Die Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen ist ein großer Veränderungsschritt, der mit Unsicherheiten verbunden ist. Tipps, wie der Wechsel an der Führungsspitze reibungslos gestaltet werden kann, gibt Professorin Nadine Kammerlander.
Mit mehr als 80 Prozent aller Unternehmen stellen Familienunternehmen die – wenngleich oft wenig sichtbare – Mehrheit unserer Firmenlandschaft dar. Für die nächste Generation stellt sich die Frage: „Soll, kann und will ich in die Fußstapfen der Eltern treten und das Unternehmen übernehmen?“
In Zeiten von internationaler Ausbildung, vielfältigen Optionen und hoher Selbstbestimmtheit fällt die Antwort auf diese Frage schwerer als noch vor einigen Jahrzehnten. Oft wird das Thema Nachfolge von sowohl der Senior- als auch der Juniorgeneration daher als problematische Herausforderung gesehen.
Dabei ergeben sich durch die Nachfolge besondere Chancen – insbesondere was die Erneuerung des Unternehmens betrifft. Familienunternehmen stehen vor einem Dilemma: In den vergangenen Jahrzehnten haben sich diese Unternehmen durch erfolgreiche Prozess- und Produktinnovationen ausgezeichnet; doch radikaler Wandel stellt sie vor große Probleme: Insbesondere was die Digitalisierung und die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit betrifft, handelten und handeln viele Familienunternehmen nicht schnell und intensiv genug.
Neue Freiheiten
Die Gründe dafür sind vielfältig: Routinen, die sich eingeschlichen haben; emotionale Verbundenheit zum bestehenden Geschäftsmodell; ein starres und enges Netzwerk. Doch das ist kein Grund, den Untergang der deutschen Familienunternehmen vorherzusehen.
Unzählige Beispiele aus unterschiedlichsten Industrien – vom Einzelhandel bis hin zum produzierenden Industrieunternehmen – haben gezeigt: Wenn die nächste Generation einsteigt, wird oft die Zukunft eingeleitet. Die sogenannten Next Gens erarbeiten Strategien für die digitale oder ökologische Transformation; sie führen anders – mehr partizipativ als patriarchalisch; sie sind offener für neue Arbeitszeitmodelle und sie stellen lang bestehende Grundsätze (zum Beispiel „Wir nehmen kein Fremdkapital auf“) in Frage.
Natürlich geht das nicht ohne Reibung ab: Oft kommt es zu Konflikten bis „alte“ und „moderne“ Kultur im Bestfall zu einer gemeinsamen, neuen Firmenkultur werden. Nicht alle Mitarbeitenden und Führungskräfte stehen dem Wandel positiv gegenüber und häufig kommt es auch hier zu Wechseln und Veränderungen.
Dennoch, so berichten es viele Next Gens, lohnt sich der Aufwand, den Wandel mit der Übernahme voranzutreiben: Nicht nur das Unternehmen wird „fit for the future“ – auch für die neuen Firmenchefinnen und Firmenchefs wird dadurch die Nachfolge attraktiver: Sie haben die Möglichkeit ein bestehendes Unternehmen nach ihren Ideen und Vorstellungen weiterzuentwickeln – mit Freiheiten, die es sonst im Berufsleben selten gibt.
Offen diskutieren
Nun stellt sich die Gretchenfrage: Wie muss die Nachfolge gestaltet sein, so dass Wandel gelingt? Erstens, es braucht eine gute Vorbereitung innerhalb der Familie. Ein abgestimmter Zeitplan ist wichtig: Wann soll welcher Verantwortungsbereich übergeben werden? Hier gibt es viele Ausgestaltungsmöglichkeiten – welche die beste ist hängt von Familie und Unternehmen ab. Oft ist es hilfreich, wenn die Next Gens vorher außerhalb des Unternehmens Erfahrung sammeln – beispielsweise im selbst gegründeten Startup.
Die Verantwortungsübergabe erfolgt häufig gestaffelt – von der Leitung einer Abteilung (zum Beispiel der Innovationsabteilung) hin zu mehr und schließlich alleiniger Verantwortung. Wichtig ist hierbei, dass der Zeitplan von allen akzeptiert und eingehalten wird. Dabei ist auch die offene Diskussion notwendig, welche Werte das Unternehmen verkörpert – und welche nicht.
Zweitens, die Nachfolge muss sichtbar stattfinden: Das Chef-Büro muss an die Nachfolgegeneration übergehen; die Seniorgeneration sollte die Nachfolge in einem „all staff“-Meeting verkünden und zelebrieren. Drittens, es braucht einen Plan für die Zeit nach der Nachfolge – vor allem für die Seniorgeneration. Zu oft passiert es, dass die Senioren sich auch weiterhin in die Unternehmensführung einmischen.
Hier hilft es, in der Familie gemeinsam Pläne zu machen (zum Beispiel Weltreise, neues Hobby, gesellschaftliches Engagement) – und klare Regeln aufzusetzen, wann und wie die Senioren im Unternehmen „aktiv“ sein dürfen: Im besten Fall genau dann, wenn die Next Gens sie als Mentoren um Rat fragen möchten.
Die Autorin: Prof. Nadine Kammerlander ist Leiterin des Instituts für Familienunternehmen an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar (Rheinland-Pfalz).