Tecnaro-Gründer Jürgen Pfitzer fordert in seinem Gastkommentar im PROMAGAZIN: Deutschland muss die „Ökologische Transformation“ forcieren, statt sie zu bremsen – und könnte mit grünen Technologien zurück zu alter Stärke finden.

In Kürze sind Neuwahlen. Und damit beginnt die Lobbyarbeit der Verbände und Traditionalisten, die sich an einer, wie sie sagen, auf „Biegen und Brechen“ angelegten „Ökologischen Transformation“ abarbeiten. Ich tendiere jedoch bei wichtigen Themen wie Nachhaltigkeit und Ökologischer Transformation eher zu „Biegen und Brechen“ als zum Nichtstun.
Als „Nachhaltigkeit auf Biegen und Brechen“ empfinden es ohnehin meist nur diejenigen, die die Zeichen der Zeit in den vergangenen 30 Jahren ausgeblendet haben. Und das sind nicht unsere umsichtigen Familienunternehmen, die in Generationen planen und nicht Quartalsabschlüssen hinterher hecheln. Ich denke, alle demokratischen Parteien unterscheiden sich im Kern nur beim Tempo in der Umsetzung der überlebenswichtigen Ökologischen Transformation. Denn eigentlich kann sich niemand diesem Thema entziehen.
Grüne Technologien nicht länger ausbremsen
Natürlich verstehe ich die Bedenken zur möglichen Schuldenfinanzierung. Aber wir dürfen das langfristige Potenzial grüner Technologien nicht aus den Augen verlieren. Hätten wir in Deutschland die Entwicklung von grünen Technologien nicht ständig ausgebremst, könnten wir heute weltweit führend sein, insbesondere in so bedeutenden Bereichen wie erneuerbaren Energien, Elektromobilität, Kreislaufwirtschaft – die wir im Übrigen allesamt maßgeblich in Deutschland und Europa erfunden und zur Serienreife entwickelt haben. Diese hochinnovativen grünen Technologien bieten sowohl ökologische als auch enorme wirtschaftliche Chancen. Statt immer wieder zu zögern, könnten wir mit konsequenten Investitionen Arbeitsplätze schaffen und unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken. Mögliche Schulden würden sich mit Sicherheit kurz-, mittel- und langfristig auszahlen und nachfolgenden Generationen, aber auch der ganzen Welt eine gute Zukunft bieten. Während in Europa hochinnovative grüne Technologien entstehen, werden sie bei uns oft durch Lobbyarbeit gefährdet und – je nachdem, wer gerade regiert – politisch blockiert.
Stattdessen setzt China genau diese brachliegenden Ideen und Entwicklungen entschlossen um und hat sich, wie in anderen Bereichen auch, in der Produktion von Elektroautos, Batterien und Solartechnologie als Weltmarktführer etabliert. Wir sollten uns fragen, ob wir in Europa nicht schneller und entschlossener voranschreiten müssen. Wenn man die tatsächlichen Kosten berücksichtigt, die durch Nichtstun entstehen – Klimaerwärmung, Umweltverschmutzung, Ressourcenvernichtung, Gesundheitskosten und viele andere Folgeschäden – wären die Investitionen in nachhaltige Technologien ohnehin längst bezahlt. Es geht außerdem darum, die sich potenzierenden verheerenden Kosten für die Gesellschaft und die nächsten Generationen zu vermeiden. Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Investition in die Zukunft, sondern auch ein ökonomischer Imperativ.
Übergeordnete langfristige Strategie für Deutschland
Meiner Meinung nach benötigen wir in Deutschland neben unseren bewährten Legislaturperioden dringend eine übergeordnete langfristige Strategie, im besten Fall über 30 Jahre, die für die Politik bindend ist. Damit hätten Industrie, Forschungseinrichtungen und die Bevölkerung eine verlässliche, planbare Basis. Dann erobern wir uns mit zukunftsfähigen Themen Märkte zurück und bereichern die Welt mit Zukunftstechnologien made in Germany.
Jürgen Pfitzer
Zur Person
Jürgen Pfitzer gründete gemeinsam mit Dipl. Ing. Helmut Nägele 1998 die Tecnaro GmbH aus dem Fraunhofer Institut für Chemische Technologie aus. Das Unternehmen mit Sitz in Ilsfeld gehört heute zu den weltweit führenden der Biokunststoffbranche und wurde mehrfach ausgezeichnet.