Ist der Einzelhandel zu retten?

Werden wir in ein paar Jahren unser Essen, unsere Kleidung, unsere Technik, unsere Möbel und alles, was zum Leben dazu gehört, nur noch übers Internet kaufen? Wird möglicherweise die nächste Generation gar nicht mehr wissen, was stationärer Handel überhaupt ist? Ein DHBW-Professor gibt Antworten.

Prof. Dr. Janz, kurz gefragt: Gibt es bald keine Läden mehr?

Janz: Wenn Sie mit Läden das inhabergeführte Ladengeschäft meinen, dann sprechen wir von einer Existenzbedrohung. Allein in den letzten zehn Jahren verzeichnete dieses Segment Umsatzeinbußen von 45 Prozent. Lokale, inhabergeführte Geschäfte stehen heute mehr denn je in einem scharfen Wettbewerb mit dem Onlinehandel, aber auch mit vertikalen Anbietern, Fachmärkten und Discountern. So hat beispielsweise der Textildiscounter TK Maxx in den letzten drei Monate zwölf neue Läden eröffnet, darunter auch in Heilbronn.

Was kann der lokale Einzelhändler also dagegen tun?

Janz: Eines der Hauptprobleme ist, dass viele Kunden ihren Einkauf im Netz starten. Dort sind die meisten lokalen Einzelhändler heute nicht sichtbar. Eine einfache Website mit Anfahrt und Öffnungszeiten genügt nicht mehr. Was die Kunden am meisten interessiert, ist die Ware. Die muss im Netz gezeigt werden.

Lohnen sich Onlineshops für lokale Händler überhaupt?

Janz: Ein eigener Onlineshop ist, wenn er gut gemacht sein soll, zeitaufwändig und teuer. Darüber hinaus wird im Onlinegeschäft ganz anderes Know-how benötigt als im stationären Einzelhandel. Daher empfiehlt es sich, erst einmal mit Marktplätzen wie Ebay oder Amazon zu starten und erste Erfahrungen zu sammeln.

Bei Amazon sind die Anforderungen an die Händler hoch: Teilnahme am Prime Programm, sofortige Lieferung, exzellenter Service. Sollte man das trotzdem probieren?

Janz: Die Anforderungen an den Service sind ja auch im Stationärhandel in den letzten Jahren stetig gewachsen. Wer diesen Service nicht bieten kann, hat ohnehin schlechte Zukunftsaussichten. Amazon ist mit Abstand die größte Plattform und weist die höchste Kundenfrequenz auf. Natürlich ist der Wettbewerb dort auch entsprechend hoch. Es lohnt sich, neben Amazon und Ebay auch andere Plattformen wie Sugartrends, Hood und AllYouNeed auszuprobieren.

Können regionale Online-Plattformen den Einzelhandel retten?

Janz: In der Theorie ist das eine tolle Idee: Lokale Händler bündeln ihre Sortimente und können so eine große lokal verfügbare Online-Auswahl bieten. Die bekannten Praxisbeispiele sind jedoch ernüchternd. Vielerorts gelingt es nicht, attraktive Sortimente zusammenzustellen und aktuell zu halten. Die Anzahl der Bestellungen hält sich in Grenzen. Vielversprechender sind Ansätze von Marktplätzen wie Ebay oder Sugartrends, lokale Händler zu einem lokalen Angebot zusammenzufassen. Auf diesen Marktplätzen herrscht bereits großer Kundenverkehr und die Chancen, gesehen zu werden, sind dort deutlich höher als auf den Plattformen von Atalanda oder HierBeiDir.

Welche Konzepte funktionieren?

Janz: Lokale Einzelhändler sollten sich verstärkt über Kooperationen Gedanken machen. Ein interessantes Beispiel ist die Plattform Schuhe.de, die von der Einkaufskooperation ANWR betrieben wird. Auf der Plattform können Schuhhändler relativ einfach ihre stationären Sortimente präsentieren.Ein anderes interessantes Beispiel ist die SchorndorfCentro Card, die von lokalen Einzelhändlern in Kooperation mit den Stadtwerken herausgegeben wird. Das Kundenbindungsprogramm vergibt für jeden Einkauf Punkte, die dann im Händlerverbund eingelöst werden können. Das schafft Kundenbindung und die Händler erhalten eine Möglichkeit, ihre Kunden personalisiert anzusprechen.

Interview: Jana Elsner

Zur Person
Prof. Dr. Oliver Janz studierte und promovierte an der Universität Mannheim. Im Anschluss arbeitete er in verschiedenen Positionen des Karstadt-Quelle-Konzerns. Seine Einzelhandelsexpertise erweiterte er als Director Global Retail der Hugo Boss AG. Heute verantwortet Prof. Dr. Janz das Studienangebot Textilmanagement an der DHBW Heilbronn und berät Unternehmen der Modebranche.