„Pfusch liegt im Auge des Betrachters“

Es gibt im Leben eines Bauherren wohl kaum etwas, das ärgerlicher ist: verpfuschte Arbeiten. Bernd Stahl, Sachverständiger der Handwerkskammer Heilbronn-Franken, erklärt im Interview, wie man Baupfusch verhindern kann und was zu tun ist, wenn es einen doch einmal erwischt.

Herr Stahl, laut dem Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e. V. weisen nahezu 99 Prozent aller Neubauten in Deutschland Baumängel auf. Wie häufig sind Sie mit Baupfusch konfrontiert?

Stahl: Mit dem was der Volksmund „Pfusch“ bezeichnen würde habe ich nicht so oft zu tun. Als Sachverständiger werde ich rund 30 Mal im Jahr zu Streitfällen gerufen, um festzustellen, ob ein Fliesenleger mangelhaft gearbeitet hat oder nicht. Davon liegen bei ungefähr drei bis vier Fällen massive handwerkliche Fehler zugrunde, die ich auch vorsichtig als „Pfusch“ bezeichnen würde.

Welche Mängel zählen überhaupt als Baupfusch?

Stahl: Das liegt im Auge des Betrachters. Der Hausbauer, der im Keller seine Platten selbst verlegt, würde diese Arbeit, wenn er sie bezahlen müsste, gelegentlich als Pfusch bezeichnen. Doch zur Tatsache: Baupfusch ist kein geregelter Begriff. Wenn man so will würde ich im Bereich der Fliesenarbeiten als Baupfusch bezeichnen, was so gravierende Mängel hat, dass es technisch unbrauchbar ist oder das so unsauber verlegt ist, sodass grobe optische Mängel vorliegen. Als Mangelhaft bezeichnet man handwerkliche Arbeiten, die nicht die vertraglich zugesicherten Eigenschaften besitzen. Wurde vor der Ausführung der Arbeiten nichts Konkretes vereinbart, so bewerten wir die Arbeiten nach üblicher Art und Güte. Das heißt, wurden die Arbeiten so ausgeführt, wie es den handwerklichen Regeln entspricht, so liegt dann kein Mangel vor.

Mit welcher Art von Pfusch hatten Sie bei Ihrer Arbeit schon zu tun?

Stahl: Ein ungelernter Handwerker, der meinte er könne Fliesen verlegen, hat in einem Bad Fliesen verlegt. Die Bodenfliesen waren so schlecht verlegt, dass ich sie mit der Hand ohne Werkzeug aufnehmen konnte. Der Estrich unter den Fliesen war völlig durchnässt, weil keine Abdichtung eingebaut war. Die Wandfliesen wurden Wand für Wand im Kreis herum verlegt – offensichtlich ohne Wasserwaage, da die Wandfliesen in der letzten Ecke einen Höhenversatz von 4 Zentimeter hatten. Die Wanneneinmauerung war um mehr als drei Zentimeter schräg, das heißt an der einen Seite der Wanne waren die Fliesen ein Zentimeter unter dem Wannenrand. Am anderen Ende schauten die Fliesen zwei Zentimeter heraus. Die Bauherrin hat zwar den Prozess gewonnen, hatte aber nichts davon, da der Ausführende mittellos war.

Wenn ein Bauherr einen Mangel entdeckt, was sollte dann der nächste Schritt sein?

Stahl: Er sollte zunächst den Handwerker auffordern, den Mangel zu beheben. Ein im gegenseitigen Respekt geführtes Gespräch sollte in den meisten Fällen für Abhilfe sorgen. Gelegentlich gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, was ein Mangel ist. Bevor es zum Rechtstreit kommt, helfen hier die handwerklichen Sachverständigen. Meine Erfahrungen zeigen, dass ein gemeinsam geführtes Gespräch zwischen Bauherren und Handwerker unter Vermittlung eines handwerklichen Sachverständigen häufig diese Differenzen aus dem Weg räumen kann. Die handwerklichen Sachverständigen sind in ihrer Tätigkeit zur Neutralität verpflichtet und können hier sehr hilfreich sein. Abraten würde ich von Empfehlungen aus dem Internet. Hier werden oft Sachverhalte falsch oder missverständlich dargestellt. Das führt dann zu mehr Verwirrungen, als die Probleme zu lösen. Auch Einschätzungen von „einem Nachbarn, der sich gut auskennt“ sind eher der Sache hinderlich.

Wo findet ein Betroffener Hilfe?

Stahl: Bei Problemen am Bau, die einem Handwerker zuzuordnen sind, helfen die handwerklichen Sachverständigen. Die Anschriften bekommt man am Besten bei der Handwerkskammer. Die handwerklichen Sachverständigen kennen sich in ihrem Gewerk, für das sie bestellt sind, besonders gut aus. Bei generellen Problemen, die das gesamte Bauwerk betreffen, würde ich mich an einem allgemeinen Bausachverständigen der Industrie- und Handwerkskammer wenden.

