Lernpartner statt Schüler, Lernbegleiter statt Lehrer, Lernatelier-Zeit statt Hohlstunde – wer sein Kind auf die Freie Schule Anne-Sophie auf den Taläckern, einem Stadtteil Künzelsaus, schicken möchte, muss erst mal deren ABC lernen. Hier ist irgendwie alles anders, aber gleichzeitig auch nicht.
S Sie ist schon etwas Besonderes, diese Schule am Rande des 4000 Einwohner großen Wohngebiets Taläcker: einerseits von außen ungewöhnlich mit ihren kastenförmigen, sandfarbenen Flachdach-Gebäuden und dem rings umherlaufenden Zaun, andererseits im Inneren farbenfroh, kreativ und atmosphärisch gestaltet. Bei einem Rundgang über den knapp 40.400 Quadratmeter großen Campus begegnet man exotisch klingenden Orten wie Inputtheken, Sprachbars, grünen Teppichen, einem Steinzeitdorf oder einem Wasserspielplatz. Den Schülern mangelt es hier an nichts. Zur Ausstattung gehören außerdem eine moderne Mensa, eine gut sortierte Bibliothek, eine riesige Sporthalle und ein eigenes Schwimmbad.
Insgesamt 642 Lernpartner besuchen aktuell die private Ganztagesschule, die alle Schularten von der Grundschule bis zum Gymnasium abdeckt – obwohl sie ursprünglich lediglich für 620 ausgelegt war. „Wir sind über unserem Limit“, räumt Gesamtleiterin Angelika Schmidt ein. Auf der Warteliste stehen derzeit 26 Kinder. Gestartet ist die Freie Schule Anne-
Sophie mit 48 Schülern im Jahr 2006, als sie von Bettina Würth, Tochter von Carmen und Reinhold Würth, gegründet wurde. Ihr Motto: Jeder soll die Schule als Gewinner verlassen. Zunächst befand sich die Einrichtung in Trägerschaft der Stiftung Würth in den Räumen der ehemaligen Landwirtschaftsschule in Künzelsau. 2008 erfolgte dann der Umzug in den Neubau auf den Taläckern. Heute begleiten etwa 80 Lehrer die Grund-, Werkreal- und Realschüler sowie Gymnasiasten durch ihre Schulzeit. Eines der Alleinstellungsmerkmale der Privatschule: Die Pädagogen absolvieren alle eine zweijährige Zusatzqualifizierung.
Für alle Kinder
„Im Normalfall verlassen die Kinder die Schule nicht“, sagt Schmidt. Wer sich einmal akklimatisiert habe, wolle nicht mehr weg. Auch Mädchen und Jungen von staatlichen Lehranstalten wechselten hin und wieder zur Anne-Sophie-Schule. Alle, die einen allgemeinbildenden Abschluss anstreben, sind an der Privatschule willkommen. Zwar werden sowohl Kinder aus wohlhabenden Familien als auch welche mit einkommensschwachem Hintergrund angenommen, dennoch gibt es Aufnahmekriterien, die bei einem Kennenlerngespräch abgefragt werden.
Jetzt werden vermutlich viele denken: Privatschule und Kinder von Paaren, die wenig verdienen – wie passt das zusammen? „Für Schüler von Hartz-IV-Empfängern gibt es ein Stipendium“, erklärt die Gesamtleiterin. Das bedeutet, dass die Stiftung Würth die monatlichen Schulgebühren zum Teil beziehungsweise auch komplett übernimmt. Sobald ein Kind Teil der Freien Schule Anne-Sophie ist, möchte es nicht mehr weg, betont Schmidt. Lediglich Fehlverhalten werde nicht geduldet, denn die Haltung an der Privatschule ist elementar. Daher gibt es auch Konsequenzen mit Wiedergutmachungen, wenn sich Lernpartner nicht an die Regeln halten.
Umgekehrt können sich die Mädchen und Jungen an der Privatschule auch Freiheiten verdienen, und zwar dank des schuleigenen Graduierungssystems. Wie das funktioniert? Ganz einfach: durch soziales Engagement, zum Beispiel als Respektlotse oder Lernpate für einen jüngeren Mitschüler. Das System basiert auf mehreren Stufen: Junior-Advancer, Advancer, Junior-Master of Learning und Master of Learning. Mit dem letzten Grad kann man sogar ab und an mal im „Homeoffice“ lernen. „Unser Graduierungskonzept wirkt bei den Kindern positiv“, sagt Schmidt, die selbst dreifache Mutter ist. Und so werde natürlich schon früh eingeimpft, dass es wichtig ist, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Davon profitieren die Anne-Sophie-Schüler schließlich auch in ihrem späteren Berufsleben. „Unsere Schüler selbst sind unsere besten Werbeträger“, ist die Pädagogin, die mit der Gesamtleitung der Schule in ihrem Traumjob tätig ist, überzeugt. Es gebe kein größeres Gut für sie, als mit Kindern zusammenzuarbeiten.
Olga Lechmann