Veränderer und Innovatoren

Dass Stiftungen für unsere Gesellschaft wichtig sind, ist unbestritten. Aber welche Rolle sie tatsächlich einnehmen und was es heißen würde, wenn es sie nicht gäbe, erklärt Michael Göring im Interview mit dem PROMAGAZIN.

Herr Göring, welche Rolle nehmen Stiftungen, die meistens ein gemeinnütziges Ziel verfolgen, ganz allgemein in unserer Gesellschaft ein?

Göring: Stiftungen sind ein besonderer Teil unserer Gesellschaft. Sie sind Gemeinwohlakteure, Veränderer und Innovatoren. Sie haben den Vorteil, langfristig zu planen und auch in dieser Weise wirken zu können. Anders als die Politik müssen sie nicht kurzfristige Effekte erreichen, sie sind unabhängig von Legislaturperioden. Stiftungen können und wollen aber nicht die Basisversorgung übernehmen. Aber sie schaffen an vielen Stellen einen wunderbaren Mehrwert. Ein Beispiel: Wenn ein Kind schwer krank wird, verläuft die Behandlung über das Gesundheitssystem. Stiftungen wirken hier indirekt: Sie fördern zum Beispiel Forschung und neue Behandlungsmöglichkeiten. Sie geben Angehörigen die Möglichkeit, nahe bei ihren Kindern zu leben. Sie finanzieren Trostspender, zum Beispiel Ausflüge. Stiftungen machen die Gesellschaft lebenswerter.

Vor welchen Herausforderungen stünde unsere Gesellschaft, wenn es keine Stiftungen gäbe, die sich für gemeinnützige Zwecke einsetzen?

Göring: Das Engagement der Stiftungen lässt sich in den gesamten gemeinnützigen Sektor einordnen. Was wäre, wenn es Vereine, Initiativen oder lokale Projekte nicht gäbe? Ich glaube, dass die Menschen in Deutschland eine geringere Lebensqualität hätten. Staat und Politik stünden vor Aufgaben, die einfach nicht allein zu bewerkstelligen wären. Ganz aktuell sehen wir das in der Situation der Flüchtlinge in Deutschland. Ohne das freiwillige Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger ganz lokal vor Ort wäre die Situation noch herausfordernder als sie jetzt schon ist. Stiftungen spielen hierbei auch eine Rolle; durch finanzielle Unterstützung, aber auch als Plattform für Helfende.

Welche Stiftungen liegen Ihnen besonders am Herzen?

Göring: Mir liegt der Stiftungsgedanke an sich am Herzen. Gerade weil die Wirkungsmöglichkeiten so vielfältig sind, freue ich mich über jede Stiftung. Es gibt Stiftungen, die Kindergärten mit Büchern ausstatten. Es gibt Stiftungen, die Deutschkenntnisse von Schülerinnen mit Migrationshintergrund fördern. Es gibt Stiftungen, die begabten Studenten Stipendien zur Verfügung stellen. Letztlich steht am Ende immer ein glücklicherer Mensch.

Gibt es einige Bereiche, in denen noch Unterstützung durch Stiftungen fehlt oder noch nicht ausreichend vorhanden ist?

Göring: Als Verband sind wir darauf bedacht, Entwicklungsmöglichkeiten zu identifizieren. Wenn Sie die Förderung von Kindern in den Blick nehmen: Viele Programme für Eltern zielen auf die Beziehung zwischen Mutter und Kind. Väter werden da in der Regel nur „mitbedacht“. Stiftungen könnten hier ihren Fokus erweitern, gerade weil Männer heutzutage auch viel mehr erziehen wollen. Viel Potenzial sehe ich auch in der kommunalen Jugendhilfe. Es gibt einen großen Bedarf zum Beispiel in der Straßensozialarbeit für sogenannte „entkoppelte Jugendliche“, um die wir uns unbedingt kümmern müssen.

Welche Entwicklungen wünschen Sie sich für die Zukunft?

Göring: Ich wünsche mir, dass Stiftungen weiterhin so erfolgreich für die Gesellschaft Gutes tun, wie sie es in den vergangenen Jahrhunderten getan haben, jede auf ihre individuelle Weise. Dazu gehört, dass der Stiftergedanke weiter in die Öffentlichkeit rückt. Schon jetzt begrüßen es über 90 Prozent der Deutschen, dass jemand stiftet. Dies hat die sogenannte Stifterstudie zu Tage gebracht. Hilfreich wäre es auch, die Rechte des Stifters zu stärken. Bislang kann ein Stifter in der Regel nicht den Zweck seiner Stiftung ändern, wenn sie einmal gegründet ist. Aber hier stehen ohnehin gesetzliche Reformen an und kommen diese, schaue ich sehr optimistisch in die Stiftungszukunft.

Interview: Anja Gladisch    

Zur Person:
Professor Dr. Michael Göring ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Im Hauptamt ist der Stiftungsmanager Vorsitzender des Vorstandes der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius in Hamburg.