Lesung mit Geschmack

Bei einer literarischen Weinprobe am 4. Mai in Niedernhall wurden alle Sinne angesprochen. Rund 35 Gäste genossen abwechslungsreiche Beiträge aus dem Buch „Die Mitte – Eine Region zeigt Gesicht“ und dazu fünf Hohenloher Weine.

Wie passen Mitglieder der Mundartband Annâweech, die amtierenden Hohenloher Weinhoheiten sowie ein Lesebuch, das das Thema Mitte in den Vordergrund rückt, zusammen? Sehr gut – davon haben sich rund 35 Teilnehmer am 4. Mai bei einer kulinarischen Lesung mit Weinprobe im Niedernhaller Rössle selbst ein Bild gemacht. Die pVS – pro Verlag und Service GmbH und Co. KG hatte dazu eingeladen. Nach einer kurzen Hinführung zum Buch „Die Mitte – Eine Region zeigt Gesicht“, in dem sich 56 Autoren mit der Frage beschäftigen, was für sie Mitte ist, begann die Weinreise. Weinkönigin Isabell Hütter und Weinprinzessin Verena Heyer hatten sich dabei für einen – für Weinproben – eher ungewöhnlichen Ablauf mit besonderen Hohenloher Weinen entschieden: „Wundern Sie sich bitte nicht, dass wir heute mit den Rotweinen beginnen und uns über Rosé hin zum Weißwein vorarbeiten“, sagte Verena lachend. „Wir sind überzeugt, dass es bei unserer Weinauswahl die richtige Entscheidung ist und hoffen, dass Sie uns nachher recht geben werden.“ Die Weinhoheiten hatten nicht zu viel versprochen – das bestätigten rund drei Stunden später auch die Gäste, nachdem sie die Hohenloher Weine (Schwarzriesling des Weinguts Keck, Eichensinn des Rebenhofs Fröscher, Spätburgunder Rosé von der Weinkellerei Hohenlohe, Silvaner des Weinguts Gaufer und Muskateller aus dem Hause Jäger) selbst gekostet hatten.

Doch an diesem Abend sollte es nicht ausschließlich um den edlen Rebentropfen gehen. Auch die Literatur sollte nicht zu kurz kommen. Peter Botsch und Harry Weber, beide Mitglieder der Gruppe Annâweech und Autoren des Buchs „Die Mitte“, unterhielten die Gäste mit ihren humorvollen und doch persönlichen Texten. Wo Annâweech ist, da darf Musik nicht fehlen. Und so gaben der Gitarrist und der Bassist ein Lied nach dem anderen zum Besten – ein kleines Privatkonzert, wenn man so will. Mit jedem Lied wurde die Stimmung ausgelassener, die Gäste klatschten und sangen mit. Auch eine „Welturaufführung“ gab es an diesem Abend: Peter Botsch und Harry Weber präsentierten ihr neuestes Lied der Gruppe „Männer“, das selbst Bandkollege Volker Gässler, der zu den Besuchern gehörte, noch nicht kannte. „Wir haben extra dafür geübt“, verriet Weber.

Emotional wurde es mit der Lesung des Beitrags der Mitte-Buch-Autorin Carmen Brucker. Sie schilderte eindrucksvoll, wie sie zu der Frau wurde, die sie heute ist. „Ich habe herausgefunden, dass auch in mir ein Familienmensch steckt.“ Die Mutter eines zweijährigen Sohnes war viele Jahre stark auf Karriere und Erfolg fokussiert, war bestrebt, zu den Besten zu gehören und berufliche Erfolge zu feiern – und das tat sie auch. Auch heute ist ihr die Karriere wichtig – sie hat aber erkannt, dass es im Leben noch andere Dinge gibt, die sie erfüllen und glücklich machen. Brucker spricht dann von einer schlimmschönen Zeit, wenn sie diesen Werdegang beschreibt. Denn in der Zeit ihrer Schwangerschaft und Elternzeit erkrankte ihr Vater an Krebs – und verlor schließlich den Kampf dagegen. „Mein Vater war immer mitten unter uns“, erinnert sie sich. Lange Zeit, so sagt sie, habe sie selbst keine Mitte gehabt, habe nicht gewusst, wer sie sei und was sie möchte. „Ich war – ohne es zu wissen – dauernd auf der Flucht. Nach diesem speziellen Jahr kann ich zwar immer noch nicht beschreiben, was ‚Mitte‘ bedeutet, aber ich fühle es.“

Lydia-Kathrin Hilpert