Wer kommt finanziell für die Schäden auf?

Stahl: Das kommt auf den Fall an. Bis zur Abnahme eines Werkes muss der Auftragnehmer nachweisen, dass sein Werk mangelfrei ist. Nach der Abnahme muss der Auftraggeber dieses beweisen. Da es sich in der Regel um einen privaten Rechtsstreit handelt, entscheidet im Zweifelsfall das Gericht, wer bezahlen muss. Für diese Entscheidung werden häufig öffentlich rechtlich bestellte Sachverständige der Handwerkskammern von den Gerichten als Helfer benannt, um zu entscheiden, ob Fehler vorliegen oder nicht. Stellt das Gericht fest, dass der Handwerker mangelhaft gearbeitet hat, so muss der Handwerker bezahlen. Liegt kein Mangel vor, zahlt der Bauherr. Häufig werden vor Gericht Vergleiche geschlossen. Gelegentlich haben Bauherren Versicherungen, die den Rechtstreit bezahlen.

Welche Chancen hat ein Geschädigter überhaupt, entschädigt zu werden?

Stahl: Wenn die beauftragte Firma solvent ist und tatsächlich ein Mangel vorliegt, hat der Geschädigte gute Chancen sein Recht und damit sein Geld zu bekommen. Allerdings sollte man bedenken, dass diese Verfahren vor Gericht häufig sehr lange dauern.

Was kann man schon im Vorfeld tun, um Baupfusch zu vermeiden oder sich wenigstens abzusichern?

Stahl: Aufpassen sollte man aus meiner Sicht vor allem bei Betrieben, die keine Referenzen haben. Handwerker, die von Bekannten oder Freunden weiter empfohlen werden, sind auf jeden Fall die bessere Wahl als Handwerker, die sich über Internetforen um Aufträge bewerben und die unbekannt sind. Auch sollte man darüber nachdenken, ob der Handwerksbetrieb überhaupt in der Lage sein kann, die Arbeiten auszuführen. So füllen allein die handwerklich technischen Regeln für das Fliesenlegerhandwerk ein Buch mit über 450 Seiten. Ich würde mir überlegen, ob der Handwerker, dem ich eventuell eine teure und wertvolle Aufgabe anvertrauen möchte, dieses Buch wohl besitzt und ob er in der Lage ist, dieses Buch auch zu verstehen. Bei schlüsselfertigen Neubauten würde ich mich eher einer Firma anvertrauen, die schon lange am Markt ist und die offen mit Referenzen umgeht. Weiterhin sollte man sich überlegen, ob das billigste Angebot das Beste sein kann. So kaufen viele Menschen eher teure Autos oder hochwertige Elektrogeräte, weil klar ist, dass sehr billige Dinge eher nicht sehr lange halten. Weshalb soll das bei Arbeiten am Bau anders sein. Wer billig anbietet, muss auch billige Werkstoffe verwenden. Dieses wird sich auf die Haltbarkeit auswirken.

Gehen wir auf das Handwerk noch etwas genauer ein: Seit 2004 gibt es für einige Gewerke, darunter Ihre Branche, keine Meisterpflicht mehr. Lässt sich eine steigende Zahl an Mängeln Ihrer Meinung nach auch darauf zurückführen, dass keine Meister mehr am Werk sind?

Stahl: Die Ausbildung zum Meister ist die grundlegende Voraussetzung für das Führen eines Handwerkbetriebes. Es werden die technischen Regeln und handwerklichen Fertigkeiten geschult und geprüft. Daneben sind auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse Teil der Meisterprüfung. Das was allgemein als Baupfusch verstanden wird, habe ich in den allermeisten Fällen nur bei Nicht-Meisterbetrieben gesehen. Allerdings sehe ich als Sachverständiger ja nur Arbeiten, die streitig ausgeführt sind. Daher gibt es sicher auch gute Nichtmeisterbetriebe. Allerdings sind mir optische oder technische Totalschäden nur bei Nichtmeisterbetrieben in Erinnerung.

Würde eine sofortige Einführung der Meisterpflicht die Situation wieder bessern?

Stahl: Auf jeden Fall, da eine gute Ausbildung eine absolut notwendige Grundlage für erfolgreiches handeln ist. Allerdings wird sich der Erfolg der Wiedereinführung erst nach und nach einstellen. Die meisten Meisterbetriebe sind in Innungen organisiert und sind daher immer auf dem neuesten Stand der Technik. Vor allem auch für die Ausbildung zum Fliesenleger hätte die Meisterpflicht eine gravierende Auswirkung, da viele Meisterbetriebe seit dem Wegfall der Meisterprüfung nicht mehr ausgebildet haben.

Interview: Alexander Liedtke

Zur Person
Bernd Stahl ist ein von der Handwerkskammer Heilbronn öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk. Der Diplom-Ingenieur ist außerdem Vorsitzender des Technischen Ausschusses im Fachverband Fliesen und Naturstein im Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) Berlin.