Das Vertrauen immer weitergeben

Gerhard Sturms unternehmerisches Erbe ist eng verwoben mit seiner Heimatregion und den Menschen, deren Ideen er unterstützte. Die wertebasierte Geschäftsphilosophie ist weiterhin Leitlinie für seine Familie, die Innovation und regionale Verantwortung in seinem Sinne verbindet.

Das Cosmopolitan-Gebäude in Warschau – mit Fassaden der Neuensteiner FKN Group. Das Unternehmen hat seine Existenz Gerhard Sturm zu verdanken. Foto: Rainer Viertlboeck

Wenn die Skyline von Frankfurt im Sonnenlicht glitzert, sich in Kopenhagen das Nordlicht in den Fassadenelementen der Axel Towers spiegelt oder das Penthouse des Warschauer Cosmopolitan Tower den Nachthimmel erleuchtet, dann ist ein Unternehmen aus Hohenlohe daran beteiligt: FKN. 

1978 war Fenster Keller aus Neuenstein am Ende. Dass der Betrieb als FKN Group heute erfolgreich Wolkenkratzer verkleidet, liegt an dem Umstand, dass Gerhard Sturm damals dringend Zulieferer für die schnell wachsende ebm benötigte. Kurzerhand gründete man eine Auffanggesellschaft, an der neben dem Management mehrheitlich Annemarie Sturm und Helga Ziehl, die jüngste Tochter von Gerhard Sturms Mentor Heinz Ziehl, beteiligt wurden. Das Vorgehen ist typisch für Sturm: Erstens hat er auf diese Weise elegant dafür gesorgt, dass die Mulfinger Blechteile für ihre Ventilatorengehäuse bekamen und bis heute bekommen. Und zweitens: Er hat immer seine Partner mit eingebunden. 

Auch die Fassade des Marienturms im Frankfurter Central Business District wurde von FKN gestaltet. Foto: Klaus Helbig

Ähnlich ist die Geschichte der PVS in Niedernhall. Sie trägt die Namen ihrer Gründer und Gesellschafter Philippiak, Vogel und Sturm im Namen. Auf der Suche nach einem Dienstleister, der die Isolierung der Statoren für die ebm-Motoren weiterentwickelt, stießen Gerhard Sturm und Thomas Philippiak auf Jürgen Vogel. Es wurde eine Erfolgsgeschichte: Jürgen Vogel, dem die Mitgesellschafter freie Hand ließen, startete durch und lebte nicht nur von den guten Geschäften mit den Hohenloher Lüfterherstellern, sondern begleitete sie in die Welt hinaus und suchte sich vor Ort immer auch neue Kunden. Heute beschäftigt PVS fast 500 Mitarbeiter und ist ein weiterer globaler Player auf der Hohenloher Landkarte. 

Weitere Zulieferer verdanken ihre guten Geschäfte oder gar ihre Existenz dem umtriebigen Windmacher aus dem Jagsttal. „Meinem Vater waren von Anfang an die Menschen wichtig, im Unternehmen, in der Zusammenarbeit mit anderen und auch bei den Beteiligungen“, erzählt Ralf Sturm. Manches Mal habe er Briefe an die örtlichen Sparkassen geschrieben und ein gutes Wort für seine Lieferanten eingelegt.


„Meinem Vater waren von Anfang an die Menschen wichtig.“
Ralf Sturm


Sein Wort hatte Gewicht, das berichtet auch Helmut M. Jahn, der die Geschichte von ebm-papst fast zweieinhalb Jahrzehnte als Hohenloher Landrat begleitete. So manches Unternehmen in der Region habe von der „massiven Unterstützung“ durch Gerhard Sturm profitiert, sagt er. Wenn das nach Würth zweitgrößte Unternehmen in Hohenlohe Geschäftspartner war, dann klappte es in der Regel auch mit den Banken. 

„Gerhard Sturms Unternehmergeist und seine nahbare, unprätentiöse Art beeindrucken mich bis heute“, sagt kurz vor dem 90. Geburtstag von Gerhard Sturm der ehemalige baden-württembergische Wirtschaftsminister Walter Döring, der die Hohenloher Unternehmerszene noch heute von Schwäbisch Hall aus beobachtet. „An die Weltspitze kommt man nur durch kontinuierliche Innovationen.“ Und mit einem funktionierenden Ökosystem, wie es um Ziehl-Abegg und ebm-papst herum entstanden ist. 


