Kontinuität bedeutet Wandel

Die nächste Generation ans Ruder lassen: Die Unternehmensnachfolge sollte frühzeitig organisiert werden. Foto: Adobe Stock/Volodymyr

Mittelständische Unternehmen zeichnen sich als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft vor allem durch Stabilität und Kontinuität aus. Im Kontext der Unternehmensnachfolge bedeutet das jedoch nicht Stillstand, sondern genau das Gegenteil.

Anpassung und Veränderung sind wesentliche Kriterien, die ein Unternehmen erfüllen muss, um zukunftsfähig zu bleiben und damit Kontinuität zu schaffen. Und mittelständische Unternehmen schaffen das insbesondere durch einen geglückten Generationswechsel – innerhalb der Familie oder auch außerhalb. Denn eine Nachfolgeregelung bedeutet nicht nur den Wechsel der Personen, sondern oft auch einen Wechsel in der Kultur, im Leistungsangebot und in der Unternehmensstrategie. Ein Nachfolger so wie der Vorgänger, nur 30 Jahre jünger, garantiert gerade nicht Kontinuität. Ein Beispiel ist die Digitalisierung: Wo fehlende Erfahrung in der Vorgängergeneration die Entwicklung bremste – im Zuge der Nachfolge wird das Thema angegangen, damit die nächste Generation das Unternehmen zukunftsfähig weiterführen kann.

Häufige Fallstricke

Typische Fehler bei der Unternehmensnachfolge verhindern oft bereits im Vorfeld den Erfolg. Ein Klassiker ist der Fokus auf finanzielle und steuerliche Aspekte. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Steuerberater und Wirtschaftsprüfer häufig die ersten Ansprechpersonen bei der Nachfolge sind. Im ersten Schritt sind aber ganz andere Fragen wichtig und diese betreffen typische Management-Themen. Möchte ich den Standort erhalten? Möchte ich Mitarbeiter halten? Hat die Nachfolge die notwendigen Kompetenzen für genau diesen Betrieb? Gibt es eine tragfähige Strategie, um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen? Bevor sich abgebende Unternehmer Gedanken um die steuerliche Optimierung einer Übertragung machen, sollten sie diese Fragen beantwortet haben.

Vielfach stehen auch emotionale Befindlichkeiten einer guten Lösung im Weg. Dabei sind Emotionen per se weder schlecht noch gut. Emotionen können einen großen Nutzen haben. Sie setzen Ressourcen frei, motivieren und machen auf schlummernde Probleme aufmerksam. Wir beobachten in der Beratung aber leider auch häufig Gefühle von Engstirnigkeit, Missgunst oder Neid – insbesondere unter Geschwistern in Unternehmerfamilien. Emotionen sind ein wichtiges Zeichen dafür, dass die involvierten Personen miteinander sprechen müssen. Die Lösung der meisten Probleme: Kommunikation. Gefühle müssen kommuniziert werden. Passiert das nicht, können Unternehmen und Unternehmerfamilien daran zugrunde gehen und sich entzweien. Ein weiterer Fallstrick besteht darin, die Zeit, die eine Übergabe benötigt, zu unterschätzen. Viele Unternehmer warten zu lange. Es ist nicht selten, dass sie erst mit 75 beginnen, ihre Nachfolge zu planen. Das schmälert die Möglichkeiten und Freiheitsgrade.

Nachfolge früh regeln

Früh anzufangen ist ein wichtiger Erfolgsfaktor – und zwar wirklich früh. Denn jeder Existenzgründer braucht einen Notfallplan – und zwar von Anfang an. Es kann immer etwas Unvorhersehbares geschehen, wodurch das Unternehmen ad hoc von jemand anderem weitergeführt werden muss. Für die „normale“ Nachfolge empfehle ich, mindestens drei bis fünf Jahre einzuplanen.

Ein typischer Fehler liegt schließlich darin, die Unternehmensnachfolge alleine bewältigen zu wollen. Dafür ist das Thema zu komplex und vielschichtig. Außerdem sind Unternehmer zwar Profi in ihrem Geschäft, erleben eine Nachfolge aber in der Regel nur einmal. In einem von der Bundesregierung geförderten Projekt haben wir auf der Plattform www.nachfolge-in-deutschland.de einige Tools entwickelt – zum Beispiel den „nachfolg-o-mat“, den Nachfolgefahrplan oder den KMU-Unternehmenswertrechner. Ziel ist es, mit diesen Instrumenten Wissen zu vermitteln und Barrieren abzubauen. Sie sollen dazu beitragen, dass mehr Unternehmen die Unternehmensnachfolge systematisch, umfassend und zeitnah angehen – damit der Mittelstand ein Garant für Kontinuität in der deutschen Wirtschaft bleibt.

Birgit Felden

Die Autorin: Prof. Birgit Felden beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit Familienunternehmen: dem eigenen, in der Beratung und in Beirats- und Aufsichtsratsmandaten sowie in Forschung und Lehre und als Buchautorin.