So glückt die Azubi-Suche von Unternehmen

Soziale Kompetenz vor Fachwissen setzen, richtig kommunizieren, junge Menschen direkt ansprechen und Praxiserfahrungen ermöglichen: Mit diesen Rezepten gelingt die Azubi-Suche von Unternehmen und sie kommen an die passenden Bewerber, sind sich Experten sicher.

Azubi-Suche von Unternehmen
Aus Expertensicht für die Azubi-Suche von Unternehmen ideal: Beim Berufsinfotag Künzelsau bieten Firmen Workshops an, damit Jugendliche Ausbildungsinhalte in der Praxis erleben. Foto: Kaufmännische Schule Künzelsau

Charlie Chaplin gilt als der erste Weltstar des Kinos. Von ihm stammt das Zitat: „Die Jugend wäre eine schönere Zeit, wenn sie erst später im Leben käme.“ Die wachsende Lebenserfahrung mit dem Optimismus und der Energie der Jugend verbinden zu können, würde vielen jungen Menschen Entscheidungen erleichtern – besonders beim Berufsstart.

Für den britischen Komiker war der berufliche Weg steinig: Von seiner Kindheit in bitterer Armut bis zu dem Moment, in dem er seine ikonische Figur mit Schnurrbart, Melone und übergroßen Schuhen schuf, lagen Waisenhaus-Aufenthalte, eine abgebrochene Schullaufbahn und schlecht bezahlte Tagelöhnerjobs. Berufliche Biografien wie die eines Charlie Chaplin gibt es heute nur noch selten. Die Verantwortung, schon im Alter von 13 Jahren den Lebensunterhalt selbst verdienen zu müssen, hat sich vier Generationen später gewandelt in die Sorge um eine sichere Zukunft. Und dennoch trifft offenbar auch heute zu, was Chaplin damals beflügelte: der starke Glaube an gute persönliche Perspektiven.

Junge Menschen blicken optimistisch in die Zukunft

Das jedenfalls spiegelt die jüngste repräsentative Befragung der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung wider, die seit 2015 alljährlich zum „Tag der Bildung“ gemeinsam mit forsa unter mehr als tausend 14- bis 21-Jährigen erhoben wird. Das Ergebnis: „Trotz zunehmender Krisen und wachsender Herausforderungen, mit denen wir als Gesellschaft konfrontiert sind, schauen viele junge Menschen nach wie vor optimistisch in die Zukunft“, resümiert Andreas Knoke aus der Geschäftsleitung der DKJS und für das Ressort „Berufsschule & Übergang Ausbildung“ verantwortlich.

Azubi-Suche von Unternehmen
Andreas Knoke von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung DKJS. Foto: DKJS/Stefanie Loos

Annähernd drei Viertel der befragten Jugendlichen sind laut der Studie überzeugt, dass das Erwerbsleben Positives für sie bereithält. Lediglich sechs Prozent sehen pessimistisch auf ihre beruflichen Perspektiven. Die allgemeine Zuversicht lässt sich nach Knokes Ansicht nicht auf jugendliche Blauäugigkeit zurückführen, die redensartlich den „Ernst des Lebens“ verkennt. Denn erstens ist die Grundstimmung laut der Studie seit Ende der Pandemie auf einem konstant hohen Niveau. Und zweitens „sind und bleiben die Befragten kritisch, wenn es um Missstände im Bildungsbereich und Ungerechtigkeiten in unserem Land geht“, sagt Knoke.

„Passungsproblem“ bei Angebot und Nachfrage

So meint zum Beispiel jeder vierte junge Mensch in Deutschland, es gäbe zu wenig Ausbildungsplätze. Zu diesem Ergebnis kam die Bertelsmann Stiftung in einer gesonderten Studie, für die sie gemeinsam mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sowohl Jugendliche als auch Unternehmen zu Chancen und Herausforderungen beim Ausbildungsstart befragt hatten. In die Publikation „Vom Mismatch zum Match“ flossen die Ergebnisse der Jugendbefragung „Ausbildungsperspektiven 2024“ und des „IW Personalpanel 2024“ ein.

Die Wahrnehmung bei einem Viertel der Jugendlichen, es gebe „zu wenig passende Angebote“, entspricht einer Tendenz, die sich auch in der amtlichen Statistik widerspiegelt: 63.000 Menschen gingen zuletzt bei der Suche nach einer Ausbildung leer aus – demgegenüber blieben 73.000 Lehrstellen unbesetzt. Der Grund für dieses Phänomen ist nach Ansicht der Autoren das sogenannte „Passungsproblem“: Angebot und Nachfrage in Bezug auf Region, gewünschtem Ausbildungsgang oder erforderlicher Qualifikation passen häufig nicht zusammen.

