Projekt Transformotive unterstützt im Strukturwandel

Austausch fördern: Das neue Projekt soll Unternehmen, Hochschulen und weitere Institutionen vernetzen. Foto: Adobe Stock/vegefox.com

Das Bündnis für Transformation bekommt mehr Schub. Der Bund hat Fördermittel für das Projekt „Transformotive“ bewilligt. Rudolf Luz von der Bürgerinitiative pro Region erläutert, wie die Gelder der Automobilzulieferindustrie in Heilbronn-Franken zugute kommen.

Für „Transformotive“ fließen 12 Millionen Euro Fördermittel in die Region. Wie sollen die Mittel eingesetzt werden?

Rudolf Luz: Das Geld dient dazu, Strukturen für ein regionales Transformationsnetzwerk aufzubauen, das alle Akteure vor Ort einbindet. Die Projektträger, die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken (WHF) und die Wirtschaftsförderung Raum Heilbronn (WFG), haben nun die Mittel, Personal für Projektmanagement, Kommunikation und Netzwerkbetreuung bereitzustellen. Ziel ist, den Strukturwandel der Automobilindustrie und ihrer Zulieferer zu begleiten. Im Fokus stehen Unterstützungsangebote für kleine und mittlere Unternehmen. Es freut mich, dass der Impuls, den das Bündnis für Transformation gegeben hat, nun konkrete Formen annimmt.

Wie sehen die nächsten Schritte aus?

Luz: Es muss gelingen, über das Projekt in einen engen Kontakt mit den Unternehmen zu gelangen und Netzwerke aufzubauen. Das ist die Hauptaufgabe. Wir wollen den Austausch und die Kooperation der Unternehmen untereinander fördern. Dabei geht es auch um Vernetzung mit den Hochschulen der Region, um Innovationen zu fördern, sowie um eine Vernetzung mit Weiterbildungsträgern und Institutionen wie der Agentur für Arbeit, wenn es um Fragen der Qualifizierung von Fachkräften geht. In einer Analysephase muss herausgearbeitet werden, wo die Unternehmen stehen und welchen Unterstützungsbedarf sie haben. Dabei geht es auch um Fragen, welche Veränderungen in den Unternehmen notwendig sind, um zukunftsfähige Geschäftsmodelle aufzubauen, wenn Verbrennertechnologie der Vergangenheit angehört.

Geht es dabei auch um direkte finanzielle Unterstützung der Unternehmen?

Luz: Nein. Wir dürfen über dieses Projekt die Unternehmen nicht direkt unterstützen. Das lässt der Förderrahmen nicht zu. Wir können nur indirekt unterstützen, indem wir über Vernetzung und Kooperation sicherstellen, dass die Unternehmen passgenaue Angebote erhalten. Uns ist daher wichtig, dass eine enge Kooperation der regionalen Akteure entsteht, in die die Kammern, die Agentur für Arbeit und die Hochschulen eingebunden sind, damit auch sie ihren Beitrag leisten und Angebote entwickeln können. Auf der anderen Seite müssen die Unternehmen formulieren, welchen konkreten Bedarf an Unterstützung sie haben. Die Finanzierung der Transformation im Unternehmen ist Sache der Unternehmen selbst. Die Projektträger WHF und WFG können als Vermittler dienen und auf passende Angebote verweisen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Luz: Die TU München bietet am Campus Heilbronn für Führungskräfte den Ausbildungslehrgang „Unternehmen in der Transformation“ an. Es ist an den Unternehmen, zu entscheiden, ob sie ihre Führungskräfte entsprechend qualifizieren wollen, damit sie Methoden kennenlernen, wie das eigene
Geschäftsmodell hinterfragt und weiterentwickelt werden kann. Anschließend können Unternehmen selbst ermitteln, welcher externe Unter-
stützungsbedarf für die Umsetzung erforderlich ist.

Würden aus dem Topf vergleichbare Weiterbildungsprogramme finanziert werden?

Luz: Wir können daran mitarbeiten, dass passgenaue Qualifizierungsprogramme entwickelt werden. Große Player wie Audi können ihre Aus- und Weiterbildung selbst organisieren, aber kleine und mittlere Unternehmen der Zulieferindustrie brauchen Unterstützung. Oft geht es in diesen Firmen nur um eine Person, die in bestimmten Bereichen, etwa Logistik, qualifiziert werden muss. Daher sind Angebote erforderlich, auf die mehrere kleine Firmen zugreifen können. Diese Maßnahmen und die damit verbundenen Lehrgangskosten zu finanzieren, kann das Projekt „Transformotive“ jedoch nicht tragen. Das wäre mit eine Aufgabe für die Agentur für Arbeit. Die hat da wesentlich mehr Mittel, beispielsweise über das Qualifizierungschancengesetz. Doch laut Agentur werden diese Mittel kaum abgerufen, da die Nachfrage gering ist. Das ist das Problem, da müssen wir ansetzen.

