„Man muss sich auch mal zurücknehmen können“

Zigarren rauchender Befehlsgeber damals, Marathon laufender Teamplayer heute – so hat sich das Bild von Führungskräften im Laufe der Zeit gewandelt. Das PROMAGAZIN hat sich mit Professor Markus Vodosek von der GGS darüber unterhalten, wie und ob sich der Führungsstil verändert hat.

Herr Vodosek, wie sah der typische Geschäftsführer vor 50 Jahren aus?

Vodosek: Der war sicher fast immer männlich und hat vermutlich geraucht. Es gab eher formale Hierarchien und die Geschlechterrollen waren sicher noch klarer definiert. Man muss das aber differenziert sehen, es gibt kein damals war es so und heute so. Die Welt und die Werte haben sich verändert. Aber es gab auch schon in der Vergangenheit Leute, die eher kooperativ führten. An sich hat sich eher das Verständnis von Führung stark verändert.

Inwiefern hat es sich gewandelt?

Vodosek: Vor zwanzig Jahren ging man noch von einem statischen Gefüge aus. Eine Führungsperson hatte bestimmte Eigenschaften, Persönlichkeitsmerkmale wie Charisma, Extrovertiertheit oder Intelligenz, die ihn zu dieser Position befähigen. Heute denken wir eher in Beziehungen, sprechen von einem dynamischen Prozess zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitern.

Was bedeutet das in der Praxis?

Vodosek: Führung ist nicht das Gleiche wie eine Führungsposition im Unternehmen. Die Hierarchie ist zwar wichtig, um etwa Arbeitsprozesse oder Compliance festzulegen, aber jeder kann zu einem Leader werden und jeder kann und muss ein Follower sein. In der Führung geht es vor allem darum, andere für ein bestimmtes Ziel zu motivieren, das für das Unternehmen wichtig ist und da gehört auch eine Vision dazu. Diese Position kann aber auch jemand einnehmen, der in der formalen Hierarchie nicht unbedingt eine Führungsposition bekleidet. Beispielsweise ein ganz normaler Mitarbeiter, der eine Idee hat und es schafft, sein Umfeld und die Führungsetage dafür zu begeistern. Führung geht nicht nur von oben nach unten, sondern auch umgekehrt und seitwärts.

Warum hat sich das mit der Zeit verändert?

Vodosek: Das hat vermutlich viel mit der Erziehung und dem Schulsystem zu tun. Die Leute sind nicht mehr bereit, einfach nur Dinge zu tun, ohne sie zu hinterfragen. Sie sind sich ihrer Individualität bewusst und wollen sich selbst verwirklichen. Das reine Ausführen von Befehlen macht den meisten auf Dauer keinen Spaß und wenn sie das erleben, werden sie wohl das Unternehmen wechseln. Die meisten Leute wollen gehört werden und wünschen sich, dass mit dem Gehörten auch etwas angefangen wird, denn sonst sagen sie bald nichts mehr. Erfolgreiche Unternehmer wissen das.

Hat sich da auch etwas an den Werten geändert?

Vodosek: Sicherlich, allein schon generationsbedingt. Wer heute führt und führen möchte, der muss andere mit einbinden können. Das sieht man auch bei den vielen Mittelständlern in unserer Region, die inzwischen oft im Team geführt werden. Man berät sich, trifft gemeinsame Entscheidungen, auch wenn der Eigentümer sicher das letzte Wort hat. Es geht darum, Führung bewusst anzunehmen, aber auch, sich zurück nehmen und in bestimmten Bereichen führen lassen zu können. Das ist eine wichtige Kompetenz, die Nachwuchskräfte lernen müssen. Da steht man auch mal nicht im Vordergrund und ist wieder an der Reihe, wenn es um etwas geht, in dem man selber gut ist.

Was müssen Führungskräfte heute noch mitbringen?

Vodosek: Sie müssen breiter aufgestellt sein, vor allem in puncto interkulturelles Wissen, um zu erkennen, wie Führung in anderen Ländern funktioniert. Besonders die Geschwindigkeit, in der sich etwas verändert, hat zugenommen. Die Zahl der Mitbewerber hat sich erhöht und deswegen muss man schneller auf Entwicklungen eingehen, diese früher vorhersehen und dabei müssen die Mitarbeiter einen unterstützen.

Interview: Stefanie Pfäffle