Teamspirit ist, was zählt

In Heilbronn-Franken gibt es viele Cluster. Auch ein Ventilatorencluster gehört dazu. Doch wie läuft in den Betrieben die Ausbildung ab? Lernen die jungen Menschen überall dasselbe? Wir haben nachgefragt: bei den Ventilatorenherstellern Nicotra Gebhardt und Fima.

In den ersten Wochen und Monaten ist der Platz des Auszubildenden zum Industriekaufmann beziehungsweise zur Industriekauffrau vor allem neben dem berufserfahrenen Kollegen, und der Blick des jungen Azubis geht über dessen Schulter. So erzählt es Rolf Gronberg, Ausbilder beim Waldenburger Unternehmen Nicotra Gebhardt. Die Firma, die seit mehr als 50 Jahren Radialventilatoren herstellt, bildet derzeit acht Industriekaufleute aus. Die meisten sind Abiturienten, über 18 Jahre alt und möchten in der Regel nach der Ausbildung vom Betrieb übernommen werden.

Das macht Nicotra Gebhardt gerne, wenn die Noten stimmen. Doch bis das soweit ist, ist es ein weiter Weg: Der Auszubildende durchläuft in der Firma acht Abteilungen, wobei grundsätzlich in Unterabteilungen des Vertriebs begonnen wird. Einkauf und Angebotswesen sind hier die Themen, welche es für die Nachwuchsmitarbeiter zu lernen gilt.Die Ausbildung ist betreuungsintensiv. Wenn ein Azubi Fragen hat oder etwas Neues machen muss, steht ihm immer ein Mitarbeiter zur Seite. „Die ersten zwei Monate kann man eigentlich nur zuschauen“, sagt Gronberg, der nicht zuletzt deshalb darauf achtet, dass nie mehrere Azubis gleichzeitig in derselben Abteilung sind.

Aktiver kann ein Lehrling werden, wenn er im Wareneingang arbeitet, dort Ventilatoren einpackt und in das Computersystem einbucht. Natürlich gilt auch bei Gebhardt: Die Verantwortung wächst mit der Erfahrung. Entsprechend werden verantwortungsvollere Aufgaben nach dem ersten absolvierten Halbjahr übertragen: Das Erteilen von Auftragsbestätigungen und das Schreiben von Rechnungen gehören dann unter anderem zum Alltagsgeschäft des Lehrlings – natürlich mit Kontrolle durch die Kollegen. Auch im Einkauf ist eine Station geplant. „Dort lernt der Azubi, Versandpapiere zu schreiben und Büromaterial zu bestellen.“ Weitere Stationen seien das Rechnungswesen, die Personalabteilung, Fertigung-Steuerung-Planung und Disposition sowie Wareneingang und Lagerwesen. Azubis, die eine dreijährige Ausbildung absolvieren – Abiturienten können die Ausbildungszeit auf zweieinhalb Jahre verkürzen – kommen auch in die Abteilung Betriebsdurchlauf und Montage. Auch in die IT-Abteilung können sie ein paar Tage lang hineinschnuppern.

„Besonders interessant wird es für die Auszubildenden, wenn eine Projektarbeit ansteht. Zum Beispiel ein besonderer Auftrag“, schildert Gronberg. Eine Großbestellung von 1000 Ventilatoren sei beispielsweise so ein Projekt. „Hier kann der Azubi voll mit eingebunden werden.“ Doch bei aller Betreuung ist es manchmal auch gut und richtig, die Lehrlinge herauszufordern und mehr oder weniger ins kalte Wasser zu schmeißen – auch das kommt bei Nicotra Gebhardt vor. Allerdings ist das in der Regel eher der Ausnahmefall. „Wenn ein ausgelernter Kollege krank wird, besetzen wir seine Stelle mit einem Azubi. Dann kann er zeigen, was er schon gelernt hat.“

Mit dem Material vertraut werden

Bei der Firma Fima in Oberfischach wird Daniela Stump derzeit zur Industriekauffrau ausgebildet. Die 22-Jährige ist im zweiten Lehrjahr und sagt: „Diese Ausbildung war meine beste Entscheidung.“Angefangen hat sie in der Lehrwerkstatt – dort, wo eigentlich die gewerblich-technische Ausbildung beginnt. Sie zeigt zwei Metallteile: einen kleinen Gabelstapler und ein Mühle-Spiel. Das hat sie selbst angefertigt. Ziel ist es, die Auszubildenden mit dem Material, mit dem später gearbeitet wird, vertraut zu machen. „Metall und seinen Geruch muss man lieben“, sagt Ausbilder und Personalleiter Jürgen Kuczera.

Die Azubis bekommen Einblicke in die Montage, damit sie nachher wissen, wovon sie sprechen. Auch im Lager verbringen sie einige Wochen, buchen Artikel ein, platzieren sie und helfen bei der Qualitätssicherung. Dieser Ablauf hat noch ganz andere Vorteile, als allein die Gesamtzusammenhänge zu verstehen: Daniela Stump kennt so gut wie jeden Mitarbeiter. Nicht nur die, die im Büro, ihrem späteren Arbeitsplatz, sitzen. Und niemand solle denken, die Kaufleute hielten sich für etwas Besseres. Es gehe um „Teamspirit“.

Nach rund vier Monaten Einlernphase kommen die Fima-Auszubildenden dann ins Büro. Der Bereich Einkauf ist dabei ihre erste Station. Sie schreiben Bestellungen, Auftragsbestätigungen, Rechnungen. Helfen können ihnen nicht nur die Kollegen, sondern auch ein Ordner, der ihnen Schritt für Schritt die Anfertigung der Dokumente erklärt. Anschließend geht es in die Buchhaltung. Hier kann die 22-Jährige ihr Fachwissen aus der Berufsschule anwenden. Allerdings bleibt es in dieser Abteilung mehr bei einem zweiwöchigen Reinschnuppern. Kurze Einblicke bekommt sie auch in die Konstruktion sowie ins Personalbüro. Sie kann in jeder Abteilung schnell mitarbeiten, statt nur zuzuschauen. „Sie ist in der Zeiterfassung besser als ich“, sagt ihr Personalchef.

Bis zum Ende der regulär dreijährigen Ausbildung geht es noch in die Produktion, den Vertrieb und in den Einkauf.Stump ist derzeit die einzige Auszubildende zur Industriekauffrau. Sie wird nach ihrer Lehre im Betrieb bleiben, schließlich war es „ihre beste Entscheidung“.

Sonja Alexa Schmitz