„Idealer geht es nicht“ – Carolin Bogenschütz im Interview

Seit Jahresbeginn im Amt: Caroline Bogenschütz kümmert sich um die Förderung von Wirtschaft und Tourismus. Foto: Landratsamt Hohenlohekreis

Caroline Bogenschütz ist die neue Leiterin des Amts für Wirtschaftsförderung und Tourismus des Hohenlohekreises. Im Interview verrät sie, welche Impulse sie setzen möchte und was ihr in der Region im Vergleich zu Brüssel besser gefällt.

Vor Ihrem Amtsantritt in Künzelsau haben Sie das Europabüro der baden-württembergischen Kommunen in Brüssel geleitet. Würden Sie sich als Senkrechtstarterin beschreiben?
Caroline Bogenschütz: Ich würde mich als jemanden mit viel Herzblut, Kreativität und Hartnäckigkeit beschreiben. In meiner neuen Tätigkeit kann ich auf Erfahrungen in den Bereichen strategische Ausrichtung, Personal- und Budgetverantwortung, Beratung, Projektmanagement, Gremien- und Öffentlichkeitsarbeit aufbauen. Meine bisherige Stelle ermöglichte mir vielfältige Einblicke in die Herausforderungen und Zukunftsaufgaben der Kommunen, Kenntnisse der EU-Fördermöglichkeiten und ein breites Netzwerk. 70 bis 80 Prozent aller EU-Vorgaben haben direkt oder indirekt Auswirkungen auf Kommunen, daher bin ich es gewohnt, mich schnell auf neue Themenfelder einzustellen. Das kommt mir jetzt zugute.

Die Kontakte nach Brüssel halten Sie ja sicher aufrecht, oder?
Bogenschütz: Auf jeden Fall – das ist mir sehr wichtig. Ich halte meine Kontakte zu den EU-Institutionen und Interessenvertretungen in Brüssel, aber genauso auch zu den Ministerien, unterschiedlichen Kommunen und den Kommunalverbänden.

Wie kann der Hohenlohekreis konkret davon profitieren?
Bogenschütz: Dieses Netzwerk kann sich als nützlich erweisen, wenn es darum geht, Rat und Informationen einzuholen oder Erfahrungswerte auszutauschen. Es wird sicher auch dabei hilfreich sein, für Anliegen des Landkreises zu werben oder Projekt- und Veranstaltungspartner zu finden.

Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe?
Bogenschütz: An der Aufgabe reizen mich vor allem die spannenden und vielfältigen Themenfelder und Kontakte. Außerdem freue ich mich über den konzeptionellen Ansatz und den damit verbundenen Gestaltungsspielraum. Strategien und Handlungsempfehlungen zu entwickeln, Partner zu gewinnen und Konzepte engagiert umzusetzen, habe ich bereits in meiner vorherigen Tätigkeit zu schätzen gelernt. Im Vergleich zu Brüssel ist es für mich besonders spannend, direkt vor Ort Entwicklungsprozesse mitgestalten zu dürfen.

Welche Impulse wollen Sie setzen?
Bogenschütz: Mein Ziel ist auf jeden Fall, Themenfelder stärker zu kombinieren, um Synergieeffekte zu nutzen. Zu diesem Zweck wurde auch das Amt für Wirtschaftsförderung und Tourismus zusammengeführt. Den Tourismus möchte ich zum einen als Wirtschaftsbranche und zum anderen als weichen Standortfaktor stärker in die Angebote der Wirtschaftsförderung einbinden. Außerdem gilt es, in der neuen Förderperiode darauf hinzuwirken, dass das Programm „LEADER“ 
für die Entwicklung des ländlichen Raums zur Stärkung der Bereiche Kultur und Tourismus beiträgt und auch die Transformationsprozesse in der Wirtschaft sinnvoll flankiert. Verzahnungsmöglichkeiten sind eventuell auch mit dem Bereich Europa gegeben. Selbstverständlich ist zunächst der weitere Verlauf der Pandemie zu berücksichtigen. Wir müssen schauen, wo die Wirtschaft nach der Krise steht und wo ihre Bedarfe liegen.

