Vor 85 Jahren gegründet, 1973 reformiert: Im Jubiläumsjahr steht der Landkreis Heilbronn sehr gut da – und muss sich gleichwohl Herausforderungen stellen: Fachkräftemangel, Digitalisierung, Verkehr und Klimaschutz sind die zentralen Themen für Landrat Norbert Heuser.
Das wäre im Zeugnis eine glatte Eins: Der „Prognos Zukunftsatlas“ 2022 zählt den Landkreis Heilbronn zu den Top-Ten-Regionen Deutschlands mit den besten Zukunftschancen.
Angesichts von Platz zehn unter 400 Kreisen und kreisfreien Städten könnte sich Landrat Norbert Heuser entspannt zurücklehnen. Tatsächlich steht sein Kreis, der vor 85 Jahren gegründet und 1973 durch die Kreisreform neu zugeschnitten wurde, wirtschaftlich hervorragend da: Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist laut „Deutschlandatlas“ mit 109.000 Euro (2020) überdurchschnittlich hoch, die Schuldenlast der Kommunen und die Arbeitslosigkeit sind gering, außerdem sind viele starke Firmen angesiedelt wie Audi, die Schwarz-Gruppe, Schunk, Dieffenbacher, Bechtle, Layher und viele mehr.
Heuser, der 2021 zum Landrat gewählt wurde, weiß die sehr guten Rahmenbedingungen zu schätzen, sieht aber auch die Herausforderungen. Dazu zählt er nicht nur den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und den Fachkräftemangel, der Unternehmen ebenso wie der Verwaltung zu schaffen macht. Das wichtigste Zukunftsprojekt für den Landkreis sei das Thema Energie und Klimaschutz: „Der Klimawandel und eine nachhaltige Zukunft sind die zentralen Herausforderungen für die kommenden Jahre“, sagt Heuser. „Daher hat der Kreistag die Gründung einer Energieagentur beschlossen, die die 46 Landkreiskommunen beim Klimaschutz und der kommunalen Wärmeplanung unterstützt.“
Heuser geht davon aus, die Energieagentur Anfang 2024 an den Start zu bekommen. Ein Ziel für ihn ist auch die Nutzung von klimafreundlichem grünen Wasserstoff, der den CO₂-Ausstoß senken soll. Dafür setzt sich der Landrat als Sprecher für den Bereich Wasserstoff für die Metropolregion Stuttgart und die Region Heilbronn-Franken ein. Die Region mit ihrem starken industriellen Besatz ist auf eine zuverlässige und bezahlbare Energieinfrastruktur angewiesen.
Schienennetz im Fokus
Norbert Heuser, der 19 Jahre lang Bürgermeister von Neuenstadt am Kocher war, betont außerdem die Bedeutung des Verkehrssektors fürs Klima: „Wir müssen uns im Landkreis und in der Region intensiv einer bedarfsgerechten und klimafreundlichen Mobilität widmen.“ Auf der Agenda stehe die Frankenbahn, die von Würzburg über Heilbronn nach Stuttgart führt. Hier geht es nicht nur um die Sanierung der Strecke, sondern auch um die Reaktivierung und Ertüchtigung von Haltepunkten und Bahnhöfen.
Ebenso vorantreiben will Heuser die Reaktivierung der Schozach-Bottwartalbahn, der Krebsbachtal- und Zabergäubahn, den Ausbau von Busverbindungen sowie die Unterstützung der Kommunen beim E-Car Sharing im ländlichen Raum. Denn auch das kennzeichnet den Landkreis mit seinen mehr als 350.000 Einwohnern: Zwischen Eppingen und Jagsthausen, Wüstenrot und Zaberfeld liegt nicht nur einer der stärksten Wirtschaftsräume in Baden-Württemberg mit Konzernen, Weltmarktführern und starken Mittelstandsfirmen. Der Landkreis ist auch ländlich, hat viel Natur und idyllische Landschaften, Sehenswürdigkeiten und Fachwerkstädte zu bieten.
Stärke durch Geschlossenheit
Diese Kombination – Wirtschaftskraft, Freizeitwert und hohe Lebensqualität – ist ein Pfund, mit dem Norbert Heuser gern wuchert: „Der Landkreis Heilbronn ist Baden-Württemberg im Kleinen“, bringt er es auf den Punkt.
Die Geschichte beginnt 1938, als der Landkreis Heilbronn geschaffen wurde – ohne die Stadt Heilbronn, die Stadtkreis wurde. Der Verwaltungssitz des Landkreises blieb jedoch in Heilbronn und ist bis heute dort verankert. Im Zuge der Kreisreform 1973 kamen sieben Gemeinden hinzu. Die größte Stadt ist Neckarsulm mit rund 27.000 Einwohnern. Zur 130.000-Einwohner-Großstadt pflegt der Landkreis traditionell enge Beziehungen. „Wenn in der Stadt Heilbronn innovative Zukunftsinvestitionen anstehen, dann ist ein ent-
sprechendes Umfeld wichtig“, betont Heuser. Als Beispiel nennt er den geplanten KI-Park in Heilbronn: „Man versteht auf Anhieb, dass man sich bei einem Projekt dieser Größenordnung gegenseitig bereichert.“
Dieser Gedanke müsse auch Grundlage für die Zusammenarbeit mit den drei anderen Kreisen der Region sein: „Den großen Herausforderungen muss man sich gemeinsam stellen, um Lösungen zu finden“, sagt Heuser. „Mein Motto lautet: Stärke entsteht durch Geschlossenheit.“ Dies beziehe sich auch ausdrücklich auf das Wir-Gefühl im Kreis und die gute Zusammenarbeit mit den Kommunen.
Mit einem Thema müssen sich alle befassen: dem Fachkräftemangel. Was Unternehmen immer stärker betrifft, macht auch Ämtern und Behörden zu schaffen. „Wenn Stellen nicht besetzt werden können, dann hat das negative Auswirkungen auf die Produktivität und damit auf unseren wirtschaftlichen Wohlstand“, sagt Heuser. „Wenn man bedenkt, dass die geburtenstarken Jahrgänge erst noch in Rente gehen, erleben wir derzeit nur einen Vorgeschmack auf das, was noch kommt.“ Der Landkreis könne die Probleme nicht lösen, den Unternehmen aber helfen, indem behördliche Abläufe beschleunigt würden, beispielsweise bei der Eingliederung zugewanderter Arbeitskräfte.
Seine eigene Behörde sei vom Fachkräftemangel ebenso betroffen, sagt Heuser – darunter zu leiden hätten die Bürgerinnen und Bürger, die längere Bearbeitungszeiten hinnehmen müssten. Der Landrat setzt daher verstärkt auf Nachwuchsgewinnung sowie gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Digitalisierung ist für Heuser ein weiterer wichtiger Punkt: Verwaltungsvorgänge sollen die Bürger künftig vermehrt von zu Hause erledigen können. „Ich hoffe darauf, dass KI uns helfen wird, Dinge zu beschleunigen und Menschen zu entlasten.“
Eckart Baier