Ausbildungsmessen wie die BIT Künzelsau eignen sich sehr gut für die Azubi-Suche von Unternehmen- Wie wichtig diese Form des Ausbildungsmarketing ist, wissen auch die Aussteller des BIT. Foto: Kaufmännische Schule Künzelsau

Ausbildungen stehen hoch im Kurs

Doch was können beide Seiten tun, um Wünsche der Schulabgänger und der Unternehmen in Zeiten von Fachkräftemangel besser in Einklang zu bringen? Die für die Unternehmen in der Region wohl positivste Erkenntnis: Ausbildungen stehen hoch im Kurs. Sowohl junge Menschen als auch Unternehmen sind sich weitgehend einig, dass eine Berufsausbildung ein exzellenter Grundbaustein für eine gute Zukunft ist. Zwar könnte in der öffentlichen Wahrnehmung die Wertschätzung für Lehrberufe noch besser sein – das bemängeln Nachwuchs wie Betriebe. Doch das trübt den Wunsch nach einer guten Ausbildung nicht.

Die Jugend weiß dabei offenbar sehr genau, was von ihr fachlich erwartet wird. Laut der forsa-Umfrage der DKJS sind neun von zehn Befragten der Meinung, Deutschkenntnisse seien essenziell für die berufliche Zukunft, MINT-Wissen bewerten 84 Prozent als wichtig, etwas mehr als die Hälfte der Jugendlichen sieht auch Software- und Programmier-Skills als bedeutsam an. Gleichzeitig ist fast allen klar, dass sie nur dann erfolgreich sein werden, wenn sie anderen Menschen gegenüber tolerant und höflich sind und sich selbst gut organisieren können. „Soziale und personale Kompetenzen scheinen aber die Fähigkeiten zu sein, die in der Schule eher zu kurz kommen“, schätzt Knoke.

Der DKJS-Experte sieht deshalb Bildungseinrichtungen in der Pflicht, solche Zukunftskompetenzen bei Kindern zu fördern: „Dazu gehören die sechs ‚C‘s: Coolness, Communication, Creative Thinking, Collaboration, Charisma, Creativity.“ Pädagogen müssten aber auch bemerken, wenn Schüler diese Kompetenzen und spezielle Talente mitbrächten. „Die Unternehmen und die Jugendlichen würden doppelt profitieren, wenn Schulen solche Fähigkeiten und Ansätze stärker berücksichtigen“, sagt Knoke. Gerade das Miteinander würde in einem digitalisierten und automatisierten Arbeitsumfeld zunehmend wichtiger – „soziale Kompetenzen lassen sich absehbar am wenigsten durch KI und andere Technologien ersetzen“, konstatiert er.

Individuelle Kompetenzen gewinnen bei Azubi-Suche von Unternehmen an Bedeutung

Das haben die Unternehmen bereits verstanden. Denn die angesprochenen Passungsprobleme, besonders im Bereich von Qualifikationen, können künftige Arbeitgeber besser handhaben, wenn sie nicht nur auf Zeugnisnoten achten. „Es zeigt sich: Vor allem aus Sicht von Betrieben gewinnen die individuellen Kompetenzen gegenüber den formalen Abschlüssen an Bedeutung“, sagt Clemens Wieland, Senior Expert für „Bildung und Next Generation“ bei der Bertelsmann-Stiftung. Wieland gehört zum Autorenteam der Befragung der Bertelsmann-Stiftung und des IW. Mit Knoke arbeitet er zudem in mehreren Projekten wie der forsa-Befragung der DKJS zusammen.