Ist den Unternehmen die Dringlichkeit nicht bewusst?

Luz: Unterschiedlich. Die großen Unternehmen sind schon relativ weit und haben Strategien für die Zukunft entwickelt. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen ist durchaus Problembewusstsein vorhanden, aber sie sind durch die aktuelle Lage – Coronapandemie, Energiekrise, Lieferkettenprobleme – in ihrem Tagesgeschäft enorm gefordert. Sie haben die Zukunftsfragen im Blick, aber wissen oft nicht, damit umzugehen. Das ist eine kritische Situation. Vielen fehlen einfach die Ressourcen, in die Veränderung zu
gehen.

Mit welchen Konsequenzen?

Luz: Das kann durchaus bedeuten, dass manche sagen, es gibt keine Perspektive, es droht die Schließung. Dann hätten wir eine Deindustrialisierung mit fatalen Folgen für die Region. Unser Wohlstand beruht zu großen Teilen auf dem hohen Anteil an produzierendem Gewerbe. Unser Ziel muss daher sein, die industriellen Kerne im Wesentlichen zu erhalten. Es hilft uns aber nicht, an etwas festzuhalten, was nicht zu halten ist, sprich: der Verbrennertechnologie. In der Transformation müssen die Unternehmen daher schauen, ob sie Produkte im Bereich Elektromobilität finden können, die künftig weiterhin gebraucht werden. Das kann auch bedeuten, sich vom Automobilsektor zu lösen und ganz neue Bereiche zu erschließen. Chancen könnte beispielsweise die Wasserstofftechnologie bieten, die nicht nur im Mobilitätssektor vielversprechend ist. Derzeit stellen wir auch einen hohen Bedarf an Fachkräften fest in der Klima- und Heizungstechnik, Stichwort Wärmepumpe. Dort werden ebenfalls Dichtungen, Ventile und Ähnliches benötigt. Zulieferer könnten statt fürs Auto eventuell für andere Bereiche produzieren. Zudem sucht das Handwerk nach qualifizierten Fachkräften.

Könnten also auch weitere Branchen von „Transformotive“ profitieren?

Luz: Ein verengter Ansatz wäre aus meiner Sicht falsch. Wir müssen die Gesamtentwicklung in der Region in den Blick nehmen – natürlich unter der Zielsetzung, dass das produzierende Gewerbe für uns ein wichtiger Faktor für Wohlstand bleiben muss. Daher müssen wir innovative Alternativen finden. Und da mit Sicherheit Arbeitsplätze, die am Verbrenner hängen, wegbrechen werden, müssen wir auch den Menschen eine Perspektive geben.

Ziel ist also auch, freiwerdende Fachkräfte in der Region zu halten?

Luz: Ja, denn der Fachkräftemangel ist ein Riesenthema. Es wäre falsch, gut ausgebildete Leute einfach abwandern zu lassen. Doch damit sie bleiben, brauchen sie eine Perspektive. Darum sind Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote unverzichtbar. Fachkräfte benötigen aber eine klare Orientierung und eine Zukunftsperspektive. Niemand wird sich ins Ungewisse umschulen lassen. Aber noch einmal: Auch die Unternehmen müssen schauen, wie sie resilienter werden können, denn wir leben in unsicheren Zeiten. Sie sollten also danach trachten, nicht einfach nur das konventionelle Geschäft weiterzuführen, sondern sich weitere Felder erschließen, zusätzliche Standbeine aufbauen und dafür auch die Ressourcen bereitstellen. Das ist alles andere als trivial. Darum ist es jetzt auch so wichtig, die ersten Schritte zu gehen und eine enge Vernetzung der Akteure in punkto Innovation, Qualifizierung und Geschäftsmodellentwickung zu etablieren. Das Projekt hat als wesentlichen Inhalt, die dafür nötigen Strukturen aufzubauen und sich auch über das Projektende 2025 hinaus zu institutionalisieren. Ich sehe darin auch eine zentrale Frage, wie Wirtschaftsförderung in der Region in Zukunft aufgestellt sein muss. Wichtig wäre aus meiner Sicht, dass sich alle Akteure einbringen. Ich denke, wir können nur gemeinsam den Anforderungen der Transformation begegnen. Ich sehe eine große Chance in diesem Projekt.

Interview: Dirk Täuber

 

zur Person:

Dr. Rudolf Luz war im IG Metall Vorstand tätig, ist zweiter Vorsitzender der Bürgerinitiative pro Region Heilbronn-Franken
e. V. sowie stellvertretender Koordinator im Bündnis für Transformation.