Stapeln und teilen

Die große Villa mit Wellnessbereich und Doppelgarage freistehend inmitten eines weitläufigen Gartens war und ist der Traum vieler Menschen. Die Realität sieht jedoch häufig anders aus. In der Großstadt sind ausladende freie Grundstücke eine Seltenheit. Und wer ein solches dennoch ergattern kann, muss dafür einen hohen Preis zahlen.

Die große Villa mit Wellnessbereich und Doppelgarage freistehend inmitten eines weitläufigen Gartens war und ist der Traum vieler Menschen. Die Realität sieht jedoch häufig anders aus. In der Großstadt sind ausladende freie Grundstücke eine Seltenheit. Und wer ein solches dennoch ergattern kann, muss dafür einen hohen Preis zahlen.

Auch die Baukosten steigen ständig: ein weiterer Grund zu überlegen, wie man das Wohnen auf kleinem Raum attraktiver und damit bezahlbarer machen kann. Denn groß muss nicht immer die bessere Lösung sein. Doch sind gerade für kleine und kompakte Räume pfiffige und kreative Ideen gefragt.

Hilfreich kann ein Blick nach Asien sein. Insbesondere in Japan trifft man auf ein ganz anderes Konzept des Wohnens. Privatsphäre wird hier meist nur durch optische Trennung geschaffen. Eine Tür, wie wir sie kennen, gibt es oft nicht. Die japanische Trennwand besteht aus einem Holzrahmen mit Papierfüllung. Man schiebt sie nach Bedarf auf oder zu und bekommt damit zum Beispiel einen separaten Schlafraum für die Nacht. Die Zimmer sind nur sehr sparsam möbliert, was die Flexibilität bei der Nutzung erhöht. Die ganze Familie wohnt hier in offenen Räumen, kann sich aber in nicht einsehbare Bereiche zurückziehen, die sich oft in abtrennbaren Nischen oder Ebenen befinden.

Interessant sind auch Konzepte aus Skandinavien. Im Zentrum des Hauses, seinem „Herz“, befindet sich ein großer Multifunktionsraum. Hier treffen sich die Nutzer zum Kochen, Essen und gegenseitigen Austausch. Davon abgetrennt und wesentlich kleiner dimensioniert sind Schlaf- und Kinderzimmer als private Bereiche, in die man sich ungestört zurückziehen kann.

Auch wenn in unserer Gesellschaft das Wohnen zwischen Papierwänden nicht zu den Gepflogenheiten gehört und viele mit einer großen offenen Küche nichts anfangen können, sind manche Bauherren gut beraten, eine gewisse Neugier auf alternative Konzepte und Kompromissbereitschaft mitzubringen. Denn wenn wenig Platz zur Verfügung steht, bietet das kompakte Wohnen gute Ansätze, um alle gewünschten Funktionen unterzubringen.

Raumhöhe nutzen

Wie lässt sich also wenig Platz optimal verwerten? Eine Möglichkeit ist, die Raumhöhe doppelt zu nutzen. Schlafräume können zum Beispiel auf einer Art Galerie verschwinden. Oft ist die volle Stehhöhe nicht unabdingbar, wenn nur ein Bett unterzubringen ist. Eine Lösung, die insbesondere bei Kindern gut ankommt, ist einen Teil ihres Zimmers nach oben zu verlagern. Hier lässt sich eine versteckte Spielecke oder kuschelige Schlafnische schaffen. Wer eine Altbauwohnung mit hohen Räumen besitzt, hat natürlich mehr Spielraum fürs Stapeln. Ein Arbeitsbereich oder eine Leseecke sind Möglichkeiten, den oberen Bereich des Raumes zu nutzen.

Besonderes Augenmerk legt der Planer auf den Zugang zu dieser oberen Ebene. Den Schlafbereich über eine Hühnerleiter zu erklimmen, ist nur etwas für sportliche Menschen und selbst für sie kann eine Verletzung schnell zum Problem werden. Sinnvoller sind speziell angefertigte Treppen, die sich auch beiseite schieben lassen. Oder man nutzt diese Treppe bewusst als Möbelstück. In den Stufen lassen sich Regale oder Schubladen einbauen, in denen Bücher, Geschirr oder der tägliche Krimskrams verschwindet.

Ein- und Ausklappen

Für Bauherren, die davor zurückschrecken Kochen, Essen, Arbeiten und Schlafen in einem Raum unterzubringen, bieten Schiebesysteme weitere Lösungsansätze. Ähnlich wie die japanische Papierwand kann eine etwas massivere Schiebetür zum Beispiel tagsüber das Schlafzimmer abschirmen und dafür ein Bücherregal oder eine Küchenzeile zum Wohnraum hin zeigen. Abends verschwindet das Regal oder die Küche und erlaubt den Zugang zum Schlafzimmer.

Möbel zum Aus- und Einklappen stellen eine weitere Möglichkeit dar, Räume flexibel zu nutzen. Das Bett kann tagsüber in den Schrank geklappt oder im doppelten Boden versenkt werden, wodurch zwei bis vier Quadratmeter Fläche gewonnen sind, die man eigentlich nur zum Schlafen braucht. Mit einer entsprechenden Klappvorrichtung lassen sich auch Ess- oder Schreibtisch in einem Schrank zum Verschwinden bringen.

Und schließlich können Sitzmöbel wertvollen Stauraum beinhalten. Eine im geschlossenen Zustand schöne Bank aus Holz bietet aufgeklappt Platz für Schuhe, Mützen, Bettwäsche, Handtücher und vieles mehr. Doch braucht es fürs kompakte Wohnen nicht nur pfiffige Stauräume, sondern auch ein gewisses Maß an Disziplin und Ordnungsliebe der Nutzer. Andernfalls wird es schnell chaotisch.

Auf sinnvolle Teilung achten

Privatsphäre ist wichtig – auch in kleinen Räumen. Wichtig ist, auf eine sinnvolle Teilung zu achten. Statt massive Wände einzuziehen, empfiehlt es sich verschiedene Bereiche mit Möbeln zu gliedern. Ein raumhohes Bücherregal kann die Wand zum Schlafbereich ersetzen. Mit einer Treppe lassen sich zwei verschiedene Bereiche wie Wohnen und Schlafen teilen.

Bei alledem bleiben Küche und Bad Fixpunkte im Grundriss. Sie lassen sich aber als Modul kompakt gestalten und somit als Raumteiler einsetzen. Eine solche Küchen- und Badkiste geschickt platziert, lässt den Rest der Wohnung offen für eine flexible Nutzung.

Ines Bohn

Zur Person
Ines Bohn studierte zunächst Architektur in Saarbrücken und Augsburg und sattelte dann ein Masterstudium in Denkmalpflege im englischen Newcastle upon Tyne auf. Heute arbeitet Bohn als freie Architektin in Stuttgart und Umgebung. Sie ist vor allem in puncto Bauen im Bestand, Umbau und Erweiterungen von Wohngebäuden aller Altersklassen tätig. Außerdem berät sie beim Kauf von Immobilien und prüft geplante Bausowie Umbaumaßnahmen. Bohn ist Mitglied der Architektenkammer Stuttgart.