Im Dienste der Menschen

Nach Abschaffung der Wehrpflicht und damit des Zivildienstes im Jahr 2011 wurde viel über Alternativen und Ersatzdienste diskutiert. Dazu hat sich auch Dr. Traugott Hascher Gedanken gemacht. Er ist zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie für Fundraising im Sonnenhof Schwäbisch Hall.

Von 1988 bis 1990 leistete ich den Zivildienst ab – als Ersatz für den Wehrdienst. 20 Monate lang. Kurz nachdem ich diese Zeit im Alten- und Pflegeheim in Schwäbisch Hall auf dem Teurershof hinter mich gebracht hatte, war in den Nachrichten von einer Aufstockung von 20 auf 24 Monaten die Rede.

Doch es kam ganz anders: Mit der stufenweisen Verkürzung der Wehrdienstzeit musste auch die Zeit für den Zivildienst stets verkürzt werden. Im Jahr 2010 lag die Zeit für den Zivildienst nur noch bei sechs Monaten. Dann wurde der Wehrdienst ganz ausgesetzt und damit auch der Ersatz- beziehungsweise Zivildienst. Ich stimmte damals jenen Stimmen zu, die sagten, dies werde die betriebswirtschaftliche und lebensbegleitende Seite eines Sozialunternehmens ganz erheblich tangieren, ja treffen. Mindestens in der Übergangszeit war dies auch in der Tat für wohl alle Sozialeinrichtungen und sogenannten non-profit-Organisationen alles andere als leicht zu verkraften. Für einige ist dies – wie ich selbst vielfach erfahren habe und mir von Kollegen jetzt bestätigt wurde – bis auf den heutigen Tag nicht oder nur geringfügig zu kompensieren. Noch während der Zeit des Zivildienstes protestierte ich auf dem Haller Säumarkt mit Gleichgesinnten gegen eine geplante Verlängerung des Zivildienstes, auch in der Meinung, Zivildienstleistende würden Fachkräften deren Arbeitsplätze wegnehmen. Als Zivildienstleistender durfte man sich aber nicht vom Dienst unerlaubt entfernen und einer Demonstration beiwohnen. Es gab einen Vermerk im polizeilichen Führungszeugnis. Damals war ich mir meiner Sache ziemlich sicher. Heute ist mein Urteilsvermögen nicht so klar ausgebildet. Was ich sicher konstatieren kann, ist dies: Die Zeit des Zivildienstes war für mich eine gute Zeit. Eine sinnvolle Zeit. Vieles, was ich heute als meine Lebensgrundlage benennen kann, beruht darauf. Was mich damals sehr störte, war der Zwang: entweder Wehrdienst oder Zivildienst. Im Zivildienst sah ich als 20-Jähriger das kleinere Übel. Heute freilich sage ich: Zivildienstleistende haben ungemein bedeutende humanistische und gesellschaftstragende Aufgaben verantwortungsvoll übernommen – in nahezu allen Bereichen unseres Lebens. Das wirkt heute noch positiv nach. So empfand ich die Aussetzung des Wehrdienstes und Zivildienstes vor einigen Jahren in politischer Hinsicht als doch recht fahrlässig.

Lieber Freiwillig

Als philosophisch denkender Mensch schwanke ich zwischen den beiden Antipoden Freiheit und Notwendigkeit. Ich bemängelte den Zwang zur Wahl zwischen Wehrdienst und Zivildienst, begrüße jedoch heute die Freiwilligkeit von FSJ und Bundesfreiwilligendienst (BFD oder Bufdi). Einerseits. Andererseits stelle ich doch fest, dass mir – und wohl den allermeisten Zivis – quasi mit Notwendigkeit dank des Dienstes in vielerlei Hinsicht zum Glück verholfen worden ist und ich zum Glück anderer beigetragen habe. Unterm Strich begrüße ich letztlich die Freiwilligkeit mehr als eine Dienstverpflichtung. Ich halte es für besser, wenn ein Mensch selbst entscheiden kann, ob er sich freiwillig in unserer Gesellschaft und für sie beziehungsweise deren Zusammenhalt verpflichten möchte. Das spiegelt meiner Beobachtung nach auch die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen eher wieder. Im Sonnenhof, Angebote für Menschen mit Unterstützungsbedarf in Hohenlohe-Franken, wo ich heute arbeite, engagieren sich an die 100 Freiwillige – FSJ-ler und Bufdis. Der Großteil sind FSJ-ler. Und der Unterschied liegt lediglich darin, dass der BFD altersunbegrenzt ist und ein FSJ bis maximal zum 26. Lebensjahr geleistet werden darf. Ich begrüße die Altersunbegrenztheit des BFD ungemein: Einsicht respektive neue Sichtweisen ergeben sich oft in späteren Jahren oder Lebensphasen. Mittlerweile kommen die FSJ-ler und Bufdis aus allen Herren Ländern in den Sonnenhof: Brasilien, China, USA, Ukraine und Russland können da angeführt werden. Die meisten kommen aber aus der Region, dies vor allen Dingen aufgrund der Mund-zu-Mund-Propaganda. Über alle hinweg lässt sich sagen: Sie gehen, in ihrer Persönlichkeit gestärkt, aus ihrem meist einem bis eineinhalb Jahre dauernden Engagement mit wichtigen Erfahrungen heraus und treten selbstbewusster ins Berufsleben ein. Summa summarum lässt sich sagen: Der Sonnenhof konnte den Wegfall des Zivildienstes recht gut kompensieren – vor allem durch eine Ausweitung und erfolgreiche Bewerbung von FSJ-Stellen. Andernorts ist das freilich vielfach nicht so ohne Weiteres gelungen.

Traugott Hascher