„Gerhard Sturms Unternehmergeist beeindruckt mich bis heute. “
Dr. Walter Döring


Für Gerhard Sturm stand natürlich immer die ebm im Mittelpunkt. Doch das Ökosystem wirkte schon frühzeitig positiv. In den 1970er Jahren im Vertrieb arbeitete ebm eng mit Ziehl-Abegg zusammen, was sich etwa an den gemeinsamen Auslandsniederlassungen zeigte. So kommt es, dass eine weitere Beteiligung in Schweden heranwuchs, an der Gerald Engström, der einstige Vertriebschef von ebm und Ziehl-Abegg in Schweden, bis heute wesentlich beteiligt ist.

Seine Idee war es, komplette Kanallüfter zu vertreiben und nicht nur einzelne Komponenten. Aus Kanalfläkt ist die Systemair AB geworden – ein wichtiger Partner und Kunde von ebm-papst. In Boxberg steht die Deutschlandniederlassung des in Schweden börsennotierten Unternehmens, das es ohne die anfängliche Unterstützung von Sturm nicht geben würde. 

Gerhard Sturm übergab das Mandat im Unternehmensbeirat 2017 an seinen Sohn Ralf. Foto: Alina Veth
Gerhard Sturm vertraut der Geschäftsführung des Family Office: Heide Stober-Sturm, Ralf Sturm und Marc-Olaf Grumann (v.r.n.l.). Foto: www.CHRISTOF-WOLF.com

Im Lauf seines aktiven Unternehmerlebens hat Gerhard Sturm neben seinem Drittel an ebm-papst weitere Beteiligungen aufgebaut, die inzwischen vom Sturm’schen Family Office in Bad Mergentheim aus verwaltet werden. Seit 2015 dient dieses als Plattform, um die Werte und das unternehmerische Erbe Gerhard Sturms in die Zukunft zu tragen. Im Family Office sind die gesamten unternehmerischen Aktivitäten und Vermögenswerte der Familie gebündelt, werden unter der Führung der beiden Kinder von Gerhard Sturm gemeinsam mit dem dritten Geschäftsführer Dr. Marc-Olaf Grumann mit internationaler Ausrichtung weiterentwickelt und in die Zukunft geführt. Der promovierte Jurist steht der Familie seit mehr als zwei Jahrzehnten beratend zur Seite und ist seit 2017 neben Ralf und Heide Geschäftsführer im Family Office. 

Auf gute Nachbarschaft

Dass Gerhard Sturm seine Jagstmühlen-Trägerfirma damals Jagsttal GmbH nannte, spricht Bände. Seine Heimat liegt ihm am Herzen. Trotz aller Heimatverbundenheit wollte und will die Familie aber mit weiteren Investitionen ein Klumpenrisiko vermeiden und auch außerhalb der Region investieren. Mit Immobilien und einer Vielzahl weiterer Beteiligungen auch in den USA ist das gelungen. Ein weiteres großes Investment in ein Unternehmen ist aber trotz allem ein Betrieb aus der direkten Nachbarschaft – auch weil Gerhard Sturm im Zweifel den Menschen vertraut, die er gut kennt – und auch ihm selbst dieses Vertrauen entgegengebracht wird. 

In Hollenbach ist neben ebm-papst auch Jako ortsbildprägend. Die Familie Sturm beteiligte sich 2009 mit 30 Prozent an dem Sportkleidungsunternehmen aus der Nachbarschaft. Foto: JAKO

In diesem Fall war das Rudi Sprügel, der 1989 nicht weit entfernt vom Stammsitz der ebm den Sportbekleidungs-Ausrüster Jako gegründet hatte. Sturm hörte Ende der Nullerjahre zufällig, dass Sprügel sein Geschäft gerne etwas ambitionierter vorantreiben würde und dafür Geld benötige. Er suchte das Gespräch. „Die beiden teilen ihre Wertvorstellungen, und sie wurden sich einig“, erzählt Ralf Sturm. So stieg die Familie Sturm 2010 mit einer 30-Prozent-Beteiligung bei Jako ein.


„Die beiden teilen ihre Wertvorstellungen.“
Ralf Sturm


In die Geschäfte hat Gerhard Sturm seinem Nachbarn aber nie hineingeredet. Mit dem Erfolg, dass sich das Unternehmen prächtig entwickelt: Der Jako-Umsatz hat sich in den 13 Jahren seit dem Einstieg auf 180 Millionen Euro verdreifacht. Deutschlandweit lassen sich Vereine und auch Unternehmen von Jako mit Kleidung ausrüsten. Unter anderem läuft der VfB Stuttgart in der Bundesliga mit Jako-Trikots auf. Dass der Investor Gladbach-Fan ist, spielt an dieser Stelle keine Rolle.

