Tür ist immer offen

Je größer ein Unternehmen, desto schwieriger wird es für den Chef, zu allen Mitarbeitern eine Beziehung aufzubauen. Versuchen kann man es dennoch – so wie Peter Fenkl von der Firma Ziehl-Abegg.

Wer öfter mal durch die TV-Kanäle zappt, kommt an Reality-Formaten nicht vorbei. Dazu gehört auch „Undercover Boss“, bei dem sich ein Chef verkleidet in seinen Betrieb schmuggelt und das Unternehmen aus der Perspektive seiner Angestellten kennenlernt. Ein Thema, das nicht nur Fernsehzuschauer beschäftigt. Denn während bei Familienbetrieben sowie Kleinunternehmen die Vorgesetzten und Angestellten sich meist regelmäßig begegnen, wird es bei größeren Firmen schwierig, einen engen Kontakt zu den Mitarbeitern zu pflegen.

Peter Fenkl, Vorstandsvorsitzender von Ziehl-Abegg SE mit Hauptsitz in Künzelsau, kennt das. „Man nimmt sich viel vor und stellt doch häufig fest, dass einem auch als Chef oft die Hände gebunden sind und man nicht so kann, wie man gerne möchte“, beschreibt er das Gefühl, Vorgesetzter eines großen Unternehmens zu sein. „Grundsätzlich würde ich sagen, dass je kleiner das Unternehmen ist, desto näher ist man naturgemäß an der Basis. Wenn ich also durch eine Werkstatt mit fünf Mitarbeitern gehe, kann ich leicht jedem die Hand schütteln und mich nach dem Befinden erkundigen. Gehe ich durch eine Fabrik mit 5.000 Mitarbeitern, wird dies eine deutlich größere Herausforderung.“

Dennoch hat er den Anspruch, über das Leben seiner Angestellten Bescheid zu wissen, solange es nicht zu privat ist, erzählt er. „In meinem direkten Umfeld geht das auch ganz gut. Allerdings stoße ich bei mehr als 3.500 Mitarbeitern weltweit alleine durch die große Anzahl an die Grenzen des Machbaren.“

Generell legt Fenkl großen Wert auf Kontakt zur Belegschaft. „Ich pflege ein Verhältnis mit jederzeit ‚offener Tür‘“, sagt er. „Mit anderen Worten: Ich setze auf Teamwork, wobei Diskussionen offen und bei Bedarf auch kontrovers geführt werden dürfen.“ Um auf dem Laufenden zu bleiben, was die Mitarbeiter beschäftigt, setzt er auf informelle, aber auch formelle Kommunikation. „Mit dem echten Interesse an dem Wohlbefinden der Mitarbeiter erhält man doch einige Informationen“, erzählt der Vorstandsvorsitzende. „Auch die Betriebsräte nutzen meine ‚offene Tür‘, sodass ich auch in diesen Gesprächen erfahre, was die Mitarbeiter bewegt.“

Peter Fenkl kennt die Sendung „Undercover Boss“. „Wenn man sich als Vorgesetzter zu weit von der Basis entfernt, dann muss man unter Umständen zu ungewöhnlichen Mitteln greifen – das erklärt für mich die Teilnahme von Chefs an solchen Aktionen“, gibt er zu bedenken. „Soweit es mir möglich ist, nehme ich über alle Hierarchieebenen hinweg Kontakt zu den Kollegen auf. Bei zahlreichen Auslandsreisen bekomme ich auch vielfältige Eindrücke der eigenen globalen Organisation sowie der Kundenbedürfnisse.“ Der Anspruch, umfassend und detailliert über alles, was im Unternehmen passiert, informiert zu sein, sei allerdings angesichts der Größe des Unternehmens nicht haltbar.

Regelmäßige Treffen, bei denen Vorgesetzte und Angestellte zusammenkommen, gibt es bei Ziehl-Abegg in vielfältiger Form. „Nicht zuletzt auch, weil wir viele interdisziplinäre Gesprächsrunden haben, in denen Mitarbeiter aus allen Bereichen und Hierarchieebenen zusammentreffen“, schildert Fenkl. „Wir setzen aber auch auf Feste und Feierlichkeiten. Wer viel arbeitet, sollte auch mal feiern dürfen.“ Zudem werden in den Betriebssportgruppen Abteilungsleiter und Mitarbeiter vereint.

An seiner Position schätzt der Vorstandsvorsitzende die Herausforderung, mit der Vielfalt der täglichen Themen aus Markt, Technik, Wirtschaft und Personal unter Berücksichtigung der unterschiedlichen globalen Kulturen und Rahmenbedingungen umgehen zu dürfen. „Das ist sowohl spannend als auch extrem befriedigend“, verrät er. „Frustrierend ist, wenn man erkennen muss, dass die vorgenommenen Ziele manchmal auch mit hohem persönlichen Einsatz nicht erreichbar sind. Zudem ist die Zeit für die Familie sehr eingeschränkt.“

Tanja Capuana