„Niemand ist nur eine Nummer“

Als Dezernentin für Jugend, Soziales und Gesundheit ist Elisabeth Krug unter anderem verantwortlich für die Arbeit mit Flüchtlingen im Main-Tauber-Kreis. Im Interview spricht sie über die Chancen und Schwierigkeiten, die Flüchtlingsintegration im ländlichen Raum mit sich bringt.

Frau Krug, als Dezernentin unterstehen Ihnen nicht nur das Amt für soziale Sicherung, Teilhabe und Integration, sondern auch einige andere Teilbereiche. Welchen Anteil an Ihrer Arbeit macht dennoch die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen aus?

Krug: Der Bereich Asyl und Flüchtlinge ist immer noch einer der wichtigsten und drängendsten im Dezernat. Es ist eben keine Standardaufgabe, die seit eh und je erledigt wird, sondern wir befinden uns in einem dynamischen Prozess, in dem sich die Rahmenbedingungen ständig verändern. Mittlerweile kann ich mich aber auch wieder anderen Teilbereichen widmen. In den Jahren 2015 und 2016 war das noch anders. Da habe ich mich fast 100 Prozent meiner Arbeitszeit mit diesem Gebiet beschäftigt, weil wir neue Strukturen schaffen und Unterkünfte organisieren mussten. Insgesamt war das eine sehr turbulente Zeit.

Inzwischen ist das Beschaffen von Unterkünften nicht mehr das drängendste Problem, sondern eher die Integration der Flüchtlinge.

Krug: Genau. Das ist die zweite, gesellschaftlich vielleicht noch relevantere Aufgabe. Wir hatten das Glück, zusammen mit demHohenlohekreis den Zuschlag für ein Projekt erhalten zu haben, das „Integrationsnetzwerk Hohenlohe-Main-Tauber“. Wir bekommen dadurch aus Mitteln des Bundes und des Europäischen Sozialfonds über vier Jahre insgesamt etwa 2,4 Millionen Euro für die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. Dadurch konnten wir bislang zusammen mit unseren Kooperationspartnern 235 Geflüchtete an Arbeitgeber vermitteln. Das ist natürlich sehr positiv, aber wir sind auch gemeinsam zu der Erkenntnis gelangt: Wir kommen nur hin zu einer nachhaltigen Integration, wenn die Menschen wirklich Fuß fassen und ihre eigene Existenz gut bestreiten können.

Welche Besonderheiten ergeben sich dabei durch die ländliche Struktur des Main-Tauber-Kreises?

Krug: Wir versuchen natürlich, die Vorteile zu nutzen: Bei uns spielt sich alles sehr kleinteilig ab, man geht nicht in der Anonymität der Menge unter. Der Arbeitskollege ist vielleicht auch gleichzeitig im Fußballverein, wohin man den Geflüchteten dann gut mitnehmen kann, damit aus der beruflichen Integration eine gesellschaftliche Integration erwachsen kann. Darüber hinaus haben wir im ländlichen Raum viele Arbeitgeber, die händeringend nach Arbeitskräften suchen. Da hat man jetzt eine Gruppe, die sehr motiviert ist, diese Stellen zu besetzen. Natürlich bringt die ländliche Prägung aber auch Nachteile mit sich.

Können Sie die Nachteile konkret benennen?

Krug: Wenn Flüchtlinge von der Erstunterbringung in die Anschlussunterbringungen kommen, müssen wir verschiedene Quoten erfüllen und die Menschen auf die verschiedenen Kommunen verteilen. Die Geflüchteten sind aber teilweise schon an einer Schule, haben eine Arbeitsstelle und wollen gerne dort bleiben. Da ist dann das Problem: Wie kommen diese Menschen an ihren Arbeitsplatz oder zur Schule, wenn sie durch die Anschlussunterbringung an eine andere Stelle im Landkreis gekommen sind und der öffentliche Nahverkehr dem nicht standhält? Natürlich versucht man, die Menschen entsprechend zu platzieren, aber das lässt sich leider nicht immer so umsetzen.

Sicher gibt es kein Patentrezept für Integration. Aber was braucht es aus Ihrer Sicht, damit sie im ländlichen Raum gelingen kann?

Krug: Man sollte die guten persönlichen Verbindungen nutzen, weil die Anzahl an Arbeitgebern, Trägern und Ansprechpartnern überschaubar ist. Unsere Mitarbeiter kennen jeden Flüchtling persönlich, da ist niemand nur eine Nummer. Dadurch kommt man relativ leicht ins Gespräch. Dieses Netzwerk braucht es im ländlichen Raum – genauso wie ein starkes Ehrenamt. Ohne die Zusammenarbeit von Sozialarbeitern und ehrenamtlichen Helfern kann Integration nicht funktionieren.

Interview: Michael Bächle