Heilbronn-Franken ist auf Wachstumskurs. Die Leitplanken für die weitere Entwicklung setzt der Regionalplan. Er koordiniert, wie die vorhandene Fläche in den kommenden Jahren genutzt werden soll.
Wachstum braucht Raum – und dieser ist begrenzt. Mit einer Fläche von 4765 Quadratkilometern ist Heilbronn-Franken zwar die größte Region in Baden-Württemberg und bietet theoretisch noch viel Platz, aber die Ressource Boden lässt sich nicht vermehren. Daher soll künftig erheblich sparsamer damit umgegangen werden.
Aktuell werden im Ländle jeden Tag gut fünf Hektar Fläche „verbraucht“, sprich durch Bebauung versiegelt. Die Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, den Verbrauch auf 2,5 Hektar zu halbieren. Ziel bis 2035 ist gar, auf „Netto-Null“ zu kommen, also nur noch Flächenrecycling zu betreiben. „Wie das in der Praxis funktionieren soll, weiß ich noch nicht“, gibt Klaus Mandel offen zu. Als Direktor des Regionalverbands Heilbronn-Franken liegt es an ihm und den beteiligten Gremien, den Regionalplan zu erstellen, der die Weichen für die Zukunft stellt. Er setzt für einen Zeitraum von etwa 15 Jahren den Rahmen für die regionale Entwicklung der Siedlungs-, Freiraum- und Infrastruktur – und muss dabei die Interessen der 111 Kommunen als Wohn- und Gewerbestandorte, aber auch der Landwirtschaft als größtem Flächennutzer berücksichtigen. Nicht zu vergessen: der Erhalt der Natur.
Als langfristiges Instrument wird der Regionalplan flexibel an sich verändernde Bedingungen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft angepasst, etwa durch Teilfortschreibungen. Aktuelle Herausforderung: der Ausbau erneuerbarer Energien.
Zwei Prozent Fläche für klimafreundliche Energie
Wo neue Windkraftanlagen am sinnvollsten entstehen können, wird derzeit geprüft. „Zwei Prozent der Fläche sollen künftig der Gewinnung erneuerbarer Energie dienen“, sagt Mandel. „Doch wir befinden uns derzeit noch in einer unklaren Situation. Während der Bund nur von Windkraft spricht, stellt das novellierte Klimaschutzgesetz des Landes die Wahl des Mixes zwischen Wind- und Solarenergie frei.“ Klar sei allerdings, dass Windkraft im Leistungsvergleich die flächensparsamste Variante ist. Ebenfalls klar ist, dass künftig rund 95 Quadratkilometer der umweltfreundlichen Energiegewinnung dienen sollen.
Um eine entsprechende Kulisse ermöglichen zu können, sei es notwendig, gewisse Kompromisse einzugehen. „Da gibt es drei Knackpunkte: Artenschutz, Denkmalschutz und militärische Belange“, sagt Mandel. Damit zum Beispiel kein einzelner Rotmilan eine Windkraftanlage verhindern könne, müsse der Individuenschutz einem Populationsschutz weichen. In Sachen Denkmalschutz müsse festgelegt werden, welche Beeinträchtigungen der „Postkartenmotive“, etwa der Silhouette von Kirchberg an der Jagst oder von Waldenburg, künftig zumutbar sind. Und ob bisherige Tabuzonen wie die Tiefflugschneisen für die Heeresflieger aus Niederstetten weiterhin Bestand haben sollen, müsse ebenfalls diskutiert werden. „Eine der spannendsten und zugleich die zentrale Frage ist: Mit welchen Abständen zwischen Windkraft und Wohnbebauung werden wir arbeiten können? In den ländlichen Gebieten haben wir zwar eine geringe Einwohnerzahl pro Quadratkilometer, aber eine hohe Wohnplatzdichte. Gerechterweise müsste um jeden kleinen Weiler der Abstandsradius eingehalten werden, was die Potenzialflächen erheblich reduziert“, erläutert Mandel
Ländlicher Raum von besonderer Qualität
Die Struktur des ländlichen Raums in Heilbronn-Franken unterscheidet sich laut Mandel erheblich von anderen Regionen Deutschlands. „Wir haben hier keine strukturschwache, deindustrialisierte Gegend. Im Gegenteil: Hier gibt es eine Vielzahl hochwertiger Arbeitsplätze. Wir können uns erhobenen Hauptes mit Verdichtungsräumen wie Stuttgart, Mannheim oder Karlsruhe messen, was Bruttowertschöpfung und Spitzentechnologie angeht“, sagt der Direktor des Regionalverbands. Und er ist überzeugt, dass der ländliche Raum in der Region weiter an Attraktivität als Wohnstandort gewinnen wird.
„Unsere Mittelzentren boomen“, stellt Mandel fest. „Und das strahlt auf die umliegenden Gemeinden aus, die mit Stärken wie vergleichsweise günstigen Bauplätzen punkten können“. Hinzu komme ein Corona-Effekt: Homeoffice hat sich in vielen Bereichen etabliert, wodurch die Entfernung zum Arbeitsplatz eine geringere Rolle spielt. „Wenn statt zehn Pendelwegen pro Woche nur noch vier oder zwei nötig sind, werden auch weiter entfernte Ortschaften attraktiv. Ich sehe darin eine Chance für den ländlichen Raum als Wohnstandort, vor allem, wenn der Breitbandausbau zügig fortschreitet“, sagt Mandel. Hinzu kommt: „Wer häufig daheim arbeitet, möchte sich auch einen vernünftigen Arbeitsplatz einrichten, der gut zehn Quadratmeter erfordert – bei Paaren doppelt so viel. Das lässt sich angesichts der Miet- und Immobilienpreise finanziell auf dem Land leichter realisieren als in den Ballungszentren.“
Bevölkerungs- und Beschäftigtenzahl steigt
Nur eine Richtung kennen seit Jahren die Bevölkerungs- und Beschäftigtenzahlen in Heilbronn-Franken: nach oben. Mandel ist überzeugt, dass dieser Trend anhalten wird. Infolgedessen steige auch der Bedarf an Wohn- und Gewerbeflächen stetig an.
Mit Blick auf die Unternehmen mache sich zudem ein weiterer Corona-Effekt bemerkbar. „Die Störungen der Lieferketten führen dazu, dass Unternehmen ausgelagerte Produktionen aus dem Ausland zurück und näher ans eigene Werk holen wollen. Auch der Bedarf an Lagerflächen steigt. Was früher totes Kapital war, dient jetzt als Versicherung, dass benötigte Teile verfügbar sind und Produktionen unterbrechungsfrei laufen können. All das findet nicht virtuell in der Cloud statt, sondern erfordert konkrete Regale in konkreten Hallen auf konkreten Gewerbeflächen.“
Wachstum für Wirtschaft ermöglichen, Wohnraum für Menschen bereitstellen, Energiegewinnung und Infrastruktur weiterentwickeln: All das und mehr fließt in die Regionalplanung ein. Verschiedene – zum Teil widerstreitende – Interessen zusammenzuführen und zu einem großen Ganzen zu vereinen, ist dabei die Herausforderung. „Angesichts der hohen Wachstumsdynamik, die in Heilbronn-Franken herrscht, werden wir auch in den kommenden Jahren einen steigenden Flächenbedarf haben“, ist sich Mandel sicher. „Die Frage, wie das mit einem Flächenverbrauch von netto Null gelingen soll, ist noch offen. Aber wir werden eine Antwort finden.“
Autor: Dirk Täuber