„Herr Sturm, ich habe ein Problem“, hieß es sinngemäß in einem Brief, den Gerhard Sturm einige Jahre später von Ralf Hofmann erhielt, dem sonst so quirligen Geschäftsführer des Neckarsulmer Unternehmens Kaco New Energy. Veränderte Rahmenbedingungen machten der deutschen Solarbranche seinerzeit das Leben schwer. Sturm ließ sich überzeugen. Das damals frisch gegründete Family Office beteiligte sich mit gut 30 Prozent an dem Hersteller von Wechselrichtern für Photovoltaik-Anlagen. Die Bäume wuchsen dort auch weiterhin nicht in den Himmel, 2019 ging Kaco New Energy schließlich an Siemens, „und alle Beteiligten konnten mit dem Ergebnis zufrieden sein“, wie Marc-Olaf Grumann, der Mitgeschäftsführer des Family Office, es formuliert.


„Alle Beteiligten konnten mit dem Ergebnis zufrieden sein.“
Marc-Olaf Grumann


Aus der Zusammenarbeit bei Kaco New Energy entwickelte sich ein nächstes Engagement: Gemeinsam mit Ralf Hofmann und dessen langjährigen Mitgesellschafter Rainer Heinrich unterstützt die Familie Sturm den Solarpark-Projektentwickler Viridi RE insbesondere auch in den USA. Hier kommen persönliche Verbindungen und das für Gerhard Sturm so wichtige Thema Nachhaltigkeit zusammen. 

Hohenloher Kulturerbe

Eine Sonderstellung unter den Beteiligungen hat die Jagstmühle, die sich Sturm im Jahr 2007 zum Ausscheiden aus der ebm-Geschäftsführung selbst als Projekt für den Unruhestand schenkte: ein traditionsreiches Hotel-Restaurant im Mulfinger Teilort Heimhausen. „Ist es nicht wunderschön hier?“, begeistert sich Annemarie Sturm bei Besuchen noch heute. Der Kauf war mehr als eine Bauchentscheidung: Die Familie wollte dieses Stück Hohenloher Kulturerbe für die Region bewahren.

Dem Team des Hotel-Restaurants Jagstmühle ist die Familie Sturm eng verbunden. Foto: www.CHRISTOF-WOLF.com/Alina Veth

Heute führt ein engagiertes Team die Mühle, die Geschäftsführung hat inzwischen Ralf Sturm inne.  Ohne „die ebm“, wie man heute noch am Stammsitz oft sagt, wäre das alles nicht denkbar gewesen. Bis heute sind die Namen Gerhard Sturm und ebm-papst untrennbar miteinander verbunden. Und natürlich ist sie die zentrale Beteiligung der Familie, die auch von der nächsten Generation in eine erfolgreiche Zukunft geführt werden möchte. Das Vermögen, das damit verbunden ist, sehen Ralf Sturm und seine Schwester Heide Stober-Sturm als Verpflichtung, im Sinne des Vaters weiterhin werteorientiert mit dem Geld zu arbeiten. 


„Immer den Weitblich bewahren und nicht nur den kurzfristigen Trends folgen.“
Gerhard Sturm


Dass mit dem Erfolg auch die Verantwortung gegenüber anderen wächst, hat Gerhard Sturm schon früh erkannt. Jetzt stellen sich seine Kinder und Enkel dieser Verantwortung. „Wir investieren in Zukunft und in Menschen mit Ideen“, sagt Ralf Sturm. „Und wir stehen als Familie zusammen“, ergänzt Heide Stober-Sturm.  Einige Grundsätze hat Gerhard Sturm ihnen mit auf den Weg gegeben. Etwa den: „Wenn alle auf einen Zug aufspringen, dann schauen wir zweimal hin. Immer den Weitblick bewahren und nicht nur den kurzfristigen Trends folgen.“

Gerhard Sturms unternehmerisches Erbe
Immer auf Augenhöhe – das schätzen seine Wegbegleiter an Gerhard Sturm. Foto: ebm-papst

Dieser Weitblick wird heute vom Sturm Family Office in einer diversifizierten, internationalen Investmentstrategie umgesetzt. Die Investition in KI-Startups wie H+F Solutions illustriert die Strategie. Auch der Anteil am Luftfahrtunternehmen Volocopter aus Bruchsal zeigt, dass die Familie bereit ist, Risiken einzugehen und in die Zukunft zu investieren – wenn die Überzeugung stimmt.     

Christian Gleichauf