Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, ist einer der Speaker beim „Gipfeltreffen der Weltmarktführer“ in Schwäbisch Hall. Dem PROMAGAZIN hat er im Vorfeld auf vier Fragen geantwortet, die innovative Unternehmen und Technologieführer bewegen.

Ist „made in Germany“ in der globalen Wahrnehmung immer noch ein Synonym für Wertarbeit, Innovation und Zuverlässigkeit? Was hat sich verändert?
„Made in Germany“ steht weltweit für Qualität, durchdachte Technik und Sicherheit – daran hat sich nichts geändert. Bisher wurden diese Stärken häufig mit den klassischen deutschen Kompetenzen wie etwa dem Maschinenbau in Verbindung gebracht. Doch darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Wir wollen und müssen unserem guten Ruf auch in Zukunft weiterhin gerecht werden und dafür müssen wir gerade in Bereichen wie der Digitalisierung, IT oder KI einen Fokus auf zukunftsgerichtete, innovative Technologien richten.
Nur so können wir langfristig Abhängigkeiten vorbeugen und souverän agieren. Und es gibt hier auch durchaus Positives zu vermelden. Im Bereich der KI zum Beispiel konnten wir mit dem Release des ersten europäischen Sprachmodells Teuken 7-B des Konsortiums OpenGPT-X, an dem Fraunhofer beteiligt ist, vor Kurzem ein weithin sichtbares Zeichen für europäische Kompetenz und Werte setzen.
Bei allen Herausforderungen, vor denen wir stehen und die wir dringend angehen müssen – wie steigende Energiepreise, eine anfällige Verkehrsinfrastruktur und hohe Arbeitskosten –, dürfen wir nicht vergessen, dass wir über ein weltweit führendes Wissenschafts- und Innovationssystem verfügen: Unser erstklassiges Ingenieurwesen, starke Konzerne und ein innovativer Mittelstand mit zahlreichen Hidden Champions sorgen zusammen mit Universitäten und Forschungseinrichtungen weiterhin für Fortschritte in Schlüsseltechnologien wie den erneuerbaren Energien oder der Medizintechnik.
Auch bei Hightech-Materialien, Optik und intelligenter Produktionstechnik oder in der Chemie sind wir noch stark. Unter den großen Industrieländern steht Deutschland auf Platz Zwei, was die Innovationsfähigkeit angeht. Das ist eine gute Nachricht. Wir sehen aber auch, dass die Konkurrenz härter wird. Um „Made in Germany“ als Synonym für weltführende Qualität und Innovation langfristig stabil zu halten, müssen wir noch schneller darin werden, Technologien in die Anwendung zu bringen – und dafür müssen wir dringend die Rahmenbedingungen verbessern. Dazu gehört beispielsweise, Kooperationen im Innovationssystem zu vereinfachen und die Fördersystematik für Transferaktivitäten agiler und unbürokratischer zu gestalten.
Für wie bedeutend halten Sie das Gebiet Forschung und Entwicklung im Mittelstand, bei Hidden Champions und bei Weltmarktführern?
Oft sind es die stillen Riesen ihrer Branchen, die durch konstante Innovation und Forschung ihre Spitzenpositionen behaupten und ausbauen. Im Mittelstand, wo Agilität und Flexibilität großgeschrieben werden, ist Forschung und Entwicklung der Schlüssel zur Entwicklung neuer Produkte und zur Eröffnung neuer Märkte. Hidden Champions verdanken ihren Erfolg auch der Fähigkeit, sich durch Forschung und Entwicklung von der Konkurrenz abzuheben. Diese Unternehmen sind Innovationstreiber, die nicht nur Technologien, sondern ganze Branchen vorantreiben.

Gibt es einen prozentualen Richtwert, wie viel ein Unternehmen in seine Innovationskraft investieren sollte?
Die Höhe der Investitionen in Forschung und Entwicklung ist in erster Linie eine unternehmerische Entscheidung. Wichtig ist, Forschung und Entwicklung nicht primär als Kostenfaktor, sondern als fundamentale Investition in die Zukunft zu sehen. Nur wer sich weiterentwickelt, bleibt nicht zurück, und dabei können wir mit unserer Forschung einen Beitrag leisten.
Welchen Anteil hat die Fraunhofer-Gesellschaft an bestehender und künftiger Innovationskraft in Deutschland?
Der Auftrag der Fraunhofer-Gesellschaft ist es, mit angewandter Forschung die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft zu stärken. Ganz konkret heißt das, dass wir wissenschaftliche Erkenntnisse in die Anwendung, in Produkte und Lösungen überführen. Zu den bekanntesten Fraunhofer-Erfindungen zählen zum Beispiel das MP3-Audioformat und die weiße LED. Erst kürzlich wurde ein Forscher-Team von ams OSRAM und Fraunhofer für das Projekt „Digitales Licht“ vom Bundespräsidenten mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet. Eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Forschungsorganisationen ist unsere unternehmerisch und marktorientiert geprägte Mission, die fest in unserer Struktur verankert ist. Sie garantiert den konsequenten Dialog und Austausch zwischen der Fraunhofer-Gesellschaft und ihren Partnern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Dadurch sind wir immer am Puls der Zeit und haben einen guten Blick auf die Bedürfnisse und Anforderungen, die der Markt heute und morgen an unsere Partner stellt. Dabei geht die Wirkung der angewandten Forschung weit über den direkten Nutzen für die Auftraggeber hinaus: Fraunhofer-Institute stärken die Leistungsfähigkeit der Unternehmen, verbessern die Akzeptanz moderner Technik in der Gesellschaft und sorgen für die Aus- und Weiterbildung des dringend benötigten wissenschaftlich-technischen Nachwuchses. Und: Fraunhofer ist ein echter Standortfaktor für das Innovationsland Deutschland. So tragen wir ganz erheblich dazu bei, Deutschlands Ruf als eine der führenden Innovationsnationen der Welt zu festigen.

Zur Person
Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka ist seit August 2023 Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. Zuvor war er von Oktober 2013 bis August 2023 Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sowie Vize-Präsident für den Forschungsbereich Energie der Helmholtz-Gemeinschaft. Der Universitätsprofessor studierte Maschinenbau an der Technischen Universität Clausthal und war danach wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Seine Professur für Adaptronik an der Universität Magdeburg erhielt er 1997, vier Jahre später wechselte er an die Technische Universität Darmstadt. Bis 2013 leitete er dort das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF, war zudem sechs Jahre lang Mitglied im Präsidium der Fraunhofer-Gesellschaft. Von 2011 bis 2013 war er auch Vizepräsident der TU Darmstadt. Hanselka ist Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften.