Entgegen diverser Katastrophen-Prophezeiungen, die es immer wieder zu lesen oder zu hören gibt, wächst die deutsche Wirtschaft. Laut Umfrage der IHK Heilbronn-Franken sind auch die Unternehmer der Region guter Dinge – Elke Döring gibt im Gespräch ein Stimmungsbild ab.
Die Konjunktur stimmt die Unternehmer optimistisch – in welchen Branchen sind die Erwartungen für dieses Jahr besonders hoch?
Elke Döring: Die regionale Wirtschaft ist sehr robust in das Frühjahr gestartet: Die Unternehmen im IHK-Bezirk Heilbronn-Franken haben ihre Lage im ersten Quartal 2021 bei unserer Konjunkturumfrage über fast alle Branchen hinweg besser als in den Vormonaten eingeschätzt. Vor allem die Industrie setzt ihren Aufschwung weiterhin fort. Auch die Dienstleister zeigen sich mehrheitlich kaum noch skeptisch. Dramatisch bleibt die Situation hingegen in dem von den Corona-Einschränkungen besonders hart getroffenen Reise- und Gastgewerbe, sowie in Teilen des Einzelhandels. Hinsichtlich der Geschäftsaussichten hat der Optimismus der regionalen Unternehmen insgesamt leicht zugenommen.
Wenn man das auf die einzelnen Kreise herunterbricht, wo schaut es besonders gut aus?
Döring: Die Einschätzung der Geschäftslage in den einzelnen Kreisen zeigt ein ähnliches Bild wie in der Region Heilbronn-Franken insgesamt. Etwas über dem regionalen Durchschnitt liegt aktuell die Anzahl der Optimisten im Landkreis Heilbronn, im Hohenlohekreis und im Main-Tauber-Kreis.
Worauf kommt es die nächsten Monate besonders an, damit es vor allem der Industrie gelingt, die guten Erwartungen umzusetzen?
Döring: Die aktuelle Stimmungsverbesserung in der Industrie, aber auch in der Breite der Wirtschaft zeigt das große Potenzial für eine konjunkturelle Erholung, sobald die Pandemie erfolgreich eingedämmt wird. Bis zum Herbst 2021 wäre eine durchgreifende Erholung durchaus möglich. Voraussetzung hierfür ist allerdings der konsequente Ausbau der Impfungen, verbunden mit einer überzeugenden Teststrategie und funktionierenden Hygienekonzepten.
Welche Hilfestellung bietet die IHK?
Döring: Von Beratung über Informationen bis hin zum Unternehmensnetzwerk – bei den Industrie- und Handelskammern erhalten Betriebe in schwierigen Geschäftslagen konkrete Hilfestellungen. Fachkundige Ansprechpartner helfen dabei, Lösungen für verschiedenste Problemsituationen zu finden. Darüber hinaus stellen die IHKs wichtige Informationen, speziell auch zu Coronathemen, bereit: Auf ihren Websites wie auch in Form von Seminaren können sich Unternehmerinnen und Unternehmer einen Überblick etwa über staatliche Hilfsprogramme verschaffen. Nicht zuletzt bietet die IHK-Organisation ein Netzwerk vieler verschiedener Kontakte – und damit wertvolle Erfahrungen und Tipps von anderen Unternehmen.
Welche Rolle spielt das Exportgeschäft in Sachen Aufschwung?
Döring: Die Weltkonjunktur erholt sich weiter. Sie steht allerdings immer noch im Schatten der Pandemie. Die Aussichten für den regionalen Außenhandel hellen sich weiter auf und sind angesichts der Erholung wichtiger Handelspartner wie den Vereinigten Staaten und China positiv. In der Industrie geht es vor allem dank dieser Impulse aus dem Ausland endlich wieder aufwärts.
Und wie können Firmen, die weniger oder kaum Export betreiben, das jetzt auffangen?
Döring: Diese Unternehmen sind besonders auf die starke Binnennachfrage angewiesen. Diese könnte vor allem durch staatliche Investitionen und Konsumanreize angeregt werden.
