Trend zum Urlaub auf dem Land

Beim Wandern in den Weinbergen kann man die Aussicht über Heilbronn genießen. Foto: TMBW Duepper

Pandemie und Lockdowns haben die Tourismusbranche in den vergangenen Jahren vor große Herausforderungen gestellt. Doch Krisen bieten auch Chancen. Das Interesse an Urlaub im eigenen Land ist gestiegen, wie Andreas Braun von der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg erklärt.

Nach mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie, nach vielen Lockdowns und massiven Einschränkungen für unsere Betriebe und Leistungsträger hat der Tourismus in Baden-Württemberg nun endlich wieder Fahrt aufgenommen. Auch in Heilbronn-Franken erfreuen sich Gäste wieder an der ganzen Breite des touristischen Spektrums, an pittoresken Altstädten, idyllischen Landschaften, Schlössern und Burgen und dem vielfältigen kulinarischen Angebot. Gleichwohl ist die Welt in den letzten Wochen und Monaten nicht einfacher geworden. Es sind zahlreiche weitere Krisen hinzugekommen, die auch den Tourismus unmittelbar betreffen. Die Tourismusbranche wird sich darauf einstellen müssen, ihre Konzepte und Zielgruppen zu überdenken. Und sie wird bereit sein müssen, sich laufend an die gewandelte Weltlage anzupassen.

Bei allen Herausforderungen überwiegen jedoch immer noch die Chancen, die der Tourismus für unser Land, insbesondere aber auch für die Region Heilbronn-Franken mit sich bringt. Denn auch das haben die beiden letzten Jahre gezeigt: Der Urlaub im eigenen Land hat wieder massiv an Bedeutung hinzugewonnen; und es sind vor allem ländlich geprägte Destinationen, die von dieser gewandelten Nachfrage profitieren.

Das alles sind nicht nur subjektive Beobachtungen. Neue Daten aus der Tourismusforschung belegen diesen Trend. Das Interesse der Deutschen an einem Urlaub auf dem Land hat zuletzt deutlich zugelegt. Laut der renommierten Studie „Destination Brand 21“ interessieren sich inzwischen 40 Prozent für diese Urlaubsform. Das ist ein deutliches Plus gegenüber der letzten Erhebung, die noch vor der Pandemie durchgeführt wurde. Doch nicht nur das Interesse ist hoch. Baden-Württemberg hat die allerbesten Voraussetzungen, von diesem Trend besser als andere profitieren zu können. Denn uns spricht man auch eine besondere Kompetenz für einen gelungenen Landurlaub zu. Über 70 Prozent bezeichnen Baden-Württemberg für diese Urlaubsart als geeignet. Damit liegen wir deutschlandweit auf Platz 1 aller 14 untersuchten Destinationen.

Ähnlich erfreulich sieht es aus, wenn wir uns die beliebtesten Urlaubsaktivitäten auf dem Land anschauen, die Themen Wandern und Radfahren. Das Interesse an diesen beiden Themen ist riesig. Laut der genannten Studie haben 46 Prozent der Deutschen im Urlaub Interesse am Wandern, beim Radfahren ist es mit 33 Prozent genau ein Drittel. Das Fahrrad gehört zweifelsfrei zu den wenigen Gewinnern der Corona-Pandemie.

Wer sich heute ein neues Rad zulegen möchte, muss sich mitunter auf lange Wartezeiten einstellen, denn die Nachfrage ist enorm. Immer mehr Menschen nutzen das Rad mittlerweile als Transportmittel im Alltag, auf dem Weg zur Arbeit oder zum Wocheneinkauf. Doch auch in der Freizeit liegen Radausflüge und Radreisen stark im Trend. Die Anzahl klassischer Radreisen ist coronabedingt zwar zunächst ebenfalls eingebrochen, aber Ausflüge mit dem Rad haben laut der Radreiseanalyse des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) 2020 um rund 40 Prozent zugelegt.

Um diesen Anforderungen zu genügen, haben wir uns in Baden-Württemberg auf den Weg gemacht, die Qualität des Angebots weiter auszuweiten und noch mehr Routen nach den Anforderungen des ADFC zu zertifizieren. Mit der erfolgreichen Qualitätsoffensive der Landesradfernwege sind wir entscheidende Schritte vorangekommen, um das in der Radstrategie Baden-Württembergs definierte Ziel, Deutschlands Radreiseregion Nummer 1 zu werden, auch zu erreichen. Dabei spielen die Angebote im nördlichen Baden-Württemberg – von der Route „Liebliches Taubertal – der Klassiker“ bis zum Württemberger Weinradweg – eine herausragende Rolle.

Neben diesem aktuellen Beispiel des Radtourismus eröffnen sich für die Region auch in vielen anderen Urlaubssegmenten neue Perspektiven. Dabei gilt jedoch immer: Ein erfolgreicher Tourismus ist kein Selbstläufer. Wir dürfen nicht damit aufhören, in die Qualität unserer touristischen Angebote zu investieren. Auch und gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen. Der Tourismus ist eine freiwillige Leistung der öffentlichen Hand.

Doch er ist eine Leistung, die sich in vielerlei Hinsicht lohnt. Jeder Euro, der in die touristische Infrastruktur investiert wird, rechnet sich. Zum einen, weil Urlaubsgäste vor Ort Geld ausgeben und damit ganz konkret die Wirtschaft ankurbeln. Zum anderen, weil eine gute touristische Infrastruktur den Standort insgesamt attraktiver macht. Auch für die Einheimischen oder für künftige Fachkräfte, die erst noch angeworben werden sollen.

Zum Schluss noch ein letzter Punkt, ohne den es im Tourismus künftig nicht mehr gehen wird: Die Branche lebt von einer engen, grenzübergreifenden Zusammenarbeit. Jede Form von Kirchturmdenken sollte längst der Vergangenheit angehören. Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass in diesem Jahr ein neuer Destinationsbildungsprozess für das nördliche Baden-Württemberg begonnen hat. In diesem Prozess liegt eine große Chance für den gesamten Norden unseres Bundeslandes, gerade auch für die Urlaubsregion Heilbronn-Franken.

Andreas Braun

 

Zum Autor:

Andreas Braun ist Geschäftsführer der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW).