Es gibt sie in Paris, London, Amsterdam und seit August 2017 auch in Heilbronn – sogenannte Hop-on-hop-off-Busse. Touristen können bei einer Stadtrundfahrt ein- und aussteigen, wann und wo sie wollen. Auch wir sind mit dem roten Doppeldecker mitgefahren.
Es ist ein kalter Freitagmorgen kurz vor Ostern, der Himmel ist dicht bewölkt: Mitten in Heilbronn hat sich eine kleine Menschenmenge vor dem Ibis-Hotel gegenüber dem Experimenta-Parkhaus versammelt. Frauen und Männer stehen dick eingepackt vor einem großen roten Doppeldeckerbus, plaudern und trinken Sekt oder Orangensaft. Manche, denen es draußen zu frisch ist, haben Zuflucht im Bus gesucht. Was ist denn da nur los? Gibt es etwa was zu feiern? Die Antwort ist: Ja. Die Winterpause des City-Tour-Busses, der sich seit August 2017 durch die Käthchenstadt schlängelt, ist endlich vorbei.
Jetzt geht es wieder auf Entdeckungsfahrt – ob für eingefleischte Heilbronner, für Besucher aus der Region oder auch Touristen aus anderen Ländern. Heute, am 23. März, ist der offizielle Startschuss für die zweite Saison des Sightseeing-Busses. Dafür hat die Heilbronn Marketing GmbH (HMG) 25 Gäste, sogenannte Multiplikatoren – zum Beispiel von der Kreissparkasse, der Weingenossenschaft oder dem Theater in Heilbronn –, eingeladen, an der ersten Fahrt des Jahres 2018 teilzunehmen. Bevor es allerdings losgeht, gibt es einen Umtrunk und ein paar Worte zur Begrüßung von HMG-Geschäftsführer Steffen Schoch. „Ich bin ein richtiger Fan dieses Busses“, sagt er an die umstehende Gruppe gewandt und deutet auf das vier Meter hohe, mit diversen Schriftzügen versehene Fahrzeug. „Natürlich hätten wir uns für den Auftakt besseres Wetter gewünscht, aber es liegen zum Glück Decken bereit“, meint Schoch lachend. „Vergangenes Jahr im August sind wir aus dem Stand mit 4000 Fahrgästen gestartet“, informiert der Marketingexperte. Die Saison habe bis Dezember gedauert, aber weil es da doch ziemlich kalt war, endet sie dieses Jahr bereits Anfang November.
Die Uhr schlägt 10.30 Uhr. Der Busfahrer Luigi Stoduto startet den Motor, die letzten Reste Sekt und Saft werden getrunken und die Sitzplätze angesteuert. Der City-Tour-Bus absolviert von Freitag bis Montag immer drei Fahrten durch die Stadt – um 10.30, 12.30 und 14.30 Uhr. Sara Furtwängler, Pressesprecherin der HMG, fährt an diesem Tag zwar selbst nicht mit, doch sie ist bereits letztes Jahr mit dem Bus unterwegs gewesen. „Selbst als Heilbronnerin habe ich auf der Fahrt viel Neues über die Stadt erfahren“, räumt sie anerkennend ein.
Auf dem Deck angekommen wird erst mal die Dachverkleidung von Hand eingefahren. Open-Air-Feeling also. Wobei man bei diesen Temperaturen – es hat fünf Grad – getrost darauf verzichten könnte. Aber was wäre schon eine Fahrt mit einem Doppeldeckerbus, wenn man nicht oben Platz nehmen würde? Wie Steffen Schoch versprochen hat, gibt es kuschelige graue Decken. Anfangs halten diese sogar ein wenig warm, da der Bus zunächst langsam fährt. Als er beschleunigt, ist allerdings von allen Seiten Bibbern zu hören. Doch die Gruppe hält wacker durch. Mehrmals fragt der Betreiber des Busses Sascha Willms, ob er das Verdeck schließen soll – und immer lautet die Antwort: „Nein.“
Quer durch die Neckarstadt
Während der Tour sitzen die Fahrgäste natürlich nicht nur herum und genießen die Aussicht. Bei einem Sightseeing-Bus geht es ja schließlich darum, etwas über die Gebäude, Plätze und Orte zu erfahren, die man zu sehen bekommt. Daher ist über Lautsprecher die Stimme der Heilbronner Stadtführerin Bettina Kruck-Hampo zu hören, die Wissenswertes über die 50 Sehenswürdigkeiten erzählt, die den Rundfahrtteilnehmern im Laufe der 100-minütigen Tour begegnen. Los geht es also im Herzen des Oberzentrums. „Heilbronn hat im Dynamikranking von Städten einen hervorragenden Platz“, versichert Kruck-Hampo. Es habe sich prächtig entwickelt und viel zu bieten.
Über die Kaiserstraße geht es Richtung Fußgängerzone. Dabei erhascht man Blicke auf den 62 Meter hohen Turm der evangelischen Kilianskirche aus dem 11. Jahrhundert und das Marrahaus, dessen Fassade vom gleichnamigen Künstler in 47 verschiedenen Farben gestaltet wurde. Während der Bus durch die Straßen kurvt, schauen immer wieder Passanten auf und lächeln. Die Heilbronner scheinen sich zu freuen, dass ihr Doppeldecker wieder in Betrieb ist. Vielleicht steigt ja jemand bei der nächsten oder der übernächsten Fahrt ein. Oder vielleicht doch eher, wenn die Temperaturen im zweistelligen Bereich angelangt sind.
Die Fahrt führt vorbei am Konzert- und Kongresszentrum Harmonie, in dem unter anderem schon Sänger Udo Jürgens aufgetreten ist und in dessen Saal auch das Württembergische Kammerorchester spielt, sowie am Verlagshaus der Heilbronner Stimme und dem Wollhaus. „Damals, als dieses gebaut wurde, war es der Stolz der Bürger“, erklärt die Stadtführerin. Doch heute entspreche das Gebäude nicht mehr dem Geschmack der Leute.
Die Stadtfarben Heilbronns sind übrigens rot, weiß und blau, weiß man nach der Rundfahrt. Denn: „Die Heilbronner Stadtknechte haben diese Farben auf ihren Mänteln getragen“, sagt Kruck-Hampo, die seit 2011 als selbstständige Stadtführerin arbeitet und von der sowohl die Route als auch die Texte stammen. „Die City-Tour ist mein Baby“, verrät sie später schmunzelnd. Von ihr erfährt man noch so viel anderes, das einem Heilbronn näherbringt – Details über Theodor Heuss, der in der Käthchenstadt gelebt und dort Abitur gemacht hat, über den Mediziner Robert Mayer, der sich mehrmals in psychiatrische Behandlung begeben musste und, und, und. Die City-Tour endet, wo sie begonnen hat – am Ibis-Hotel. Durchgefroren, aber reich an Eindrücken und Informationen steigen alle aus.
Olga Lechmann
Rundfahrt-Route
Vom Startpunkt Ibis-Hotel über die Kaiserstraße und die Allee fährt der City-Tour-Bus Richtung Trappensee und weiter vorbei am Pfühlpark. Von dort aus geht es in die Weinberge, wo am Wartbergrestaurant ein Fotostopp eingeplant ist. Auch die Genossenschaftskellerei Heilbronn – Erlenbach – Weinsberg steht als Ausstiegsmöglichkeit auf der Route. Über den Botanischen Obstgarten vorbei am Buga-Gelände geht die Fahrt zurück bis in die Innenstadt und endet dort, wo sie losging. Die Fahrgäste können an neun Stationen aussteigen.