Wohnraum: Kernstadt als Zugpferd

Der Neckarsulmer Oberbürgermeister Steffen Hertwig (links) und Reiner Denninger, Abteilungsleiter Stadtplanung, setzen sich beharrlich für die Innenstadtentwicklung ein. Foto: Stefanie Pfäffle

Was tun, wenn es eng wird? Neckarsulm platzt im sprichwörtlichen Sinn aus den Nähten. Deshalb hat die Stadt einige Projekte ins Leben gerufen, die zeigen, wie sich innerstädtische Brachflächen am besten für Wohnraum erschließen lassen.

Neckarsulm ist auf seiner im Verhältnis gesehen relativ kleinen Gemarkung sehr dicht besiedelt und liegt mit der Bevölkerungsdichte exorbitant über dem Durchschnitt des Landes Baden-Württemberg. „Auch schon vor der erhöhten Sensibilität in Bezug auf Flächenversieglung war es der Stadt wichtig, sparsam mit Flächen umzugehen“, betont Oberbürgermeister Steffen Hertwig. Die klare Strategie laute daher Innen- vor Außenentwicklung. Und so haben sich Verwaltung und Gemeinderat ganz bewusst gegen größere Neubaugebiete entschieden.

„Dass wir damit dem Wunsch der Häuslebauer nach einem Einfamilienhaus nicht nachkommen, ist uns klar, aber wir versuchen, den Wohnbedarf über die Innenentwicklung zu befriedigen, und das funktioniert sehr gut“, stellt der OB zufrieden fest. In den nächsten fünf, sechs Jahren entstehen auf diese Weise 600 Wohnungen, allein 237 wurden im vergangenen Jahr in der Gesamtstadt genehmigt und 2021 sind es durch einige Großprojekte auch schon 107 Wohneinheiten.

Ganz einfach ist das nicht, denn im Gegensatz zu einem Neubaugebiet lassen sich solche Projekte nicht auf dem Reißbrett planen. „Da ist eine gewisse Beharrlichkeit nötig, man muss mit den Grundstückseigentümern sprechen, entsprechende Partner und Investoren finden“, erläutert Hertwig. Aber da bleibe die Stadt immer dran, weswegen es im Vergleich zu anderen Kommunen eben nicht die typischen Brachflächen und ungepflegten Gebäude in der Innenstadt gebe. Ein wichtiges Schlüsselprojekt war die Binswanger Straße, erläutert Reiner Denninger, Abteilungsleiter Stadtplanung im Amt für Stadtentwicklung und Gebäudewirtschaft. „Wir haben dort über Jahre strategisch Grunderwerb getätigt, um eine zusammenhängende Fläche zu bekommen, die dann mit der Aufgabe des Eisen-Hecks nun auch entwickelt werden konnte.“

Mehr Wohnraum ist nötig

Das zeige aber auch, wie kompliziert das Thema Innenentwicklung manchmal sei. Die Bauarbeiten für das Kinderwunschzentrum Ecke Binswanger/Heilbronner Straße sind fast abgeschlossen. Dahinter entsteht demnächst durch die Firma Paulus Wohnbau aus Pleidelsheim das Wohnquartier Binswanger Straße mit vier Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 32 Wohnungen und einer gemeinsamen Tiefgarage. Acht der Wohneinheiten werden geförderte Wohnungen sein. „Durch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan konnten wir entsprechende Vorgaben machen, da wir nur auf diese Weise gute Steuerungsmöglichkeiten haben, was entsteht“, erklärt Denninger. Bezahlbarer Wohnraum ist natürlich auch in Neckarsulm ein großes Thema. „Neu entstehender Wohnraum ist erstmal gut, weil er die Situation an anderer Stelle entspannt“, formuliert es Hertwig. Gut wäre, wenn sich den dann auch ein Großteil der Bevölkerung leisten könnte, aber gerade in der Innenstadt sei das bei Privatinvestoren, wenn es denn schon einen gültigen Bebauungsplan gibt, nur schwer zu steuern. „Wobei wir grundsätzlich dafür bekannt sind, dass wir ermöglichen, nicht verhindern wollen.“

Allerdings gab es auch schon Interessenten, deren Wunsch an Volumen nicht mit dem übereinstimmte, was Gemeinderat und Verwaltung zulassen wollten. Denn neben der reinen Wohnraumbeschaffung spielen die Themen Stadtklima und Kühlung durch Grün inzwischen auch eine gewichtige Rolle, die immer im Konflikt damit steht, die vorhandene Infrastruktur möglichst gut auszulasten und ihr quasi neue Köpfe zukommen zu lassen. Ein weiteres Projekt sind die Sonnenarkaden der Firma Argon Portfolio 1 aus Stuttgart im Quartier Marktstraße-Schindlerstraße-Sonnengasse, die kurz vor der Baugenehmigung stehen.

Nicht alles ist gefördert

Hier wird es zwar keinen geförderten Wohnraum geben, aber dafür sind die Grundrisse der Wohnungen so kompakt gestaltet, dass der Quadratmeterpreis geringer gehalten werden kann. Hier wurde bereits fleißig abgerissen und das Baugenehmigungsverfahren für 69 Wohnungen und drei Gewerbeeinheiten, verteilt auf fünf Gebäude, läuft. Vorher standen hier zwei Wohnhäuser und es gab einen großen Parkplatz.

„Das kenne ich tatsächlich mit meinen viereinhalb Jahren als OB hier immer nur als Brachfläche“, stellt Hertwig fest. Stattdessen wird eben dieser Parkplatz jetzt auch überbaut und dafür bekommt das Ensemble eine zweigeschossige Tiefgarage. Der nächste große Wurf wird die Neubebauung des derzeit steinigen Grundstücks direkt neben dem Stadtpark, auf dem bisher das Seniorenzentrum St. Vinzenz stand, das in unmittelbarer Nachbarschaft neu gebaut wurde.

Die Siedlungswerk GmbH Wohnungs- und Städtebau aus Stuttgart will hier vier Mehrfamilienwohnhäuser mit 75 Eigentumswohnungen und Tiefgarage bauen. Dazu kommen diverse kleinere Projekte wie das ehemalige Modehaus Diemer direkt am Marktplatz, in dem neben den beiden Ladengeschäften im Erdgeschoss 22 Wohnungen entstehen. Dort läuft derzeit der Innenausbau. In Spuckweite davon werden im ehemaligen Gasthaus zum Löwen weitere 13 kleinere Wohnungen zwischen 25 und 80 Quadratmetern geschaffen. „Bei dem Thema Innenentwicklung gibt es in Neckarsulm wirklich eine ordentliche Dynamik“, stellt Denninger zufrieden fest.

Stefanie Pfäffle