
Die Gründungsbereitschaft in Baden-Württemberg ist hoch – ebenso wie die Verbundenheit mit der Region. Zu schaffen macht den Startups jedoch zunehmend die Finanzierung.
86 Prozent der Startup-Unternehmer würden wieder gründen, davon 70 Prozent am selben Standort. Ein klares Bekenntnis zum Standort Baden-Württemberg. Unter dem immer schwierigeren Zugang zu Fremdkapital leidet allerdings die Zufriedenheit mit dem Startup-Ökosystem im Südwesten, die im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozentpunkte auf 54 Prozent gesunken ist und damit leicht unter dem Bundesdurchschnitt mit 58 Prozent liegt. Zu diesem Ergebnis kommt der 11. Deutsche Startup Monitor (DSM), herausgegeben von Startup Verband und PwC Deutschland.
Die Stärke Baden-Württembergs: Startup-Förderung in der Fläche
„Die hohe Verbundenheit mit dem Standort ist sicherlich Ergebnis einer erfolgreichen Startup-Förderung in der Fläche. In Baden-Württemberg ist die Gründerszene sehr dezentral aufgestellt. Unser Bundesland hat zahlreiche kleinere Startup-Ökosysteme, die jeweils spezialisiert sind – Stuttgart beispielsweise auf Automotive, Karlsruhe auf Informations- und Kommunikationstechnologie, Tübingen auf MedTech oder Mannheim auf Life Science. Dadurch finden Gründerinnen und Gründer leicht ihre Ansprechpartner direkt vor Ort und sind ihrer regionalen Startup-Szene auf fast familiäre Weise eng verbunden“, erklärt Marcus Nickel, Leiter des PwC Standorts Stuttgart.
Kapitalbeschaffung zählt zu den größten Herausforderungen
Ausgesprochen unzufrieden sind die Startups in Baden-Württemberg mit dem Zugang zu Kapital und Investitionen. Lediglich 20 Prozent sind damit zufrieden – deutlich weniger als der ohnehin schon niedrige Bundesdurchschnitt von 33 Prozent. Die Kapitalbeschaffung zählt damit neben dem Vertrieb und der Produktentwicklung zu den Top-3-Herausforderungen, wie 43 Prozent der Befragten bestätigen. Die Suche nach Geldgebern hat dabei an Dringlichkeit gewonnen: Gegenüber dem Vorjahr ist der Wert um 13 Prozentpunkte gestiegen.
„Für Startups ist es angesichts der derzeitigen, wirtschaftlich eingetrübten Lage wesentlich schwieriger geworden, an Geld zu kommen. Investoren agieren spürbar zurückhaltender. Offenbar ziehen Startups aus Baden-Württemberg, die zwar enorm viel leisten, aber im Vergleich eher zurückhaltender kommunizieren und sich damit tendenziell auch schlechter verkaufen, nicht die internationalen Investoren an“, sagt Dr. Minkus Fischer, Ansprechpartner für Startups und Scaleups bei PwC in Stuttgart. „Deshalb rate ich jungen Unternehmerinnen und Unternehmern, ihre schwäbische Bescheidenheit aufzugeben und weit offensiver als bisher am Markt aufzutreten. Sie haben allen Grund dazu, selbstbewusst zu sein.“
Denn immerhin landen bei einem Ranking aus 2021 rund ein Fünftel der baden-württembergischen Startups geschafft unter den Top 50 Deutschlands.
Handlungsbedarf beim Thema Venture Capital
Der Bedarf an Kapital wächst aber auch, weil es in Baden-Württemberg viele reifere Startups gibt, die entsprechend höhere Beträge brauchen. Gerade beim Thema Venture Capital, das oft in späteren Stadien genutzt wird, klafft die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit aber weit auseinander: 27 Prozent der Startups wünschen sich Unterstützung durch Finanzinvestoren, aber nur zwölf Prozent haben sie erhalten. Etwas besser ist die Lage bei staatlichen Fördermitteln (50 versus 43 Prozent) und der Finanzierung durch Business Angels (27 versus 25 Prozent). „Wenn wir das regionale Ökosystem stärken wollen, muss sich die Finanzierungssituation verbessern – und zwar bei allen Finanzierungsarten. Ich sehe hier auch großes Potenzial bei der mittelständischen Wirtschaft – das ist eine Win-Win-Situation: Die Unternehmen profitieren von der Innovationskraft und technologischen Kompetenz der Startups, diese wiederum von der Kapitalkraft“, so Marcus Nickel.
Gute Zusammenarbeit mit Universitäten
Ein weiterer wichtiger Aspekt für Startups ist die Zusammenarbeit mit Universitäten und der Forschungstransfer. In diesen Punkten leistet das baden-württembergische Startup-Ökosystem aber schon jetzt gute Arbeit – 79 Prozent der Gründer bezeichnen sich damit als zufrieden. Damit liegt dieser Wert über dem bundesweiten Schnitt von 76 Prozent. Auffällig ist allerdings, dass in Baden-Württemberg nur 39 Prozent der Startups mit Hochschulunterstützung gegründet wurden, im Vergleich zu bundesweit 49 Prozent.
„Das Ergebnis hat mich überrascht. Schließlich hat Baden-Württemberg viele Hochschulen und renommierte Forschungseinrichtungen wie das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) oder die Universität Stuttgart. Da scheint noch mehr möglich zu sein. Denn wie wichtig wissenschaftliche Kooperationen sind, zeigt beispielsweise das erfolgreiche Heidelberger Startup Aleph Alpha, die deutsche Antwort auf ChatGPT, das mit der Fraunhofer-Gesellschaft kooperiert,“ so Daniel Mayr, Venture Deals Experte bei PwC in Stuttgart.
red.