Sieben Tage Naschwerkabstinenz

Die Fastenzeit ist in vollem Gange. Auch unsere Redakteurin Olga Lechmann hat es ausprobiert. Zwar entschied sie sich nur für die Light-Version des Fastens, also eine Woche lang. Doch das war Strafe genug.

Tag 1, Sonntag, 11. Februar:
Zwar begann mein überaus mutiger Selbstversuch „Eine Woche ohne Süßigkeiten und Knabberzeug“ erst heute. Allerdings nahm der Horror bereits am vorgestrigen Freitag seinen Lauf. Denn da war ich einkaufen. Meine Runde begann ich wie üblich beim Obst und Gemüse – da war noch alles gut. Doch das Ende der wöchentlichen Prozedur des Erwerbens von Lebensmitteln bei der Einzelhandelskette meines Vertrauens ist immer die Abteilung mit Schokolade, Gummibärchen, Chips und Co.. Obwohl ich wusste, was da kommt und mich innerlich schon beim Käse und den Joghurts darauf einstellte, war es die reinste Tortur, die Regale mit den Riegeln, Pralinen und Kekspackungen zu passieren – ohne Massen davon in meinen Einkaufswagen zu wuchten. Die Produkte lachten mich an, schienen mich förmlich anzuflehen, sie mitzunehmen. Die Versuchung war enorm. Doch ich blieb standhaft. An der Kasse angekommen, befand sich in meinem Wagen lauter Gesundes. Furchtbar. Andererseits bezahlte ich mindestens zehn Euro weniger. Der Sonntag schließlich war nicht weniger qualvoll – zumal zu Hause noch Restsüßigkeiten darauf warteten, von mir genüsslich verzehrt zu werden. Aber Halt! Ich nahm den Selbstversuch ernst, also ignorierte ich den Süßkram. Stattdessen gab es eben jede Menge Obst wie Himbeeren, Birne, Melone und Pomelo. Mein Gewicht betrug übrigens am ersten Tag meiner Folterwoche 51 Kilo. Wie viel ich wohl nächsten Sonntag auf die Waage bringe?

Tag 2, Montag, 12. Februar:
Menschen, die mich gut kennen – etwa meine Kollegen – wissen, dass ich auf der Arbeit praktisch jeden Tag etwas zum Naschen dabei habe. Heute durfte ich nichts mitbringen. Aber natürlich musste eine andere Kollegin genau heute einen Hefezopf in die Küche stellen, an dem sich alle bedienen durften. Nur ich nicht. Denn auch Gebackenes ist für mich bis Sonntag tabu. Also wagte ich nicht einmal, in die Nähe des Zopfes zu kommen, um bloß nicht seinen Geruch aufzusaugen. Das Schlimmste war jedoch, dass ich nach Feierabend unbedingt noch Blut spenden wollte, was ich auch tat. Doch das Verlangen nach einer Tafel Schokolade oder einem Stückchen Kuchen war nach dieser guten Tat noch viel heftiger als sowieso schon den ganzen Tag über. Warum hatte ich mich noch mal auf den Selbstversuch eingelassen?

Tag 3, Dienstag, 13. Februar:
Der heutige Tag war schwer, sehr schwer. Auf der Arbeit ließ es sich eigentlich noch aushalten, ohne was Süßes oder Salziges zu knabbern. Aber dann. Abends beschlossen mein Mann und ich, ins Kino zu gehen. Und, tut mir leid, Kino ohne Popcorn geht eigentlich gar nicht! Doch ich musste da durch. Ist nur ganz schön hart, wenn um dich herum alle anderen lautstark ihren Puffmais zermalmen.

Tag 4, Mittwoch, 14. Februar:
Womit habe ich das eigentlich verdient? Warum verzichte ich ausgerechnet in der Woche auf Süßes, in der Valentinstag ist? Okay, es ist nicht so, dass ich von irgendjemandem etwas Derartiges geschenkt bekommen habe. Aber als ich mit zwei Freundinnen nach Feierabend noch in einer Bar Cocktails trinken war, musste ja die Bedienung unbedingt Salz in meine Wunden streuen: Mit zuckersüßem Lächeln stellte sie ein Glasschälchen voller Gummikirschen vor uns hin. Toll, dachte ich. Na zumindest ließen es sich meine Begleiterinnen schmecken.

Tag 5, Donnerstag, 15. Februar:
Ich hätte es nicht gedacht, doch es ist tatsächlich passiert. Ich habe davon geträumt, dass ich Süßigkeiten gegessen und damit gegen das ungeschriebene, eine Woche dauernde Gesetz verstoßen habe, selbige auch nur anzurühren. Genau kann ich mich an den Traum nicht erinnern, doch es muss wohl aus Versehen passiert sein, ganz unbewusst, denn selbst in der Traumwelt war mir klar, dass ich mir sieben Tage Naschwerk-Abstinenz auferlegt hatte. Zum Glück war es nicht real. Wahrscheinlich resultierte das im Schlaf Erlebte daraus, dass meine Mutter mir vorher von einem neuen Waffelrezept vorgeschwärmt hatte.

Tag 6, Freitag, 16. Februar:
Noch drei Tage. Allmählich fing ich an, kriminelle Gedanken zu entwickeln. Was täte ich nicht alles für Lindt-Pralinen oder ein Stückchen Johannisbeer-Baiser-Kuchen … Die Orange, die vor mir auf meinem Schreibtisch lag, schien mich indes zu verhöhnen.

Tag 7, Samstag, 17. Februar:
Ich musste nur noch den heutigen Tag überstehen, dann wäre mein Selbstversuch vorbei. Doch ironischerweise war da überhaupt kein Verlangen nach Süßigkeiten, selbst als ich bei meiner Cousine zu Besuch war und sie mir zu meinem Cappuccino Schokokekse anbot. Doch ihr Anblick löste rein gar nichts in mir aus. Souverän lehnte ich also dankend ab. Vielleicht bin ich doch kein so hoffnungsloser Fall, wie ich dachte …

Tag 8, Sonntag, 18. Februar:
Endlich! Mit Stolz kann ich behaupten, ich habe es geschafft, eine ganze Woche lang auf Nasch- und Knabberzeug zu verzichten. Mein Fazit: Es war nicht leicht, doch ich hatte es mir irgendwie noch härter vorgestellt – mit Entzugserscheinungen oder Wutanfällen. Mein Gewicht hat der Verzicht auf Ungesundes übrigens so gar nicht beeinflusst. Ich wiege exakt 51 Kilo – wie vergangenen Sonntag. Auf eine weitere Woche ohne Süßes würde ich mich jedenfalls nicht einlassen. Das würde dann schon an Masochismus grenzen. Und jetzt freue ich mich auf die Waffeln meiner Mama!

Olga Lechmann