Nachdem die offizielle Eröffnung des neuen Gebäudeensembles der SWG Schraubenwerk Gaisbach GmbH, Geschäftsbereich Produktion, im Mai wegen der Corona-Krise nicht stattfinden konnte, machte sich Unternehmensinhaber Reinhold Würth in Begleitung seiner Frau Carmen und einigen Familienmitgliedern auf den Weg nach Waldenburg, um im Gewerbepark Hohenlohe an der Autobahn A6 die neue SWG-Produktionshalle samt „Pavillon“ in Augenschein zu nehmen.
SWG Produktion wurde 1967 gegründet und gehört zur Würth Gruppe. Das Unternehmen zählt zu den größten Schraubenherstellern Europas. Der im Mai fertiggestellte Erweiterungsbau trägt der seit Jahren steigenden Nachfrage Rechnung.
Ausstellungshaus mit Hallenzugang für Holzbau interessierte Besucher
Beim Empfang von Reinhold Würth im Pavillon, also dem der Halle angegliederten dreigeschossigen Büro- und Ausstellungshaus, war sein erster Satz: „Das ist also die neue Holzhütte“ und schaute sich in dem hellen Gebäude mit viel Glas und sichtbarem Holz mit wachem Blick um. Er staunte über die großzügigen freien Flächen des Hauses und ließ sich von SWG-Geschäftsführer Roland Janner den Grund dafür erklären: Hier werden in Kürze zahlreiche Exponate der hauseigenen Würth- und SWG-Produkte ausgestellt. Damit will man zukünftigen Besuchergruppen und anderen Interessierten den Holzbau ganz allgemein und den Ingenieurholzbau im Speziellen nahe bringen. Von der SWG-Produktion selbstentwickelte Verschraubungen für Holz-Beton-Verbund-Decken sollen hier ebenso gezeigt werden wie die Umsetzung klassischer Holzanschlüsse, unter anderem solche mit dem Hochleistungsbaustoff „BauBuche“, aus dem auch das Dachtragwerk der riesigen Produktionshalle nebenan besteht. Die Halle dient dem interessierten Publikum schließlich noch als ideales Anschauungsbeispiel der Hightech-Bauweise, die der Ingenieurholzbau heute ist. Eine umhauste Brücke führt die Besucher entsprechend von der Ausstellung auf den Besichtigungssteg der Halle, wie Janner ausführte.
Investition in ein zukunftsweisendes Projekt mit Signalwirkung
Natürlich wusste Reinhold Würth von Anfang an, in was für ein innovatives Holzbauobjekt er mit der neuen Produktionshalle investiert. Ein extra Bürogebäude war ursprünglich zwar nicht geplant. Doch aus den Büroräumen, die man zunächst in der Halle unterbringen wollte, wurde während der Planung ein kleiner Hallenanbau und aus diesem schließlich ein eigener Bürobau. Nicht zuletzt deshalb, weil SWG Produktion eben jene Ausstellungsflächen zur Präsentation ihrer Produkte und neuen Technologien für wichtig erachtete. Der Dreigeschosser vereint Büros und Ausstellungsbereiche nun ideal.
Über Entwicklungen wie diese ließ sich Würth zwar immer informieren, Planung und Details überließ er aber den SWG-Geschäftsführern und den von ihnen beauftragten Architekten. Er vertraute ihrer Vision, mit dem Erweiterungsbau ein Aushängeschild der besonderen Art zu schaffen, ein Leuchtturmprojekt für umweltfreundliches Bauen mit Signalwirkung für die Öffentlichkeit. Nachdem nun die riesige, 12.800 m2 umfassende Halle mit Abmessungen von knapp 97 Metern Breite und 114 Metern Länge fertiggestellt ist, freute er sich, das Ergebnis zu begutachten und Genaueres dazu vor Ort zu erfahren.
