Kleine Stadt, viel Publicity

Spätestens seit Alexander Gerst müsste Künzelsau auch außerhalb Heilbronn-Frankens ein Begriff sein. Doch die Kreisstadt kann sich nicht nur mit ihrem Ehrenbürger rühmen. Sie hat darüber hinaus attraktive Arbeitsplätze und hochkarätige Kulturevents zu bieten.

In den vergangenen Monaten war das beschauliche Städtchen Künzelsau im Herzen des Hohenlohekreises oft in der lokalen, aber durchaus auch in der überregionalen Presse. Es gab ja auch viel zu berichten – über die Zukunft des Hohenloher Krankenhauses, darüber, wie es mit dem Peka-Areal an der Stadtmauer weitergeht, über die kürzlich stattgefundene Bürgermeisterwahl, über die Proben und die Premiere der Laienschauspielgruppe „Theater im Fluss“ und – sicherlich am häufigsten lanciert – über die zweite Weltraummission „Horizons“ des Künzelsauer Astronauten Alexander Gerst im Juni. So viel Publicity für einen einzigen Ort. Damit muss man erst mal umgehen können. Und das können die Kreisstadt und ihre Bürger.

Anneliese Scholz ist gebürtige Künzelsauerin. Sie liebt ihre Heimatstadt, die sie nur für ihre schulische Ausbildung und ihr Studium verlassen hat, und lebt gerne dort. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, dauerhaft woanders zu sein. Mir gefällt das Kleinstädtische, man kennt sich. Und alles, was man braucht, bekommt man hier auch“, findet die 69-Jährige. Die Einwohner würde sie als freundlich, liebenswürdig und vorsichtig-beobachtend charakterisieren. Doch das Selbstbewusstsein der Leute habe vor dem Hintergrund der drohenden Krankenhausschließung deutlich zugenommen. „Sie wissen, wofür sie kämpfen“, ist Scholz überzeugt.

Vor etwa 900 Jahren wird die Kocherstadt erstmals urkundlich erwähnt. Ihre Geschichte ist untrennbar mit den sogenannten Ganerben verbunden, eine Erbengemeinschaft aus unterschiedlichen Familien, die Anteile an der Stadt Künzelsau besaßen, diesen Besitz jedoch gemeinschaftlich verwalteten. Heute noch gibt es das Ganerben-Gymnasium auf dem Nagelsberg als Hommage an die Besitzerfamilien, darunter das Haus Hohenlohe und die Freiherren von Stetten.

Eine besondere Stadt

Künzelsau galt immer als wohlhabende Stadt und auch im 21. Jahrhundert steht sie finanziell nicht schlecht da. Dazu tragen freilich die vielen Firmen bei, die in der Kreisstadt und ihren Ortsteilen sitzen: Ziehl-Abegg, Berner, Würth und Rosenberg sind da nur einige Beispiele. Künzelsau ist ein starker Wirtschaftsstandort mit einer hohen Weltmarktführerdichte. „Wir haben hier zahlreiche attraktive Arbeitsplätze, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleisten“, weiß Scholz, die zunächst lange Zeit als Lehrerin an der örtlichen Grund- und Hauptschule und ab 1989 bei der Stadtverwaltung Künzelsau im Bereich Sozialdienst gearbeitet hat.

Was in ihren Augen außerdem für den 15.000-Einwohner-Ort spricht, sind die kostenlosen Kindergärten, das Bildungsangebot, das jede Schulart bis hin zur Hochschule abdeckt, sowie die Möglichkeit, Eigentum in einer „absolut intakten Umwelt“ zu erwerben. „Auch kulturell ist hier immer etwas geboten“, ergänzt die zweifache Mutter. Und dank des seit 2017 bestehenden Carmen-Würth-Forums werde das Spektrum noch facettenreicher.

Absolut zu Recht kann man Künzelsau auch als eine besondere Stadt bezeichnen. Denn hier befindet sich beispielsweise das einzige Flussfreibad Baden-Württembergs, das Kocherfreibad. Auch die 1999 in Betrieb genommene Standseilbahn, die das Wohngebiet Taläcker mit dem Zentrum verbindet, ist eine wahre Sehenswürdigkeit. „Die Seilbahn ist etwas ganz Tolles“, meint auch Scholz. „Sie ist eine Attraktion, die Sinn ergibt, weil sie genutzt wird und die Straße entlastet.“

Trotz allen Lobes muss die studierte Pädagogin einräumen, dass ihr in Künzelsau auch etwas fehle. Zum einen sei das ein Restaurant mit einer gutbürgerlichen Küche wie einst das Comburgstüble. „Wir brauchen nicht noch die zehnte Döner- oder Kebab-Bude“, betont die Fast-Pensionärin, die noch mit vier Stunden in der Woche bei der Stadtverwaltung angestellt ist und ein Elternfrühstück auf den Taläckern, das sie ins Leben gerufen hat, betreut. „Das hat nichts mit Rassismus zu tun – so etwas fehlt einfach.“ Zum anderen hat Scholz bisher eine Art Touristinformation in der Stadt vermisst. Doch das werde sich bald ändern, schließlich sei bereits in naher Zukunft ein Infopoint im alten Rathaus geplant.

Hat sie denn einen persönlichen Lieblingsplatz in ihrem Heimatort? „Außer auf meinem Balkon?“, entgegnet die zweifache Oma, deren Enkel in Vietnam leben, lachend. „Mir gefällt es auf den Wertwiesen sehr gut – vor allem, seit es die Fontänen gibt.“

Olga Lechmann