So tickt die Unternehmergeneration von morgen

Ob in der Führung oder im Beirat: Junge Nachfolger sind bereit, eine aktive Rolle im Unternehmen zu übernehmen. Foto: AdobeStock/Photographee.eu , Stiftung Familienunternehmen/Thorsten Jochim

Deutschlands nächste Unternehmergeneration will Verantwortung übernehmen. Das zeigt eine aktuelle Befragung der Stiftung Familienunternehmen. Geschäftsführer Stefan Heidbreder erklärt im Gastbeitrag, welche Herausforderungen die „Next Gen“ sieht.

Neunzig Prozent aller Unternehmen sind familiengeführt. Jedes Jahr stehen viele von ihnen vor einem Generationswechsel. Doch ist die nächste Generation aktuell noch bereit, diese Verantwortung zu übernehmen? Was denkt sie, was wünscht sie sich, welche Herausforderungen sieht sie? Um das herauszufinden, hat die Stiftung Familienunternehmen bereits 2010 eine Umfragereihe ins Leben gerufen. Seitdem befragt das Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen (FIF) in ihrem Auftrag in unregelmäßigen Abständen potenzielle Nachfolger zwischen 16 und 40 Jahren. In diesem Jahr bereits zum sechsten Mal.

Dabei zeigt sich auch in der aktuellen Erhebung, dass die sogenannte „Next Gen“ auch 2023 mit großer Mehrheit bereit ist, eine aktive Rolle in der Führung des Familienunternehmens zu übernehmen. Rund 70 Prozent sehen sich in der operativen Führung. Aber auch andere Rollen, beispielsweise im Beirat oder im Gesellschafterkreis, können sich die Befragten vorstellen. Allerdings ist im Vergleich zur letzten Studie 2020 auch die Tendenz gestiegen, einen Verkauf des Familienunternehmens grundsätzlich in Betracht zu ziehen – um rund neun Prozentpunkte auf immerhin 23,4 Prozent. Eine Tendenz, deren genaue Betrachtung lohnt.

Interessant dabei: Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen Stadt und Land. Liegt das Familienunternehmen in einem ländlichen Raum, zeigen potenzielle Nachfolger wesentlich weniger Interesse zu verkaufen. Ein Indiz dafür, dass Familienunternehmen gerade dort besonders gut verankert sind, was auch eine andere Studie der Stiftung Familienunternehmen nahelegt. Diese Untersuchung befasst sich mit der Bedeutung der Familienunternehmen für ländliche Räume. Sie macht deutlich, dass Familienunternehmen sogar dazu beitragen, die Region voranzutreiben. In der begleitenden Befragung von Landräten und Wirtschaftsförderern werden sie als Leuchttürme beschrieben, die Aufmerksamkeit auf die Region lenken. Man tut sich also gegenseitig gut.

Auch in der Erhebung zur nächsten Unternehmergeneration, die dieses Mal einen Schwerpunkt auf gesellschaftliche Fragen legte, zeigt sich, dass die jungen Nachfolger mitgestalten möchten und auch politisch sehr interessiert sind.

Dabei unterscheiden sich die Wertvorstellungen potenzieller Firmenlenker nicht grundsätzlich von denen anderer junger Menschen. Gegenüber Zuwanderung und Europa sind sie positiv eingestellt. Den Klimawandel, die größte Zukunftsangst vieler junger Menschen, sehen sie ebenso mit Sorge. Allerdings: Die Gefahr einer politischen Polarisierung und einer sozialen Spaltung der Gesellschaft empfinden die „Next Gens“ als deutlich beunruhigender. Auch dies ein Aspekt, der hellhörig machen muss. Denn gleichzeitig haben die Firmenlenker von morgen nur geringes Vertrauen in die Problemlösungskompetenz der politischen Parteien. Weder, was die großen gesellschaftlichen Herausforderungen betrifft, noch die Gestaltung förderlicher Rahmenbedingungen für Familienunternehmen. Sie haben mehrheitlich sogar das Gefühl, dass die Anliegen von Familienunternehmen insgesamt zu wenig oder gar nicht wahrgenommen werden.

Insbesondere die Idee höherer Steuern stößt bei ihnen auf starke Ablehnung. Bei der Erbschaftsteuer fordert die „Next Gen“ explizit Entlastungen – auch und gerade, weil sie angesichts der aktuellen Herausforderungen großen Investitionsbedarf sieht. Vor allem, um Innovationen zu ermöglichen, ohne die viele Unternehmen keine Zukunftsfähigkeit haben würden. Darüber hinaus sieht die nächste Generation Handlungsbedarf bei der Einführung neuer Arbeitsmodelle oder der Änderung der Führungskultur. Und auch Themen wie Reorganisation oder die Schaffung neuer Organisationsstrukturen sowie die Senkung von Kosten erachtet sie als wichtig. Ebenso wie das Thema Nachhaltigkeit, das mit Innovationsförderung und Mitarbeiterbindung ganz oben auf der Agenda steht.

Stefan Heidbreder

Zur Person

Stefan Heidbreder ist Geschäftsführer der gemeinnützigen Stiftung Familienunternehmen, die er seit 2005 aufgebaut hat. Die Stiftung fördert wissenschaftliche Forschung zum Thema Familienunternehmen und ist Ansprechpartner für Politik und Medien in wirtschaftspolitischen, rechtlichen und steuerlichen Fragen.