15.000 Sicherheitslücken weist die IT-Infrastruktur jedes Unternehmens auf – nur ein Grund, warum es bei der Schwarz Gruppe jetzt die neue Sparte Schwarz Digits gibt. Die Co-CEOs Christian Müller und Rolf Schumann erklären, was noch dahintersteckt.

Seit Ende 2023 bündeln Sie die Themen IT und Digitales in einer neuen Sparte: Schwarz Digits. Warum war dieser Schritt notwendig?
Christian Müller: Wir prüfen permanent, ob wir für unsere Weiterentwicklung passende Partnerschaften schließen oder Lösungen selbst entwickeln und ob wir daraus funktionierende Geschäftsmodelle ableiten können. Mit dem Vertrieb unserer digitalen Angebote wie der Stackit Cloud und der Cybersicherheitslösung XM Cyber haben wir bereits vielversprechende Geschäftsmodelle. Diese haben in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Grundsätzlich sorgen wir mit den verschiedenen Einheiten dafür, dass sich jede Sparte optimal auf ihr Kerngeschäft konzentrieren kann. Das ist der Grund, weshalb wir Schwarz Digits als IT- und Digitalsparte gegründet haben. Mit der neuen Sparte schaffen wir optimale Bedingungen, um auch in IT- und Digital-Themen stärker zu wachsen.
Wollen Sie mit den Tech-Riesen gleichziehen und zum IT-Dienstleister werden?
Müller: Wir schauen weniger auf unsere Marktbegleiter als auf die Bedarfe, die es gibt. Und darauf, wie wir einen Beitrag zu einer sicheren, unabhängigen Gesellschaft leisten können. Wir wollen Alternativen bieten zu Unternehmen, die in Ländern sitzen, die unsere freiheitlich demokratischen Werte nicht teilen. Wir bieten digitale Produkte und Services an, die den hohen deutschen Datenschutzstandards entsprechen.
Die neue Sparte leiten Sie beide gemeinsam – für die Unternehmen der Schwarz Gruppe eher ungewöhnlich. Wie kam es zu dieser Konstellation?
Rolf Schumann: In den großen und vor allem erfolgreichen Tech-Unternehmen sind Chief Information Officer und Chief Digital Officer immer eng abgestimmt. Das ist vergleichbar mit der Doppelspitze und den Rollen bei uns: Christian Müller ist der Chief Information Officer, ich der Chief Digital Officer.
Und welche Aufgaben übernehmen Sie ganz konkret?
Müller: Wir arbeiten an allen Themen gemeinsam, jeweils mit unterschiedlichem Schwerpunkt.
Ein Bereich, den Sie mit Schwarz Digits abdecken, ist das Thema Cybersicherheit. Mit XM Cyber wollen Sie das Unternehmen vor Angriffen schützen. Mittlerweile bieten Sie es auch externen Unternehmen an. Wie kam es dazu?
Schumann: Das ist einfach. Wir gehen immer nach folgendem Muster vor: Im ersten Schritt testen und nutzen wir Lösungen und Services intern. Erst, wenn diese unseren eigenen, sehr hohen Ansprüchen gerecht werden, bieten wir sie auch am externen Markt an.
Müller: Ja, hier muss man sagen, dass wir bereits vor der Partnerschaft mit Cybersicherheitsexperten eine starke Cyberabwehr hatten. XM Cyber hebt die Sicherheit aber auf ein neues Level.
Inwiefern?
Müller: Stellen Sie sich eine Burg vor, mit Burggraben, Zugbrücke und so weiter. Herkömmliche Cybersicherheitslösungen zielen darauf ab, die Mauern höher und die Gräben tiefer zu ziehen. Das hilft aber nicht, wenn der Angreifer bereits in der Burg ist. Wenn das der Fall ist, muss man die Wege zum König und der Königin abschneiden. Die Lösung von XM Cyber tut genau das: Sie zeigt die eigene digitale Infrastruktur aus den Augen des Angreifers, automatisiert, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Unterstützt durch KI priorisiert die Lösung Schwachstellen.
Schumann: Die durchschnittliche IT-Infrastruktur von Unternehmen und Organisationen hat 15.000 Sicherheitslücken. Gleichzeitig fehlen allein in Deutschland 400.000 IT-Sicherheitsexperten. XM Cyber hilft, dieses Ungleichgewicht aufzulösen. Denn nur zwei Prozent der Schwachstellen sind wirklich relevant, führen also zu sensiblen Daten. Diese priorisiert das Dashboard von XM Cyber und unterstützt dadurch die Cyberabwehr-Teams enorm. Weil wir diesen Bedarf auch bei anderen Unternehmen und Organisationen der öffentlichen Hand sehen, bieten wir die Lösung auch ihnen an.
Neben den Cloud- und Cybersicherheitsdiensten steht auch Künstliche Intelligenz im Fokus. Auf welche KI-Lösungen setzen sie?
Schumann: Wir beschäftigen bei Schwarz Digits seit vielen Jahren KI-Spezialisten, die KI nicht nur bei jedem Prozess mitdenken und verschiedene Einsatzmöglichkeiten ausloten, sondern sie auch in operative Systeme integrieren. KI trägt bereits heute dazu bei, dass beispielsweise durch Prognosen, Empfehlungen oder Optimierungen viele Geschäftsprozesse effizienter ablaufen: vom Supply-Chain-Management bis zur Warenwirtschaft und Logistik. Wir setzen KI nicht ein, um Arbeitsplätze abzubauen oder Menschen zu ersetzen – im Gegenteil: KI ist notwendig, um den Betrieb in Zukunft überhaupt noch wettbewerbsfähig aufrechtzuerhalten.
Wenn es um Transparenz geht, ist Aleph Alpha recht weit vorne. Mit dem Unternehmen sind Sie bereits eine Kooperation eingegangen. Was erhoffen Sie sich davon?
Schumann: Aleph Alpha ist das führende Unternehmen für transparente und souveräne generative KI Anwendungen. Deshalb passt es optimal zu unseren souveränen Cloud- und Cybersicherheitslösungen. Durch die Investition fördern wir KI-Technologie nach europäischen Datenschutzstandards. Unser Ziel ist es, sichere KI-Technologie zu entwickeln, um diese in sensiblen Bereichen wie der kritischen Infrastruktur einzusetzen. Mit der Kooperation möchten wir außerdem zur Beschleunigung der KI-Forschung und Entwicklung von generativer KI sowie Large Language Models für komplexe und kritische Anwendungen beitragen.
Und wie sehen Sie künftig die Zusammenarbeit mit dem Innovationspark, der aktuell in Heilbronn entsteht?
Müller: Durch die Zusammenarbeit mit dem Ipai schaffen wir ein optimales Umfeld, um neues Wissen zu generieren und neue Produkte und Anwendungen zu entwickeln. Dafür arbeiten wir mit unterschiedlichen Unternehmen und Forschungsinstituten zusammen. Gemeinsam mit Akteuren aus Wirtschaft, öffentlichem Sektor, Forschung und Entwicklung sowie Startups wird Künstliche Inteligenz am Innovationspark in Heilbronn konkret in die Anwendung gebracht. Wir selbst sehen die Nutzung von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen jetzt und auch weiterhin als höchst wichtig an. Die Partnerschaft zwischen dem Innovationspark und dem Heidelberger KI-Pionier Aleph Alpha ist eine weitere vielversprechende Entwicklung – davon profitieren alle Beteiligten, nicht nur der Standort Heilbronn, sondern ganz Europa.
Interview: Teresa Zwirner
Zu den Personen
Christian Müller und Rolf Schumann, verantworten als Doppelspitze die neue IT- und Digitalsparte „Schwarz Digits“ bei der Neckarsulmer Schwarz Gruppe. Zu der Ende September 2023 gegründeten Unternehmenssparte gehören künftig die Schwarz IT, Schwarz Digital, der Cloudanbierter STACKIT, die IT-Sicherheitsfirma XM Cyber, Kaufland e-commerce, Lidl e-commerce und mmmake. Insgesamt sind dort 7500 Mitarbeiter beschäftigt.