Gibt es in einem Unternehmen Konflikte, beispielsweise im Team oder zwischen Geschäftsführung und Angestellten, kann dies das Image schädigen und bedeutet im Zweifel auch Umsatzeinbußen. Deshalb holen sich Firmen oft Hilfe von außerhalb. Carmen Brucker ist als Business-Coach genau in diesem Segment tätig und erklärt im Interview unter anderem, warum Unternehmen Konflikte auch als Chance sehen sollten.
Frau Brucker, Sie sind Trainerin und Business-Coach. Können Sie kurz zusammenfassen, was Sie tun?
Brucker: Ich unterstütze Unternehmer, Führungskräfte, Teams oder Einzelpersonen bei der Bewältigung ihres Berufsalltages. Kurz gesagt umschließt das drei Säulen: Training, Coaching und Impulsworkshops. Bei der ersten Säule – dem Training – geht es darum, die eigenen Fähigkeiten auszubauen und das Wissen zu erweitern. Beim Coaching fördere ich es, sich bewusster wahrzunehmen, ich helfe, Probleme zu erkennen und das eigene Verhalten zu ändern. Bei den Impulsworkshops hole ich Führungskräfte und Unternehmer – beispielsweise bei Wachstumsentscheidungen oder Teamkonflikten – bewusst aus dem Alltag raus. Mit der Helikopter-Perspektive auf die visualisierte Firmenstruktur bekommen sie einen besseren Überblick über ihr Unternehmen.
Wie funktioniert das genau?
Brucker: Die Teilnehmer des Impulsworkshops visualisieren die Struktur im Betrieb und die Mitarbeitersituation. Dafür kommen verschiedene Hilfsmittel zum Einsatz: Moderationskarten stehen für die Struktur, Holzfiguren für Personen. Sobald der Ist-Zustand visualisiert ist, werfen die Beteiligten einen Blick von oben darauf. Die gesamte Zusammensetzung des Unternehmens oder der Abteilung steht bildlich vor dem Teilnehmer – wie aus der Sicht von einem Helikopter. Diese Perspektive bewirkt oft schon den ersten „Aha“-Effekt. Im nächsten Schritt folgt dann der Blick in die Zukunft und daraus abgeleitet die konkreten Maßnahmen – kurz-, mittel- und langfristig. Schön ist die Visualisierung auch mit Teams, wenn sichtbar wird, wer welche Rolle und welche Zuständigkeiten hat. Es wird auch deutlich, ob es stimmig im Team ist oder nicht. Alle Teilnehmer haben dann dasselbe Verständnis. Eine ideale Basis, um Optimierungen einzuführen.
In welchen Fällen können Sie helfen?
Brucker: Im Falle der Impulsworkshops bei der Vorbereitung von unternehmerischen Entscheidungen oder der Teamentwicklung. Beim Coaching grundsätzlich im Bereich Personal- und Teamentwicklung und auch bei ganz klassischen Fällen: Mitarbeiter A spricht nicht mit Mitarbeiter B oder das Team arbeitet nicht zusammen. Ebenso unterstütze ich bei der Führungskräfteentwicklung. Viele denken noch: „Wenn ich zum Coach muss, habe ich versagt.“ Aber genau das ist falsch. Ich war selbst schon Führungskraft. Mir hätte es in meiner damaligen Rolle sehr geholfen, mit einer neutralen Person gewisse Dinge zu reflektieren. Eine Person, die mir Fragen stellt. Fragen, die neue und zusätzliche Sichtweisen eröffnen. Genau diese neutrale Person bin ich heute.
Und wie gehen Sie dann vor?
Brucker: Es gibt keine Standardmethode. Jede Person und jede Firma ist individuell. Entscheidend ist das Zuhören und gezielte Fragen zu stellen. Im ersten Gespräch lasse ich mir die Situation schildern und hole die Einschätzung aller Beteiligten ein. Dann bekomme ich ein Gefühl für die Unstimmigkeiten und mache einen Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise: Ist ein Teamworkshop das Passende, eher ein Workshop mit der Führungskraft oder ein Einzelcoaching mit Mitarbeitern? Ich begleite das Unternehmen oder die Personen dann im definierten Umfang und führe Zwischengespräche. In einem Schulterblick-Gespräch resümieren wir die Entwicklungen, um zu sehen, was in der Umsetzung bereits gelungen ist und wo Anpassungen notwendig sind. Die Teilnehmer sind erstaunt, was sich alles geändert hat. Daher sind die Motivation und Bereitschaft groß, die nächsten Schritte anzugehen. Der Erfolg ist für die Beteiligten spür- und erlebbar. Der Lösungsansatz ist nachhaltig und diese Nachhaltigkeit ist das Entscheidende.
Können Sie auch helfen, einen Führungsstil zu ändern, damit solche Probleme künftig früher erkannt werden?