Azubi-Suche von Unternehmen
Studienautor und Experte Clemens Wieland von der Bertelsmann Stiftung. Foto: Bertelsmann Stiftung

Nach seiner Beobachtung sind schon heute viele Unternehmen bereit, Ausbildungsplätze trotz schlechterer Noten in Mathematik, Deutsch oder Englisch zu vergeben, „denn fehlendes Wissen können Jugendliche im Zweifel noch in der Berufsschule oder im Betrieb nachholen. Die Förderung von sozialen oder personalen Kompetenzen trauen sich dagegen viele Betriebe nicht zu“, stellt er fest. Um den Schulabgängern Hemmschwellen zu nehmen, lautet Wielands Empfehlung: „Unternehmen sollten in Stellenanzeigen stärker kommunizieren, dass formale Abschlüsse nicht allein ausschlaggebend sind oder eine Offenheit für Bewerber mit niedrigen Schulabschlüssen explizit erwähnen.“

Entscheidend: die richtige Kommunikationsstrategie

Ohnehin ist die richtige Kommunikationsstrategie zwischen Ausbildungsbetrieben und potenziellen Nachwuchskräften laut der Befragung der Bertelsmann-Stiftung und des IW entscheidend. Es sei wichtiger denn je, junge Menschen bei der Reflexion eigener Fähigkeiten, Stärken und Interessen anzuleiten, sie durch die vorhandenen Möglichkeiten zu navigieren und Hilfestellung zu geben. Die Rolle der engsten Vertrauten auf dem Karriereweg fällt dabei den Eltern zu – für drei Viertel der befragten Jugendlichen sind „Mama und Papa“ die besten Ratgeber, Lehrer und Berufsberater werden deutlich seltener genannt.

Dennoch können Recruiter im Rahmen gezielten Ausbildungsmarketings viel zur Orientierung beitragen: Weil 39 Prozent der Schulabgänger das Internet als Informationsquelle nutzen, sollten sie stärker auf Social-Media-Kampagnen setzen. Allerdings die Richtigen: „Unternehmen sind noch viel zu oft auf Facebook unterwegs“, sagt Wieland. Inzwischen seien YouTube, WhatsApp und Instagram bevorzugte Quellen. Auch die Firmen-Website und Online-Stellenbörsen sind bei der Jugend durchaus im Visier.

Die Studie zeigt allerdings auch: „Analoge“ Kanäle wie Infoflyer, Broschüren und Unternehmensporträts in Zeitungen und Magazinen werden von einer Mehrheit der Jugendlichen bei der Wahl eines Ausbildungsplatzes durchaus berücksichtigt. Stellenausschreibungen in Printmedien und der Bundesagentur für Arbeit werden nach den Erkenntnissen der Autoren nach wie vor registriert – knapp jeder Zweite holt sich laut der „Matching“-Befragung dort Inspiration.

Persönlicher Kontakt bei Azubi-Suche von Unternehmen

Der persönliche Kontakt zwischen potenziellen Azubis und Ausbildern bleibt aber der Königsweg, darin sind sich die Experten einig. Neun von zehn Schüler wünschen sich die Möglichkeit, praktische Erfahrungen in ihrem Traumjob machen zu dürfen. Davon profitieren beide Seiten: „Häufig führen Praktika später auch zu einem Ausbildungsverhältnis – man spricht dabei von Klebe-Effekten“, sagt Wieland. Praktika seien eine Chance für schwächere Schüler: „Betrieb und Jugendliche können sich gegenseitig ‚beschnuppern‘, oft zeigen sich dann Qualitäten, die nicht im Zeugnis stehen.“

Mehr als 88 Prozent würden nach Studienlage gern Betriebsbesichtigungen mitmachen – dort könnten Unternehmen punkten. Doch nur knapp die Hälfte der befragten Firmen bietet diese Option. Wunsch vieler junger Menschen sind auch Ausbildungsbotschafter, die in die Schule kommen und über Chancen und Wege aus erster Hand berichten. Unter HR-Profis ist diese Praxis der Befragung zufolge aber nicht sehr verbreitet: Nur knapp jeder fünfte Betrieb schickt seine Azubis als Repräsentanten in den Unterricht – Tendenz allerdings steigend.

Ausbildungsmessen als gute Orientierungshilfen

Karriere- und Ausbildungsmessen, wie etwa im Mai der BIT in Künzelsau, seien ebenfalls gute Orientierungshilfen. Mehr als drei Viertel der Befragten halten solche Aktionstage für wichtig – aber nur jedes dritte Unternehmen erkennt bislang deren Relevanz. Für Wielands Geschmack dürften Betriebe ihr Recruiting noch stärker auf eine möglichst direkte Ansprache ausrichten, so wie es die etwa 100 Aussteller in Künzelsau tun: „Solche Praxiseinblicke sind eine hervorragende Möglichkeit, um junge Menschen für ein Unternehmen oder einen Ausbildungsberuf zu interessieren“, sagt er.

Natalie Kotowski