Ein großes Problem während des Lockdown waren ja teilweise die Lieferketten – und sind nun die in die Höhe geschossenen Einkaufspreise. Wie können die Firmen hier entgegenwirken?
Döring: Die Rohstoffversorgung bereitet den Betrieben zunehmend Kopfzerbrechen. Bei der letzten IHK-Konjunkturumfrage gaben 45 Prozent der heimischen Unternehmen hohe Energie- und Rohstoffpreise als Geschäftsrisiko an. Besonders das verarbeitende Gewerbe und das Baugewerbe sind betroffen. Infolge der Pandemie war die Produktion vielerorts nach unten angepasst. Nicht immer kann die Produktion rasch genug wieder auf die unerwartet schnell angesprungene weltweite Nachfrage angepasst werden. Hinzu kommen fehlende Frachtkapazitäten und die Nachwirkungen der Suez-Kanal-Blockade vor einiger Zeit. Eine Diversifizierung der Lieferketten mit weiteren Handelspartnern könnte gerade jetzt den Handel mit Mangelprodukten für die betroffenen Unternehmen in Deutschland erleichtern.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat gefordert, den Neustart mit einem umwelt- und klimaschutzverträglichen Umbau von Wirtschaft und Industrie zu verbinden. Wie wichtig ist es jetzt, langfristige Ziele im Blick zu behalten?
Döring: Umwelt- und Klimaschutz sollten weniger von staatlichen Regulierungen geprägt sein. Vielmehr sollten wir auf die Innovationskraft der Wirtschaft setzen. Eine technologieoffene Förderung durch den Staat ist die beste Lösung für klimafreundliche Produktion und Produkte.
Wie Sie schon sagten, haben es Teile des Einzelhandels derzeit nicht ganz einfach. Wie sind hier die Aussichten für das laufende Jahr?
Döring: Im regionalen Einzelhandel war bei der letzten IHK-Konjunkturumfrage etwas mehr als jeder dritte Betrieb mit der aktuellen Lage unzufrieden. In den Teilbranchen ist die Situation allerdings extrem unterschiedlich. Während der Lebensmittelhandel sehr gute Geschäfte meldet, ist beispielsweise die Lage im Einzelhandel mit Bekleidung dramatisch. Jeder achte Einzelhändler berichtet von einer existenzgefährdenden Finanzlage. Der Pessimismus hinsichtlich des zukünftigen Geschäftsverlaufs hat kaum abgenommen. Mehr als ein Drittel geht von einer ungünstigeren Entwicklung im weiteren Jahresverlauf aus.
So manch Ökonom warnt vor einer drohenden Insolvenzwelle. Wie hoch schätzen Sie diese Gefahr für Heilbronn-Franken ein?
Döring: Es ist noch zu früh, um diesbezüglich verlässliche Prognosen anstellen zu können. Sicherlich werden auch coronabedingt Insolvenzen auftreten. Wie sich dies allerdings im Verhältnis zu Vor-Corona-Zeiten entwickelt, lässt sich derzeit noch nicht sagen.
Für wie stabil halten Sie den Arbeitsmarkt in der Region – von welchem Szenario gehen Sie hier aus?
Döring: Trotz des Lockdowns hat sich der Arbeitsmarkt inzwischen erholt. 22 Prozent der regionalen Betriebe planen laut der letzten IHK-Konjunkturumfrage in den kommenden zwölf Monaten Neueinstellungen. Nur 19 Prozent wollen Personal abbauen. Ein Blick in die Branchen zeigt, dass das Baugewerbe, der Großhandel und die Industrie mit einem deutlicheren Anstieg der Beschäftigtenzahl rechnen. Im Einzelhandel und bei den Dienstleistern findet per saldo ein leichter Personalaufbau statt. Eine starke Reduzierung der Beschäftigtenzahl erwartet dagegen das Hotel- und Gaststättengewerbe.
Interview von Melanie Boujenoui
Zur Person: Elke Döring ist seit zehn Jahren Hauptgeschäftsführerin der IHK Heilbronn-Franken.