In ein fremdes Land zu kommen, ohne Sprachkenntnisse, ohne Dach über dem Kopf und ohne Arbeit, bedeutet, eine große Aufgabe vor sich zu haben. Naim Hosseini (39) hat diese Herausforderung vor anderthalb Jahren angenommen und ist seinem Ziel ein Stück näher.
Wie er da in seinem weißen Hemd und seiner dunklen Weste hinter einem ergonomischen Schreibtisch der Firma Bürotechnik Niederle in Assamstadt steht und ganz vertieft in seinen Computer reinschaut, käme man nie auf die Idee, dass Naim Hosseini erst seit anderthalb Jahren in Deutschland ist. Dass er mit seiner Frau Mitra und dem neun Monate alten Sohn Arian in einem Container für Flüchtlinge wohnt. Dass er zuerst aus Afghanistan in den Iran und dann von dort nach Deutschland geflohen ist. Dass er bis heute keinen Sprachkurs absolvieren konnte. Das alles sieht man Hosseini nicht an. Der 39-Jährige lächelt einfach freundlich und wirkt, als würde er genau dorthin gehören, wo er ist – und das schon seit langer Zeit.
Rückblick: Vor etwas mehr als elf Monaten bekam Naim Hosseini die Möglichkeit, ein sechswöchiges Praktikum bei der Firma Bürotechnik Niederle abzuleisten. Mit lediglich rudimentären Deutschkenntnissen meisterte er all seine Aufgaben mit Bravour. Er half anderen Kollegen, montierte Elektrotische und -schränke, reparierte Kopiererdigitalsysteme und schrieb sogar Lieferscheine sowie Rechnungen. Weil Hosseini ausgezeichnete Arbeit geleistet hatte, bekam er nach einem Monat Pause einen neuen Vertrag als Minijobber. Nun ist er 52 Stunden im Monat für den Fachhändler für Büromöbel und -technik tätig und erhält den Mindestlohn. Seine Arbeitszeit gestaltet sich dabei flexibel und richtet sich auch nach der Familie.
Mit dem neuen Vertrag haben sich auch die Aufgaben des Afghanen geändert. Nach einer CAD-Schulung unterstützt er mittlerweile das Planungsteam am Computer, wenn es um die Ausstattung von Büroräumen mit speziellen Möbeln und Akustikelementen geht. Seine Chefin und Geschäftsführerin des Meisterbetriebs Andrea Rudolf ist mächtig stolz auf Hosseini. „Er ist einfach multiflexibel“, findet sie. Obwohl er in einem fremden Land sei, nehme er alles an. Rudolf ist absolut überzeugt vom Potenzial des Familienvaters. Für sie ist er „die Integration in Person“ und sie wünscht ihm für seine berufliche Laufbahn, dass er das tun könne, was ihm Spaß macht. „Naim ist eine Führungspersönlichkeit“, ist die Geschäftsführerin überzeugt.
Als sie das sagt, lächelt Hosseini. Obwohl er bis heute keine Zusage zur Teilnahme an einem Integrationskurs und damit zum Deutschlernen bekommen hat, versteht er bemerkenswert viel und kann sich sehr gut ausdrücken. Er erzählt von seinem früheren Beruf in seinem Heimatland, seiner Tätigkeit bei der Deutsch Afghanischen Initiative, wo er Projekte mitbetreute, sich um Kinderpatenschaften und ein Frauenzentrum kümmerte. Er spricht von seiner Geburtsstadt Herat, von Taliban, die in sein Dorf gekommen waren und natürlich von seiner Frau und seinem Sohn, der im April vergangenen Jahres in Bad Mergentheim zur Welt gekommen ist.
Noch ist offen, wie lange Naim Hosseini in Deutschland bleiben darf. Sein Asylantrag liegt noch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Doch eines ist jetzt schon klar: Er wird es überall schaffen.
Olga Lechmann