Junge Leute, die die Welt verändern

Die Bibliothek auf dem Bildungscampus Nord kooperiert mit verschiedenen Hochschulen bundesweit. Foto: Roland Halbe, Fotoatelier-M

… darauf hofft Reinhold Geilsdörfer, Geschäftsführer der Dieter Schwarz Stiftung. Die Institution investiert massiv in Bildungsprojekte. Eins ihrer Ziele: Heilbronn soll als internationaler Lehr- und Forschungsstandort weiter an Bekanntheit gewinnen.

Bildung ist eigentlich eine staatliche Aufgabe. Sind staatliche Institutionen zu träge oder zu unterfinanziert für eine schnelle Weiterentwicklung?

Geilsdörfer: Wir haben in Deutschland ein gutes Bildungssystem, das öffentlich finanziert ist. Der Staat trägt also die ganz große Last. Die Dieter Schwarz Stiftung möchte Benchmarks setzen und Aufgaben übernehmen, die über die staatlichen Leistungen hinausgehen. Wir wollen Impulsgeber sein. An der AIM zum Beispiel, der Akademie für Innovative Bildung und Management, die von meiner Kollegin Silke Lohmiller verantwortet wird, bieten wir innovative Formate, um Schulen zu unterstützen. Wir sind hier vor allem regional unterwegs, die Ideen könnten aber jederzeit landes- oder bundesweit umgesetzt werden.

Zur Hochschullandschaft: Mit dem TUM Campus hat Heilbronn den Status einer Universitätsstadt erhalten. Warum war dieser Schritt wichtig?

Geilsdörfer: Die TUM (Technische Universität München) war ein wichtiger Wegpunkt für die nächsten Jahre. Durch ihre Ansiedlung konnten wir sehr schnell Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer IAO oder das Ferdinand-Steinbeis-Institut für unseren Standort begeistern. Wir konnten uns mit Spitzenuniversitäten vernetzen und Stiftungsprofessuren schaffen. Und wir sind jetzt ein Standort, den inernationale Toptalente in ihre Entscheidungsmatrix aufnehmen.

Die Bildungsangebote locken mehr Studenten an. Was erhoffen Sie sich davon für die Dynamik und das Lebensgefühl in Heilbronn?

Geilsdörfer: Sehr viel. Ich glaube, das größte Pfund, mit dem wir dank der TUM punkten können, ist, dass wir eine  deutlich größere internationale Sichtbarkeit haben. Über 70 Prozent der Studierenden an der TUM kommen aus dem Ausland. Das allein verändert das Flair auf unserem Bildungscampus und wird mit steigenden Studierendenzahlen auch in Heilbronn sichtbar sein. Hohe Absolventenzahlen beeinflussen zudem alle Projekte, die wir darüber hinaus fördern, etwa unsere Campus Founders oder Startups. Ein Teil der Absolventinnen und Absolventen wird sich für das Unternehmertum begeistern und ein Startup gründen wollen. Aber die Weiterentwicklung wird daran hängen, dass deutlich mehr junge Menschen ihren Lebensmittelpunkt in Heilbronn haben. Wir hatten mit den bestehenden Hochschulen schon einen größeren Anteil an Studierenden, die nicht in Heilbronn gelebt haben, sondern abends nach Hause gefahren sind und dort in ihrem Umfeld aktiv waren, aber eben nicht Heilbronn beeinflusst haben. Das wird sich durch die Überregionalität stark ändern.

Sie haben Startups angesprochen. Werden die nicht irgendwann zu Konkurrenten für die bestehenden Unternehmen in der Region?

Geilsdörfer: Die meisten Unternehmen verstehen Startups als Inspiration. Sie beleben das Geschäft und bringen die Region weiter. Wenn wir ehrlich sind, werden die bevorstehenden Transformationsaufgaben nicht alleine aus den Unternehmen heraus bewältigt werden können. Wir brauchen Neugründungen und ganz dringend junge Leute, die einfach mit einer hohen Motivation an Themen herangehen, die die Welt verändern können. Genau das erreichen wir mit Startups. Wenn man zurückdenkt, waren alle Unternehmen, die momentan bei uns den Wohlstand sichern, vor 50 oder 100 Jahren Startups. Wenn wir es schaffen, mit neuen Unternehmen neue Strukturen zu bilden, die dann in Zukunft die Arbeitsplätze sichern, ist das genau das, was wir wollen.

Das Credo der Dieter Schwarz Stiftung lautet „Bildung fördern, Wissen teilen, Zukunft wagen“. Wie wagt man Zukunft?

