Langjährige Herkulesaufgabe

Über den Atomausstieg wird schon lange diskutiert. Doch Worten müssen auch Taten folgen, damit sich etwas ändert. In Neckarwestheim im Landkreis Heilbronn, wo auch ein Kernkraftwerk steht, werden bereits seit 2017 Nägel mit Köpfen gemacht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Reaktorkatastrophe von Fukushima als „Einschnitt für die Welt“ bezeichnet. 2011 war das. Die Risiken der Kernenergie seien, das habe Fukushima gezeigt, nicht beherrschbar. „Wer das erkennt, muss eine neue Bewertung vornehmen“. Daraufhin habe sie eben diese neue Bewertung vorgenommen. Auf der Basis der Erkenntnisse der Reaktorsicherheitskommission für die Sicherheitsüberprüfung der deutschen Atomkraftwerke und der Ethikkommission zur Energieversorgung ist der Zeitplan für den Atomausstieg beschlossen worden.

Die sieben älteren Kraftwerke, die während des dreimonatigen Atommoratoriums abgestellt wurden, sind gar nicht mehr in Betrieb gegangen. Für die Abschaltung der übrigen Atomkraftwerke ist ein Stufenplan vorgesehen. Die letzten sollen bis 2022 vom Netz genommen werden. Dabei sollen die Reststrommengen der abgeschalteten Anlagen auf die übrigen übertragbar bleiben. 2022 ist auch die Grenze für das Kernkraftwerk Neckarwestheim. Dieses liegt zehn Kilometer südlich von Heilbronn auf dem Gelände eines ehemaligen Steinbruchs direkt am Neckar. Die EnKK produziert dort Strom mit einem Druckwasserreaktor (Block II), der 1989 ans Netz ging und eine elektrische Leistung von 1400 Megawatt hat.

2016 hat die EnBW die Genehmigung zur Stilllegung für Neckarwestheim letztlich beantragt. Genehmigungsbehörde ist das baden-württembergische Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. Dieser frühe Zeitpunkt der Beantragung führte dazu, dass der sukzessive Abbau der Anlagen möglichst schnell beginnen konnte, da sich diese Genehmigungsverfahren in der Vergangenheit durchaus über mehrere Jahre hinzogen. „Der heutige Tag ist ein weiterer Meilenstein bei der Umsetzung unserer Rückbaustrategie“, erklärte EnKK-Chef Jörg Michels vor zwei Jahren. „Fünf Jahre nach der Energiewende im Jahr 2011 sind nun alle fünf Kernkraftwerke der EnBW formal in den Rückbauprozess eingebunden. Damit unterstreichen wir, dass wir es mit der konsequenten Umsetzung der Energiewende ernst meinen und Klarheit für alle Beteiligten schaffen.“

Der stillgelegte Block I des Atomkraftwerks Neckarwestheim darf nun schrittweise abgebaut werden. Das Umweltministerium erteilte der EnBW ein knappes Jahr später dafür die entsprechende Genehmigung. GKN I sei der erste Reaktor im Südwesten, der im Zuge des 2011 beschlossenen Atomausstiegs zurückgebaut werden könne. Die Arbeiten starteten im März 2017. Der Abbau der Anlage wird insgesamt zwischen zehn und 15 Jahre dauern.

Abbau der Anlagenteile

Bis 2020 sollen rund 35 Prozent der Stromerzeugnisse über Wind-, Solar- oder Wasserenergie laufen. Ein Ausstieg, so Merkel, sei ohne Umstieg nicht möglich. Aber wie funktioniert solch ein Abbau eigentlich? Laut EnBW werden die Anlagenteilen von innen nach außen entfernt. Das bedeutet, dass der überwiegende Anteil der Abbautätigkeiten innerhalb von Gebäuden stattfinden wird. Die Anlagenteile werden vor Ort demontiert, gegebenenfalls weiter zerlegt, im Regelfall in Container verpackt und aus den Gebäuden herausgebracht. Eine wesentliche Zielsetzung all dieser Vorkehrungen ist der wirksame Schutz von Mitarbeitern, Bevölkerung und Umwelt vor radioaktiven Emissionen. Für den Abbau von Anlagenteilen sowie für die weitere Bearbeitung stehen eine Vielzahl industrieerprobter und bewährter Verfahren sowie Einrichtungen zur Verfügung.

Hauptkühlmittelleitungen sind bereits abgetrennt, Fachleute demontieren Einrichtungen des Reaktordruckbehälters unter Wasser. Damit ist die EnBW auch 2018 beschäftigt. Ein Jahr darauf stehen die Zerlegung des Reaktordruckbehälters und der mächtigen Dampferzeuger auf dem Programm. Eine Herkulesaufgabe, die wohl noch 15 bis 20 Jahre andauern wird – davon geht jedenfalls der Betreiber aus.

Timo Lämmerhirt