Auch wenn man es im Alter von 20, 30 und sogar 40 noch nicht wahrhaben will – irgendwann wird sie einen selbst wahrscheinlich auch betreffen: die gesundheitliche Pflege. Aktuell wird wieder über die Ausbildung in diesem Bereich diskutiert – auf Bundestagsebene.
Der demografische Wandel fordert bereits seit geraumer Zeit seinen Tribut: Die Lebenserwartung der Menschen wird immer höher, was im Umkehrschluss jedoch nicht gleichbedeutend damit ist, dass diese auch immer gesünder alt werden. Nach wie vor müssen Senioren oft gepflegt und medizinisch versorgt werden. Dafür braucht es genügend Nachwuchskräfte in den Alten- und Krankenpflegeberufen. Das heißt aber auch, dass sich im Laufe der vergangenen Jahre das Ausbildungsangebot im Gesundheitswesen der Nachfrage anpassen musste – und das nicht nur im Hinblick auf die bevölkerungsspezifischen Entwicklungen, sondern auch hinsichtlich der digitalen. Vier Beispiele zeigen, wie sich diese Veränderungen in der Praxis niedergeschlagen haben.
„Der Bereich der IT hat sich in den vergangenen 15 Jahren als eigene Abteilung etabliert, da die spezifischen Anforderungen der Datenverarbeitung im Krankenhaus zunehmend spezialisierte Fachkräfte benötigen“, erläutert Ute Emig-Lange, Bereichsleiterin der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Gesundheitsholding Tauberfranken gGmbH. Diese fungiert als gemeinsames gesellschaftsrechtliches und organisatorisches Dach des Caritas-Krankenhauses Bad Mergentheim, des Krankenhauses Tauberbischofsheim, der Physiotherapieschule Sanitas Tauberfranken und zweier Seniorenzentren. In den kommenden Jahren würden die Herausforderung des digitalen Wandels dazu führen, dass die IT künftig noch weiter an Bedeutung im Gesundheitswesen gewinnen wird, so Emig-Lange.
Betrachte man die medizinischen und pflegerischen Berufe, so zeichne sich dabei eine zunehmende Spezialisierung ab. „Das Wissen in einzelnen medizinischen Fachbereichen wird immer umfangreicher und detaillierter, sodass diese sich weiter aufsplitten und immer spezieller werden“, weiß die Bereichsleiterin. Zur gleichen Zeit gebe es im Krankenhaus eine Entwicklung zur Behandlung von Patienten in interdisziplinären, fachübergreifenden Zentren. Hier arbeiten die Fachärzte unterschiedlicher Bereiche in klar geregelten Abläufen eng zusammen, um den Patienten die in jedem Einzelfall bestmögliche Therapie zugutekommen zu lassen.
Was die hauseigene Ausbildung betrifft, bietet das Bildungszentrum am Caritas-Krankenhaus neben der klassischen auch die sogenannte integrative Pflegeausbildung, kurz iPA. Bei dieser werden Elemente aus den Bereichen Kinderkranken-, Alten- und Krankenpflege kombiniert und gemeinsam unterrichtet. „Die Anforderungen an den Beruf haben sich in den vergangenen Jahren gewandelt und dem passt sich auch die Ausbildung in unserem Modellprojekt iPA an“, erklärt der Leiter des Caritas-Bildungszentrums, Norbert Stolzenberger. Emig-Lange fügt hinzu: „Am Caritas-Krankenhaus hat sich das Nebeneinander von klassischer Pflegeausbildung und iPA bewährt, um allen Bewerbern eine ihren Interessen und Kompetenzen entsprechende Ausbildung anbieten zu können und so auch die Altenpflege als eigenes Berufsfeld zu unterstützen.“
Bernhard Slatosch vom Kompetenzzentrum Unternehmenspolitik des Caritasverbands der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist der Meinung, dass die demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungen eine Vielfalt an Beschäftigungs- und Karrierechancen im Gesundheits- und Sozialwesen bieten – auch in der Region Heilbronn-Franken. „Nach den vorsichtigen Hochrechnungen des Statistischen Landesamtes dürfte sich der Personalbedarf allein in den pflegerischen Handlungsfeldern bis zum Jahr 2050 mindestens verdoppeln“, weist Slatosch hin.
