Ob Landratsamtneubau, Reaktivierung der Kochertalbahn oder Folgen der Coronakrise – der frisch wiedergewählte Landrat des Hohenlohekreises hat viele Themen zu beackern. Im Interview erklärt Matthias Neth seine Agenda für die nächsten Jahre.
Herr Neth, Sie sind als Landrat des Hohenlohekreises wiedergewählt worden. Nun haben Sie also weitere acht Jahre Zeit, den kleinsten aller Landkreise in Heilbronn-Franken zu vertreten. Was wollen Sie ganz konkret anpacken, das bisher noch nicht geklappt hat?
Matthias Neth: Ich habe mein Programm für die kommenden Jahre mit den drei Schlagworten Zukunftsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Zusammenhalt überschrieben. Es wird darum gehen, den Kreis weiterhin zukunftsfähig zu gestalten. Dabei sind Bildung, Digitalisierung und Demografie die Schlüsselbereiche. Beim Thema Nachhaltigkeit reden wir natürlich über den Klimawandel und wie wir ihm begegnen können, die verschiedenen und veränderten Formen der Mobilität für die Kreisbürger, aber auch über Flächenkonflikte, also die Problematik, Wohn-, Verkehrs- und landwirtschaftliche Flächen miteinander zu vereinbaren. Und beim Zusammenhalt geht es mir um eine Kreisidentität, zum Beispiel durch eine Neuausrichtung im Bereich Tourismus, eine leistungsfähige Verwaltung und nicht zuletzt das Bestreben, hier im Hohenlohekreis einen Gegenentwurf zu gesellschafts- politischen Verwerfungen zu schaffen, die zuletzt immer stärker geworden sind.
Ein Thema, das Sie doch sicherlich auch beschäftigen wird, ist der schon seit Jahren beschlossene Neubau des Landratsamtes in Künzelsau. Warum braucht es diesen? Und was bringt dieses Projekt für die Bürger?
Neth: Die Menschen hier haben einen starken Bezug zu ihrer Heimat und damit auch zu ihrem Landkreis. Eine moderne und leistungsfähige Verwaltung nutzt dem Bürger natürlich, da dessen Anliegen dann schnell und effizient bearbeitet werden. Insofern soll ein neu gebautes Landratsamt auch einen erlebbaren Mittelpunkt für die Landkreiseinwohner schaffen.
Ein Dauerbrennerthema in Ihrem Kreis ist die Reaktivierung der Kochertalbahn. Wie stehen aus Ihrer Sicht die Chancen, dass in naher Zukunft wieder eine Bahn von Künzelsau über Kupferzell bis nach Waldenburg fährt?
Neth: Das Landesverkehrsministerium hat Ende vergangenen Jahres der Kochertalbahn in einer landesweiten Analyse ein erfreuliches Fahrgastpotenzial bescheinigt. Damit ist der erste Schritt zu einer möglichen Reaktivierung getan, dem aber nun noch weitere folgen müssen. Zunächst geht es darum, mit einer aktualisierten Machbarkeitsstudie die Wirtschaftlichkeit des Projektes nachzuweisen. Wir arbeiten gerade daran, diese Studie in Auftrag zu geben.
Was wären die Vorteile für Bevölkerung, Wirtschaft und Umwelt, wenn die Kochertalbahn wieder in Betrieb geht? Gibt es auch kritische Stimmen?
Neth: Eine Reaktivierung der Kochertalbahn birgt natürlich neue Möglichkeiten: Ein Vorteil wäre unter anderem die bessere Anbindung des Gewerbeparks Hohenlohe. Andererseits muss man aber auch berücksichtigen, dass wir auf dieser Strecke über ein gut funktionierendes Bussystem verfügen, insbesondere auf der Strecke von Kupferzell nach Schwäbisch Hall. Daher müssen wir genau untersuchen, welche Auswirkungen Schienenwege auf dieses System hätten. Ein möglicher Ausbau darf nicht zulasten des bestehenden Systems gehen, sondern muss einen Mehrwert für alle Bürger im Kreis darstellen.
