiel um Inhaltsstoffe, Herkunftsländer oder Exportbeschränkungen für eine Fülle von Artikel aus dem gesamten Sortiment.“ Daten entstehen aber auch nach dem Produktverkauf. Technische Komponenten wie Wälzlager haben einen Lebenszyklus. Informationen über ihren Zustand und ihre zu erwartende Lebensdauer sind wertvoll für die Kunden. Daher sind Instandhaltung und Überwachung, zum Beispiel mithilfe von Schwingungsmessung, ebenfalls Services, die die Boie GmbH anbieten.
Als technischer Großhändler hat sich Boie darauf spezialisiert, die Beschaffungsprozesse für seine Industriekunden zu optimieren. „Wir verstehen uns als Unterstützer unserer Kunden. Wir verknüpfen zuverlässige Beschaffungsprozesse mit deren Kerngeschäft in Instandhaltung, Maschinenbau und Metallbearbeitung“, fasst Stefan Boie die Aufgabe seines Unternehmens zusammen.
Trotz Digitalisierung ist direkte Kundennähe für den Geschäftsführer sehr wichtig: „Wir arbeiten hauptsächlich in Baden-Württemberg. Die räumliche Nähe hilft uns, die Prozesse unserer Kunden genau zu verstehen. Alles, was dadurch an zusätzlichen Dienstleistungen entsteht, grenzt uns ab gegenüber Anbietern, die nur das Produkt liefern.“
In der Region fühlt er sich sehr verwurzelt und sieht hier auch die Zukunft der Firma. In einigen Jahren könnte die fünfte Generation die Boie GmbH übernehmen. „Die Kinder wachsen natürlich mit dem Geschäft auf. Wir werden sehen, wer später Lust hat und Engagement zeigt, mit einzusteigen“, meint Stefan Boie lächelnd. Es würde ihm gefallen, wenn die Geschichte des Familienunternehmens fortgeschrieben wird.
Dirk Täuber