Brucker: Ich kann Sie darin unterstützen, Ihren Führungsstil zu reflektieren. Für mich gibt es nicht den einen richtigen Führungsstil. Jede Führungskraft ist individuell, auch die Mitarbeiter. Ich führe die Fäden zusammen. Jeder braucht etwas anderes – die einen benötigen viel Freiraum, die anderen klare Vorgaben und Struktur. In manchen Situationen ist Freiraum möglich, in anderen bedarf es der klaren Vorgabe durch die Führungskraft. Wenn der Teilnehmer versteht, wie er tickt und wie er von anderen wahrgenommen wird, kann er sich je nach Situation entsprechend verhalten – und bleibt dabei authentisch. Genau dabei unterstütze ich die Führungskräfte. Ebenso diejenigen, die es werden sollen in Form der Führungskräfteentwicklung.
Inwiefern kann man einen Konflikt im Unternehmen gegebenenfalls auch als Chance verstehen?
Brucker: Ein Konflikt bedeutet, dass etwas nicht rund läuft. Wenn sich jemand im Unternehmen dem Konflikt annimmt, vermeidet man eine Frontenverhärtung und steigert das Miteinander – und damit auch die Produktivität. Gleichzeitig setzt die Person ein Zeichen, dass sie sich kümmert. Gemeinsam können die Mitarbeiter dann lernen, woran es gehakt hat und an der Lösung arbeiten. Das ist gut für das Betriebsklima. Und genau das macht einen Arbeitgeber attraktiv.
Und wer bittet Sie um Rat?
Brucker: Zusammengefasst: Unternehmer, Einzelpersonen und Führungskräfte in der Region. Beim Coaching sind das Kunden vom Ein-Mann-Betrieb bis hin zu Firmen aus dem kleinen Mittelstand. In den Trainings gehören auch umfangreichere Aufträge bei großen internationalen Unternehmen dazu.
Über welchen Zeitraum erstreckt sich Ihr Betreuungsprogramm?
Brucker: Das ist so individuell wie es meine Kunde sind. Manchen reicht ein Impulsworkshop oder ein Coaching mit einem Rückblick nach drei Monaten, um die gewünschten Änderungen umzusetzen. Andere wünschen sich einen regelmäßigen Schulterblick, um bewusst aus dem Alltag auszusteigen, inne zu halten und Themen mit einer neutralen Person zu beleuchten. Wieder andere kommen zu einem späteren Zeitpunkt erneut auf mich zu, wenn sich ein neues Thema ergibt.
Welche Erfahrungen – positive wie negative – haben Sie mit Ihrer Tätigkeit bislang gemacht?
Brucker: Positiv sind immer die Schulterblicke. Es ist schön zu sehen, wie sich einzelne Personen oder Teams entwickeln und, wenn Erfolge gefeiert werden konnten. Es freut mich auch, wenn Einzelpersonen ihr Potenzial entfalten können und Führungskräfte oder Unternehmer wieder den Überblick haben und mit Freude am Unternehmen arbeiten. Schade finde ich es dann, wenn gute Ideen entwickelt werden, aber ihnen im Alltag keine Priorität eingeräumt wird.
Sogenannte „Coaches“ gibt es viele, auch für verschiedene Bereiche. Woran erkennt man einen guten und passenden Ansprechpartner?
Brucker: Für Coaches gibt es verschiedene Ausbildungen. Deshalb kommt es auch darauf an, ob der Coach zu einem selbst und zum Unternehmen passt – zum einen persönlich, zum anderen vom Schwerpunkt. Die Firma sollte ihr Augenmerk auf das Erstgespräch legen und sich fragen, ob man es der Person zutraut, dass sie eine Vertrauensatmosphäre herbeiführen kann. Man muss sich beim Coach sicher sein, dass er diskret ist. Mit dem Vertrauen steht und fällt die komplette Begleitung. Ein Coach sollte seine Grenzen kennen. Ich bin beispielsweise Business Coach und kein Therapeut oder Psychologe. Es gibt Grenzen, bis wohin ich begleiten und unterstützen kann. Es gab auch Fälle, die ich nicht annehmen konnte, da der Person mit Coaching nicht geholfen wäre. Darüber hinaus ist eine Zieldefinition für den Auftrag wichtig. Auch darauf würde ich im Erstgespräch achten. Nur dann haben alle Beteiligten eine Orientierung für die Zusammenarbeit.
Interview: Alexander Liedtke
Zur Person
Carmen Brucker ist Business-Coach und Trainerin mit Schwerpunkt Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikation, Vertrieb und Mitarbeiterführung. Sie ist Diplom Betriebswirtin (BA) mit Schwerpunkt International Business Administration und blickt auf mehr als 15 Jahre Berufserfahrung zurück. Dank ihrer empathischen Art und ihrem Gespür für das Zwischenmenschliche ist es ihre Leidenschaft, Menschen in ihrem Berufsleben zu unterstützen – Führungskräfte, Mitarbeiter, Teams und Unternehmer. Sie lebt mit ihrem Sohn und ihrem Mann in Murrhardt. Mehr Informationen finden Sie hier.