Wenn wir gerade bei der Wirtschaft sind: Wie sehr hat denn die Corona- krise dem Hohenlohekreis in ökonomischer Hinsicht geschadet?
Neth: Aus Gesprächen weiß ich, dass die Firmen im Kreis unterschiedlich betroffen sind. Viele Unternehmer spiegeln mir, dass sie massiv unter der Coronapandemie leiden. Das gilt vor allem für den Einzelhandel, die Gastronomie oder den Dienstleistungsbereich. Ich habe aber auch den Eindruck, dass viele Hohenloher Unternehmen sich so aufgestellt haben, dass sie auch in und nach dieser Krise stark sind, und so hoffe ich, dass wir insgesamt gestärkt aus dieser Krise herauskommen. Gleichwohl sehe ich natürlich, dass es für manche Branchen unglaublich schwierig ist und auch noch werden wird.
Welche speziellen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Pandemie sehen Sie in den kommenden Monaten oder auch noch im nächsten Jahr auf Ihren Landkreis zukommen?
Neth: Unser Hauptaugenmerk muss den jungen Menschen gelten. Ich sehe, dass in dem Bereich, der die Interessen und Belange der Kinder und Jugendlichen betrifft, große Herausforderungen auf uns zukommen. Viele Kinder haben jetzt seit mehr als einem Jahr kaum Sport, Vereinsleben, Schul- oder Kita-Besuch erlebt. Dies ist eine enorme Belastung für diese Altersgruppen, der wir gesamtgesellschaftlich begegnen müssen. Insgesamt fungiert die Coronakrise bei vielen gesellschaftspolitischen Veränderungen als Katalysator. Insbesondere betrachte ich die Verwerfungen in Teilen der Gesellschaft und die damit einhergehende Gefährdung der Demokratie mit größter Sorge.
Trotz aller Maßnahmen gibt es im Hohenlohekreis anders als in anderen Kreisen extreme Schwankungen in der Inzidenz. Wieso hat man das nicht im Griff?
Neth: Die Coronapandemie ist eine große Herausforderung für das ganze Land, gerade durch das Auftreten der verschiedenen Virusmutanten hat sich die ohnehin kritische Situation nochmals verschärft. Derzeit trifft ein hochansteckendes Virus auf eine Bevölkerung, die nach einem Jahr verständlicherweise auch etwas pandemiemüde ist. Das merke ich persönlich auch. Wir können die durch Corona hervorgerufene Krise nur überwinden, wenn wir die Bevölkerung so schnell wie möglich impfen. Bis das geschafft ist, müssen wir allerdings weiter durchhalten und die Hygiene- und Abstandsregeln ernst nehmen. Denn die wirken – so banal das klingen mag – auch gegen Mutanten.
Was glauben Sie, wann man im Hohenlohekreis wieder ein normales Leben führen kann? Wird der Landkreis ab Sommer wieder einen Tourismusboom erleben können?
Neth: Wir alle hoffen natürlich, dass wir schnellstmöglich wieder zu einer gewissen Normalität zurückkehren können. Im vergangenen Sommer haben wir trotz oder gerade auch durch Corona erneut festgestellt, welche großen Chancen der Tourismus vor Ort hat. Ich glaube, das Hohenloher Land hat viele wunderbare Flecken und bietet einen hohen Erholungswert. In wie weit in diesem Sommer ein unbeschwerter Urlaub möglich ist, hängt aber von der Impfquote und der Akzeptanz der Maßnahmen in den kommenden Wochen ab.
Interview: Olga Lechmann
Zur Person: Matthias Neth ist seit dem Jahr 2013 Landrat des Hohenlohekreises. Er hat Rechtswissenschaften studiert und absolvierte sein Referendariat am Oberlandesgericht Stuttgart. Der 41-Jährige ist am 26. April 2021 mit 100 Prozent aller gültigen Stimmen als Landrat wiedergewählt worden. Neth ist verheiratet und hat eine zweijährige Tochter.