Der Tourismus ist von den Corona-Beschränkungen stark betroffen. Für Sie ist diese Sparte neu: Wie gehen Sie das an?
Bogenschütz: Ein kurzfristiger Ansatz ist, die betroffenen Unternehmen über Corona-Hilfen zu informieren – beispielsweise über den Newsletter der Wirtschaftsinitiative Hohenlohe oder durch die Informationen für Unternehmen auf www.corona-im-hok.de. Ein weiterer Ansatz ist, den Tourismus mit Marketing- und Infrastrukturmaßnahmen wie Beschilderungen zu unterstützen. Gleichzeitig wird in Kooperation mit den Nachbarlandkreisen die Grundlage für die künftige LEADER-Förderung in der Region Heilbronn-Franken gelegt. Im bisherigen Meinungsbildungsprozess spielt es eine wichtige Rolle, den Tourismus zu fördern. Insgesamt bleibt es spannend, ob die Pandemieerfahrungen nachhaltig die Binnennachfrage ankurbeln oder ob das Fernweh überwiegen wird. Abzuwarten bleibt auch, wie stark die Geschäftsreisen wieder zunehmen oder ob sie weiterhin durch digitale Treffen ersetzt werden. Geschäftsreisende machen in den Hotels der Region einen erheblichen Gästeanteil aus.

Die Übernahme ihres Amtes fand mitten in der Krise statt. Vor welche Herausforderungen hat Sie das gestellt?
Bogenschütz: All die neuen Kontakte kennenzulernen, das hat vor allem digital stattgefunden, auch Teamsitzungen. Mit der Pandemie ist ansonsten eine gewisse Unsicherheit bei den langfristigen Planungen verbunden. Wir würden nach den Corona-Zeiten gerne wieder Präsenz-Veranstaltungen organisieren und anbieten.

Sie sind aus einer Europametropole in den kleinsten Landkreis unserer Region gewechselt. Was hat der Hohenlohekreis, was Brüssel nicht hat?
Bogenschütz: Ganz viel! Zum Beispiel saubere Luft und ein wirklich beeindruckendes gemeinnütziges Engagement der Unternehmer in der Region. Der Hohenlohekreis hat außerdem einen sehr hohen Naherholungswert. Wandern im Grünen war für mich in Belgien immer mit einer längeren Fahrt mit Zug, U-Bahn oder Straßenbahn verbunden. Hier habe ich die Wander- und Radwege direkt vor der Haustür. Mein Partner und ich freuen uns schon darauf, die Genießerregion nach der Pandemie näher kennenzulernen, inklusive Kulturangebot, denn da ist der Hohenlohekreis mit seinen Kunstmuseen und Veranstaltungsstätten wie dem Carmen-Würth-Forum auch sehr stark aufgestellt.

Haben Sie sich schon eingelebt – oder gibt es auch etwas, das Sie vermissen?
Bogenschütz: Ja, glücklicherweise bin ich hier schon ganz gut angekommen. Das habe ich zu einem großen Teil der wunderbaren Einarbeitung durch meine Vorgängerin Margot Klinger sowie der tollen Aufnahme durch die Kollegen im Landratsamt und im LEADER-Regionalmanagement zu verdanken. Hinzu kommt: Mein Vater ist ein Schwabe aus Baden-Württemberg, meine Mutter eine Fränkin aus Bayern. Die Transitstrecke zwischen meinen Verwandten hat mich immer durch diese Region geführt und jetzt befinde ich mich in der goldenen Mitte. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass ich in der Hohenzollernstadt Hechingen aufgewachsen bin, die sehr stolz auf ihre Villa Rustica ist, dann ist es ganz klar, dass ich mich hier im fränkischen Teil von Baden-Württemberg mit seinen Schlössern und dem Limes sehr wohlfühle. Idealer geht es eigentlich gar nicht.

Belgische Schokolade fehlt Ihnen nicht?
Bogenschütz: Die kann ich mir glücklicherweise problemlos nachschicken lassen.


Zur Person

Caroline Bogenschütz absolvierte nach ihrem Studium zur Diplom-Verwaltungswirtin (FH) den Masterstudiengang Europäische Studien in Wien und anschließend den Masterstudiengang Europäisches Verwaltungsmanagement in Kehl und Ludwigsburg. Von 2012 bis Ende 2020 war sie im Europabüro der baden-württembergischen Kommunen in Brüssel tätig. Anfang 2021 trat sie die Leitung des Amts für Wirtschaftsförderung und Tourismus im Hohenlohekreis sowie die Geschäftsführung der W.I.H. – Wirtschaftsinitiative Hohenlohe GmbH an.


Interview: Dirk Täuber