Geilsdörfer: Ein Beispiel: Ich habe vor drei Jahren in den USA die Coding School 42 kennengelernt und war von dem System wirklich begeistert. Ich habe mir gedacht, wir bräuchten sowas auch in Deutschland, bei uns in Heilbronn. Aber diese Programmierschule vergibt keine akademischen Abschlüsse. Und wenn sie Deutschland sehen mit seiner Akademikergläubigkeit, habe ich mich damals schon gefragt, ob so etwas erfolgreich sein kann. Es sind jedoch diese Art von Projekten, die wir unterstützen. Wir halten sie für zukunftsweisend, können den Erfolg aber noch nicht absehen. Sie können gutgehen oder schieflaufen. Wir werden auch bei der TU München einen Forschungsetat haben, der Vorhaben unterstützt, die sehr mutig sind. Solche Themen wollen wir in Zukunft stärker bearbeiten.

Ein aktuelles Zukunftsprojekt, das von der Stiftung unterstützt wird, ist der Innovationspark Künstliche Intelligenz. Welche Erwartungen haben Sie hier?

Geilsdörfer: Wir haben große Erwartungen. Wir glauben, dass der Innovationspark für Künstliche Intelligenz die Region verändern wird. Unser Ziel ist, dass wir auch überregional oder international Unternehmen oder deren Entwicklungsabteilungen nach Heilbronn holen können und mit ihrer Hilfe unsere eigene Wirtschaft unterstützen können. Es ist das größte Vorhaben, das wir bisher begonnen haben, mit einer Fläche von 23 Hektar, die bebaut wird. Momentan bereiten wir einen städtebaulichen Wettbewerb vor. Das ist wirklich ein  ganz tolles Vorhaben.

Wird sich Heilbronn mit Blick auf KI und Startups zu einem neuen Silicon Valley entwickeln?

Geilsdörfer: Das ist ein großes Wort: Silicon Valley. Aber klar, wir wollen mit unseren Aktivitäten international sichtbar werden. Damit Toptalente hierher kommen und gemeinsam mit unserer Hilfe die Region weiterentwickeln und die Unternehmen befruchten. Natürlich werden wir ein Automobil- und Maschinenbaustandort bleiben – das hoffe ich zumindest. Aber die Geschäftsmodelle werden auch dort in Zukunft andere sein. Wir werden vielleicht kein Auto mehr kaufen, sondern Mobilität. Auch im Maschinenbau werden die Prozesse in vielen Bereichen komplexer und ganzheitlicher. Diese Transformation wollen wir unterstützen.

Der Großteil der Stiftungsaktivitäten konzentriert sich derzeit auf Heilbronn. Sind auch Bildungsprojekte in Heilbronn-Franken angedacht?

Geilsdörfer: Wir fördern schon jetzt nicht nur Heilbronn. Wenn man beispielsweise die AIM betrachtet, dann sitzt sie zwar in Heilbronn und hat eine Geschäftsstelle in Tauberbischofsheim, aber sie fördert Projekte im Umkreis von etwa 50 Kilometern. Die Experimenta in Heilbronn ist eine Einrichtung, die bundesweite Sichtbarkeit hat. Wir haben Stiftungsprofessuren bei der Hertie School in Berlin, an der Universität Mannheim, in München, Stanford, Oxford, Zürich und Jerusalem.

Für Dieter Schwarz, den Gründer der Stiftung, ist Bildung der wichtigste Rohstoff. Wie stark bringt er sich persönlich in die Projekte ein?

Geilsdörfer: Herr Schwarz hat die Stiftung gegründet. Er ist agil und immer noch ein sehr großes Vorbild. Natürlich interessiert er sich sehr für die Projekte bei uns. Die Entscheidungen bei uns als gemeinnützige Einrichtung, trifft jedoch immer ein Gremium. Bei uns gibt es ein Kuratorium, es gibt eine Gesellschafterversammlung. Dort stellen wir die Maßnahmen, die wir umsetzen wollen, vor und diskutieren sie. Diese Gremien sind sind nicht mit Mitgliedern aus der Unternehmensgruppe besetzt. Die Unternehmensgruppe ist strikt getrennt von der Stiftung. Die Gesellschafter der Stiftung sind Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, etwa die ehemalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka oder Peter Frankenberg, ehemaliger Wissenschaftsminister von Baden-Württemberg.

Interview: Dirk Täuber

 

Zur Person:

Prof. Reinhold R. Geilsdörfer ist seit 2016 Geschäftsführer der Dieter Schwarz Stiftung. Er verantwortet den gesamten Hochschulbereich, die Stiftungsprofessuren und die Projekte des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft.