Stadt, Land, Fluch?

Wenn Städter und „Dorfkinder“ in eine Diskussion darüber geraten, wo es sich am besten lebt, kann es hitzig zur Sache gehen. Schließlich hat jeder seine eigenen Vorteilsargumente parat, was den Ort angeht, der für ihn seinen Lebensmittelpunkt darstellt. Ist es überhaupt eine Frage von „besser“? Oder ist „anders“ die Antwort?

Vergleicht man das Leben in der Stadt mit dem Leben auf dem Land, dann wird man mit vielen Klischees konfrontiert. Es ist wie eine Partie Schach: Nimmt der erste Spieler den ersten Zug seiner Spielfigur vor, kontert der Gegenspieler zugleich in seinem Zug mit einer anderen Strategie. Und so geht es hin und her.

Am Beispiel der Diskussion Stadt- gegen Landleben kann das so aussehen: Argumentiert der eine mit kurzen Wegen und einer guten Infrastruktur, entgegnet der andere mit wenig Lärm und Verschmutzung, gleichzeitig mehr Nähe zur Natur und Platz zur Entfaltung. Wirft der eine dem anderen vor, er könne nicht vor die Türe gehen, ohne erkannt oder angesprochen zu werden, hält der andere damit dagegen, nur einer unter vielen zu sein. Die Diskussion kann – genau wie ein Schachspiel – ewig dauern.

Doch wo lebt es sich denn jetzt besser? Auf dem Land oder doch in der Stadt? Diesen Fragen ist das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos im Auftrag der Sendung „ZDFzeit“ in einer großangelegten Deutschland-Studie nachgegangen. Ziel der Untersuchung war es, die Lebensumstände in der Bundesrepublik möglichst umfassend zu messen – und zwar so, dass alle 401 Landkreise und Städte miteinander vergleichbar sind.

Das Besondere vorneweg: Die Studie hat ihre Daten erhoben, ohne auch nur einen einzigen Bürger zu befragen. Prognos-Geschäftsführer Christian Böllhoff erklärt, warum: „Das war eine ganz bewusste Entscheidung. Das ZDF wollte wissen, wie gut die Lebensumstände in Deutschland sind. Es gab zwei Anforderungen: Erstens sollten objektive Zahlen aus seriösen Quellen genommen werden. Zweitens sollten alle Kreise und Städte direkt miteinander vergleichbar sein. Die persönliche Zufriedenheit wollten wir ausklammern, da sie ja sehr viel subjektiver ist.“

Als Grundlage für die Erhebung nahmen die Experten des Instituts die Grundbedürfnisse des Menschen: Gesundheit, Wohnen, Versorgung, Arbeit, Sicherheit, Freizeit und Erholung. Aus bereits vorliegenden statistischen Daten erarbeiteten sie Indikatoren, um die Bereiche mess- und vergleichbar zu machen. Für das Segment Freizeit floss etwa die Bar- und Restaurantdichte der jeweiligen Kreise und Städte in die Untersuchung ein. Für den Aspekt Sicherheit wurde die Zahl der Wohnungseinbrüche betrachtet.

Stadt München belegt Platz eins

So stehen am Ende 24.000 Datenpunkte, 53 Indikatoren und mehr als ein Jahr Arbeitszeit zu Buche. Im Frühjahr dieses Jahres wurden die Ergebnisse dann veröffentlicht. Ganz oben auf dem Siegertreppchen steht die Stadt München mit 207 von 300 möglichen Punkten. Auf die bayerische Landeshauptstadt folgen Heidelberg (205 Punkte) und der Landkreis Starnberg (204 Punkte). Auf dem Siegerpodest landen somit zwei Städte und ein Landkreis.

Das lässt sich aber nicht für die gesamte Studie verallgemeinern. Alle Städte zusammengenommen erreichen im Durchschnitt 167 Punkte, alle ländlichen Regionen kommen auf 166 Punkte. Summa summarum heißt das: In Bezug auf Lebensqualität geben sich Stadt und Land in Deutschland nicht viel.

Letztlich ist es doch subjektiv, wo sich ein jeder am wohlsten fühlt – der eine im Großstadtdschungel, der andere in der tiefsten Provinz. Die Schachgegner müssen sich also wohl oder übel auf ein Unentschieden einigen, auch wenn das bei dem Strategiespiel freilich selten der Fall ist.

Alexander Liedtke

Ein Blick auf die Region
Bei der Studie wurden auch die Lebensumstände in den Stadt- und Landkreisen der Region Heilbronn-Franken erhoben. Am besten schnitt der Main-Tauber-Kreis mit 183 Punkten ab. Er belegte damit Rang 65 (von 401) im Gesamtranking. Knapp dahinter liegt die Stadt Heilbronn mit 181 Punkten und Rang 75 insgesamt. Der Neckarstadt folgt der gleichnamige Landkreis mit 174 Punkten. Auf den Plätzen weiter hinten liegen damit der Hohenlohekreis (170 Punkte) und der Landkreis Schwäbisch Hall (168). Bemerkenswert am Hohenlohekreis ist der deutschlandweite Rang 19 im Bereich Arbeiten und Wohnen.