Ressourcen nachhaltig nutzen mit Circular Economy

„The Cradle“, ein im Bau befindliches Bürogebäude im Düsseldorfer Medienhafen, wird nach kreislauffähigen Cradle-to-Cradle-Prinzipien errichtet und erhält einen sogenannten Building Circulatory Passport. Foto: Interboden, HPP Architekten

Deutschland gehört zu den Top-Fünf-Ländern, was den Verbrauch von Rohstoffen angeht. Den größten Ressourcenhunger hat dabei die Bau- und Immobilienwirtschaft. Nach Abriss werden die meisten Bauprodukte wie Abfall behandelt. Durch ein Umdenken hin zu einer Circular Economy ließen sich diese Ressourcen weiterhin nutzen

Cradle to Cradle heißt das Designprinzip, das einen potenziell unendlichen Kreislauf von Materialien ermöglicht. Die Konstruktionen und eingesetzten Produkte müssen dabei so gestaltet werden, dass sie entweder vollständig abbaubar in der Biosphäre sind oder – wie meist in der Baubranche – wieder als Nährstoff in technische Kreisläufe zurückgeführt werden können.

Voraussetzung ist dabei das richtige System- und Produktdesign. Die chemische Beschaffenheit sollte so sein, dass später keine Schadstoffe in Rezyklate und Umwelt gelangen. Welche Bauprodukte und -materialien genau eingesetzt werden, wie groß ihr ökologischer Fußabdruck ist und welchen Wert die eingesetzten Materialien haben, wird in einem sogenannten Building Circularity Passport festgehalten.

Ähnlich dem Energieausweis für Gebäude enthält er alle relevanten Informationen zur Kreislauffähigkeit der verbauten Produkte. Verknüpft mit einem digitalen Zwilling des Gebäudes erhalten Eigentümer somit automatisch einen digitalen Plan für den späteren Rückbau.

Immobilie wird zur Materialbank

Es lohnt sich, auf Kreislauffähigkeit zu achten. Investitionen in Gebäude nach dem Designprinzip Cradle to Cradle mögen zunächst zwar höher ausfallen als bei konventionellen Gebäuden. Über den gesamten Lebenszyklus betrachtet rechnen sich die anfänglichen Mehrkosten jedoch und machen Wertsteigerungen von bis zu zehn Prozent möglich.

Denn das für die Baustoffe gebundene Kapital geht nicht länger verloren, sondern wird ähnlich einer mittel- bis langfristigen Wertanlage bei der Umnutzung oder im Rückbau wieder freigegeben. Die Immobilie wird damit zu einer Materialbank, deren Wert in Zeiten einer sich verschärfenden Rohstoffknappheit zudem noch kontinuierlich steigen könnte – und zwar überinflationär.

Circular Economy auf Quartiere übertragen

Mit der Registrierung auf zentralen Online-Datenbanken wie Madaster sind die Gebäude zudem mit internationalen Rohstoffbörsen und Verkaufsplattformen vernetzt, so dass Eigentümer und Wirtschaftsprüfer auf einen Blick erkennen können, wie sich der verfügbare Rohstoffrestwert eines Gebäudes entwickelt. Übertragen auf ganze Städte ließen sich durch sogenanntes Urban Mining damit wahre Rohstoffschätze heben.

Neben diesen rein wirtschaftlichen Vorteilen geht es bei Cradle to Cradle vor allem auch um die Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft. Klimawandel, CO2-Anstieg und zunehmende Umweltverschmutzung verlangen nach solchen innovativen Konzepten. Es gibt da eine schöne Metapher: Wir müssen Häuser wie Bäume und Städte wie Wälder bauen.

Stoffkreisläufe erstrecken sich in diesem Zukunftsbild nicht nur auf einzelne Immobilien. Vielmehr müssen ganze Quartiere und Städte – unsere gesamte gebaute Umwelt – nach diesem Prinzip gedacht werden. Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit lassen sich auf diese Weise hervorragend vereinen und bilden das Fundament für eine enkelfähige Zukunft.

Der Autor: Dierk Mutschler ist Vorstand der Drees & Sommer SE mit Sitz in Stuttgart.