Brandaktuell sei in diesem Zusammenhang die Diskussion in Bundestag und Bundesrat des Pflegeberufegesetzes. Dieses strebe eine sogenannte „generalistische“ Ausbildung an, die nicht nur das Arbeiten in allen Bereichen der ambulanten, teilstationären und stationären Gesundheits- und Pflegedienste ermöglicht, sondern auch zur Beratung im Bereich Gesundheit und Prävention qualifiziert. Pflege solle mit diesem Gesetz zukünftig auch grund-legend an Hochschulen studiert werden können, mit der Perspektive qualifizierter Weiterbildungsstudiengänge und Möglichkeiten der Promotion in der Pflegeforschung. „Pflege entwickelt sich zu einem immer bedeutsameren Handlungsfeld in unserer Gesellschaft mit anspruchsvollen und interessanten Aufgabengebieten und einer zunehmend besseren Bezahlung, die dem Vergleich mit anderen Branchen standhalten kann“, betont Slatosch.
Als Trägerin mehrerer Seniorenzentren in der Region Heilbronn-Franken unterstützt die Paul-Wilhelm-von-Keppler-Stiftung natürlich die Reformbestrebungen hin zu einer neuen Pflegeausbildung. Bezogen auf das Pflegeberufegesetz meint Stefan Werner vom Pflegemanagement der Stiftung: „Die nächsten Wochen werden hier sehr spannend und es kann wirklich in beide Extreme gehen, hopp oder topp. Würde das Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht verabschiedet werden, hätte das in unseren Augen massive Nachteile für die Altenpflege als Beruf.“ Gerade dort würden allerdings seit Jahren Ausbildungsrekorde gefeiert, was den massiven Förderprogrammen von Bund und Ländern geschuldet ist. Mangel herrsche heute dennoch in jedem Berufsbild. Selbst ungelernte Pflegehilfskräfte seien schwerer zu finden denn je, so Werner. „In meinen Augen spielt damit die Frage der Qualität eine deutlich wichtigere Rolle, die Quantität ist am Ende ihrer Weisheit.“
Von diesem Nachwuchsmangel scheint die Gesundheitsakademie am Klinikum am Gesundbrunnen in Heilbronn nicht tangiert zu sein: Insgesamt rund 350 Ausbildungsplätze bietet die Akademie an. Dabei wurde das Angebot der SLK-Kliniken in den vergangenen Jahren stets erweitert. „Uns ist es wichtig, dass sich die Bewerber bereits ein Bild von ihrem zukünftigen Beruf gemacht haben. Deswegen setzen wir vor allem bei den Gesundheitsberufen ein mindestens einwöchiges Praktikum voraus“, erklärt Gisela Jenkner, Leiterin der Gesundheitsakademie. So bieten seit 2011 die SLK-Kliniken Ausbildungen zu operations- und anästhesietechnischen Assistenten an. Dabei geht es – je nach Schwerpunkt – unter anderem um die Assistenz bei Diagnostik und Therapie im Tätigkeitsfeld der Endoskopie, Ambulanz oder Schmerztherapie sowie im OP. „Da die Anforderungen in diesen Bereichen immer komplexer werden, ist es wichtig, spezialisierte Fachkräfte auszubilden“, weiß Jenkner. Ab Mai kommt erstmals die Ausbildung zur Hebamme beziehungsweise zum Entbindungspfleger hinzu. Mit rund 3000 Geburten pro Jahr ist das Klinikum am Gesundbrunnen eine der größten Geburtskliniken in Deutschland.
Olga Lechmann