Nächtliche Gesprächspartner

Durch die Stadt ziehen, wenn andere ins Bett gehen – das ist normal für die Öhringer Nachtwanderer. Als nächtliche Gesprächspartner bieten sie Jugendlichen ein offenes Ohr und stehen ihnen Rede und Antwort.

Wenn gegen 21 Uhr freitags und samstags in Öhringen das Nachtleben beginnt, zieht es die Meisten in Kneipen in der Innenstadt. Viele Jugendliche treffen sich aber auch auf öffentlichen Plätzen, vor dem Gang in die Bar oder gleich, um bis spät in die Nacht dort zu bleiben. Erwachsene oder Familien sind um diese Zeit kaum anzutreffen – mit Ausnahme einer kleinen Gruppe, den Nachtwanderern. Sie haben zu später Stunde quasi „Dienstbeginn“. „Wir kümmern uns um Jugendliche in Öhringen nachts am Wochenende“, fasst Günter Reustlen, Triebfeder der Aktion, zusammen. Kümmern bedeutet für ihn und seine Kollegen, dass sie den jungen Menschen mit Informationen und Rat zur Seite stehen.

Um das Konzept besser zu verstehen, hilft ein Blick in die Anfangszeit der Nachtwanderer. „Wir hatten in Öhringen immer mal wieder mit Vorfällen von Alkoholmissbrauch oder Vandalismus zu kämpfen“, erklärt Hans-Jürgen Saknus, hauptamtlicher Jugendreferent der Großen Kreisstadt. Er war auf der Suche nach einer Lösung, wie man für Jugendliche im öffentlichen Raum tätig sein könne und stieß auf das Projekt der Nachtwanderer, das seinen Ursprung in Skandinavien hat. Zusammen mit Reustlen baute er 2009 eine Ortsgruppe auf.

Heute zählt diese rund 24 Mitglieder, die nachts in ihren roten Jacken etwa auf Schulhöfen oder im Hofgarten unterwegs sind. Die Nachtwanderer fungieren allerdings nicht als eine Art Hilfspolizei. „Wir sind keine Aufpasser, wir sind eher Gesprächspartner und sprechen Themen, die die jungen Menschen bewegen, direkt an“, berichtet Ute Dinger, Gründungsmitglied der Aktion. Sollte es zu Aggression, Gewalt oder starkem Alkoholmissbrauch kommen, wird die Polizei eingeschaltet, was aber selten passiert. „Am Anfang war der Konsum von Alkohol schlimm. Doch die letzten vier bis fünf Jahre hat das stark abgenommen“, sagt Dinger.

Und wie reagieren die Jugendlichen auf die Nachtwanderer? „Die Resonanz ist unterschiedlich. Anfangs waren viele reserviert. Mittlerweile kennt man uns aber in Öhringen“, schildert Reustlen. Und so kommen richtige Unterhaltungen zustande, viele erzählen sogar Privates. Das bleibt natürlich unter den Gesprächspartnern: „Es beginnt und endet mit der Wanderung.“

Alexander Liedtke