Fast die Hälfte der Rechtsabteilungen globaler Konzerne nutzt heute bereits aktiv Generative KI. Das hat eine Untersuchung des General Counsel Report 2025 der Unternehmensberatung FTI Consulting und des globalen Spezialisten für Legal Technology Relativity ergeben. 44 Prozent von 200 der Chef-Juristen (General Counsel) gaben das in der Befragung an. Das ist ein deutlicher Anstieg zum Vorjahr – da waren es noch 28 Prozent. 2023 äußerte diesen Umstand nur jeder fünfte Befragte.

„Innerhalb von nur zwei Jahren hat sich die Nutzung von generativer KI wie ChatGPT oder Microsoft Copilot in Rechtsabteilungen weltweit mehr als verdoppelt“, sagt Renato Fazzone, Leiter des Technologie-Segments in Deutschland sowie Co-Leiter des Segments in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA) bei FTI Consulting. „Wir gehen davon aus, dass bis Ende 2026 nahezu alle Rechtsabteilungen relevanter Konzerne weltweit generative und weitere KI-Anwendungen aktiv in ihrer täglichen Arbeit einsetzen werden.“
Die sechste jährliche Auflage des General Counsel Reports basiert auf Einzelgesprächen zwischen Ari Kaplan Advisors und Chief Legal Officers in großen Unternehmen auf der ganzen Welt sowie einer quantitativen Umfrage unter mehr als 200 Rechtsberatern in einem Dutzend Ländern. „Zwar wurde in Einzelgesprächen bestätigt, dass die Nutzung von KI häufig noch experimentell und in der Pilotierung ist“, sagt Fazzone, „die quantitative Analyse zeigt jedoch auf, in welchen Bereichen mit KI schon mehr als nur erste Erfahrungen gesammelt werden konnten. Dies deckt sich auch mit unserer Einschätzung, wenn wir direkt mit Klienten sprechen.“
KI in Rechtsabteilungen: Sicherheiten und Unsicherheiten
Besonders sicher fühlen sich General Counsels und ihre Abteilungen bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Bereich der Überprüfung von Dokumenten (85 Prozent), der digitalen Sicherung und Aufbewahrung von Massendaten im Rahmen rechtlicher Untersuchungen, der so genannten E-Discovery (80 Prozent), sowie bei der Unterstützung in der Führung und des Managements der Rechtsabteilungen (Legal Operations: 79 Prozent). Die Bereiche mit der geringsten Vertrautheit sind die Frühphase einer juristischen Fallbewertung (Early Case Assessment: 42 Prozent), grundsätzliche interne Untersuchungen von möglichen Fehlverhalten, Regelverstößen oder Straftaten (Investigations: 53 Prozent) und des Monitorings von Compliance-Verstößen (57 Prozent).
„Die Anbieterlandschaft bei KI-Tools für Rechtsabteilungen ist bisher noch sehr zerklüftet und kleinteilig“, sagt Fazzone. „Während die juristischen Experten häufig gut bewerten können, inwieweit sich Tools aus rechtlicher Sicht einsetzen lassen, fehlt vielfach eine Expertise zur Bewertung der technologischen Komponente. Darum setzen sich stets vor allem digitale KI-Werkzeuge durch, die bereits eine höhere Nutzerbasis haben. Grundsätzlich gibt es aber mittlerweile für alle Teilbereiche einer Rechtsabteilung die passenden Tools, mit denen die Hausjuristen und ihre Unterstützer arbeiten können. Dazu bedarf es jedoch einer hohen Marktkenntnis.“
Chancen für die eigene Tätigkeit
Rechtsabteilungen sehen in Künstlicher Intelligenz durchaus Chancen für die eigene Tätigkeit. Sie müssen jedoch vor allem mit den rechtlichen Risiken jetziger und künftiger KI- und sonstiger moderner Digital-Anwendungen umgehen, die sich für das gesamte Unternehmen ergeben. Gar nicht oder minimal vorbereitet fühlen sich die befragten General Counsel dabei im rechtlichen Kontext von generativer KI sowie Blockchains. Das sagen jeweils 85 Prozent der Befragten. 65 Prozent fühlen sich wenig auf die zunehmende Anzahl an Datenquellen vorbereitet, 62 Prozent auf weitere Formen von KI und 54 Prozent auf Schatten-IT. Das ist der Einsatz von Software und Hardware durch Mitarbeiter, die nicht offiziell vom Arbeitgeber bereitgestellt oder genehmigt wurden.
Vollständiger Report
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„Die General Counsel mit denen ich täglich zu tun habe, die haben all diese Technologietrends grundsätzlich auf dem Radar“, sagt Fazzone. „Das aktuelle Unwohlsein ergibt sich daraus, dass neue Technologien sich viel schneller entwickeln, als die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden können. Rechtsabteilungen müssen bestehendes Recht oft neu interpretieren, bis klare Regeln geschaffen sind. Es ist daher entscheidend, dass Rechtsabteilungen neben den besten Juristen auch ausreichend Budget erhalten und eng mit Technologieexperten zusammenarbeiten, um diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen.“
red