Blick in eine fast stützenfreie Halle mit filigraner Dachkonstruktion
Und so bewegte sich die kleine Gruppe rund um Reinhold Würth schließlich vom Pavillon über die Verbindungsbrücke zum Besuchersteg in die Produktionshalle. Wie von einem Hochsitz aus blickt man von hier in die Halle auf die Maschinen, die bereits seit Wochen auf Hochtouren laufen. Und obwohl hier alles voller Geräte steht und eine Unmenge an großen Lüftungsrohren unter dem Dach verläuft, erkennt man noch das filigrane Dachtragwerk der fünfschiffig angelegten Halle aus Fachwerkträgern, die in Blickrichtung jeweils nur auf einer Zwischenstütze ruhen. Es handelt sich um ein hochkomplexes und minutiös ausgetüfteltes Tragwerk der Superlative, wie es bisher kein zweites gibt. Entwickelt und geplant hat es das hauseigene Ingenieurbüro SWG Engineering in Rülzheim nach den Plänen der Architekten. Letztere waren ebenfalls zum Besuchstermin nach Waldenburg gekommen, um dem innovationsfreudigen Bauherrn Rede und Antwort zu stehen – sowohl zum Gesamtprojekt, als auch zu der nun so selbstverständlich aussehenden Dachkonstruktion, an der so gar nichts selbstverständlich ist. Auch nicht die Materialwahl. Daher machte Architekt Hermann Kaufmann Reinhold Würth darauf aufmerksam, dass dafür ein besonderes Holz, nämlich speziell verklebtes Buchenholz, die sogenannte „BauBuche“, verwendet wurde. Nur mit diesem hochtragfähigen Holzwerkstoff war es möglich, ein Dachtragwerk für eine Halle dieser Größenordnung mit solch schlanken Bauteilen und nur einer Zwischenabstützung zu realisieren. „Ein Minimum an Stützen gewährleistet ein Maximum an Flexibilität in der Produktion. Dieser Aspekt war eine entscheidende Vorgabe beim Entwurf“, erläuterte Kaufmann den Zusammenhang. Architekt Christoph Dünser veranschaulichte Reinhold Würth dann noch die Dimensionen der Lasten auf die Stützen: „Stellen Sie sich einen leeren Airbus A380 mit einem Gewicht von 275 Tonnen auf jeder einzelnen dieser Stützen vor, dann wissen Sie, welche Last jede aufnehmen kann.“ Dass die Übertragung solcher Kräfte aus den bis zu 42 m weit gespannten Fachwerkträgern in die Stützen funktioniert, ist allerdings einem außergewöhnlichen Knotenanschluss, dem sogenannten Puzzleknoten, zu verdanken. Entwickelt hat ihn Tragwerksplaner Henning Ernst von SWG Engineering. Er ist eine von vielen Meisterleistungen der Ingenieurbaukunst in dieser Halle.
Weltweit größtes Dachtragwerk aus „BauBuche“ – Nachahmung erwünscht
Dass ein Industriebau dieser Dimension überhaupt in Holz errichtet werden kann, ist bisher wenig bekannt. Dass ein solches nun tatsächlich errichtet wurde, ist bahnbrechend, finden die Architekten und wünschen sich zahlreiche Nachahmer. „Möglich machten das weltweit größte Dachtragwerk aus BauBuche aber erst die entsprechenden Verbindungsmittel: Insgesamt stecken etwa 250.000 Schrauben in der neuen Halle“, ergänzte SWG-Geschäftsführer Alois Wimmer. Und hier schließt sich der Kreis: Die Idee, den Bau in Holz zu errichten, hatte ihren Ursprung einerseits darin, dass der Geschäftsbereich SWG Produktion Schrauben und viele andere Produkte für den Ingenieurholzbau herstellt. Demnach sah man in einem Holzbau die adäquate Lösung. Andererseits wollte man mit der bewussten Entscheidung, in Holz zu bauen, auch ein Zeichen setzen und auf den positiven Effekt des Naturbaustoffs für den Klimaschutz durch die CO2-Speicherung im Holz hinweisen. Mit „BauBuche“ ließ sich außerdem die benötigte Holzmenge ressourcenschonend auf ein Minimum reduzieren. Und zu guter Letzt spielte auch der interne Effekt eine wichtige Rolle. Denn die natürliche und behagliche Atmosphäre in der Halle schafft eine angenehme Arbeitsumgebung mit hoher Aufenthaltsqualität – „ein wichtiger Gesichtspunkt für unsere Mitarbeiter, die den ganzen Tag darin verbringen“, so Wimmer am Ende der Besichtigungstour.