Sich im Bundestag für die Belange eines Kreises Gehör zu verschaffen, ist bei rund 300 Landkreisen in ganz Deutschland sicher keine einfache Aufgabe. Wir haben bei Josip Juratovic nachgefragt, wie er dies für den Landkreis Heilbronn handhabt. Im Interview gibt er Antworten darauf.
Herr Juratovic, Sie kamen als Jugendlicher nach Deutschland und in den Landkreis Heilbronn. Wie haben Sie diesen zum Zeitpunkt ihrer Ankunft wahrgenommen und wie wurden Sie dort integriert?
Juratovic: Als ich in den Landkreis Heilbronn kam, hat mir die wunderschöne Landschaft sofort gefallen. Zusätzlich war alles sehr fortschrittlich. Ich wurde sehr gut aufgenommen. Dabei war es sicher hilfreich, dass ich mich umgehend im Vereinsleben engagiert habe. Ich wurde schnell integriert.
Der Landkreis umfasst heute 46 Städte und Gemeinden und gehört bundes- und landesweit zu den wirtschaftsstärksten seiner Art. Wie kam es aus Ihrer Sicht dazu und wie sehen Sie den Landkreis aus heutiger Perspektive?
Juratovic: Unser Landkreis war schon immer geprägt von Tugenden wie Mut, Fleiß und der Offenheit für Neues. Dies ist bis heute so geblieben, vor allem wegen der Art, wie die Menschen an Dinge herangehen. Sie sehen ihre Aufgaben nicht als Probleme, sondern als Herausforderungen. Deshalb steht unsere Region heute so gut da.
Sie kennen das Heilbronner Land persönlich als Wohn- und Arbeitsort. Wie bewerten Sie die Gegend hinsichtlich der beiden Bereiche?
Juratovic: Es ist ein lebens- und liebenswerter Landstrich mit hohem Anspruch an sich selbst, aber auch an die anderen. Das passt gut zu mir.
Sie sind seit 2005 Mitglied des Bundestages und erster Abgeordneter mit kroatischem Migrationshintergrund. Seitdem vertreten Sie das Unterland auf Bundesebene. Wie kamen Sie als ehemaliger Fließbandarbeiter zu dem politischen Amt? Was bedeutet es für Sie?
Juratovic: Ich habe als junger Familienvater begriffen, dass es zweier grundlegender Dinge bedarf. An erster Stelle steht eine gute Arbeit. Aber ebenso wichtig ist eine funktionierende Gesellschaft. Letztere sorgt für die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die wir für ein gutes Leben brauchen. Allerdings bekommt man diese nicht geschenkt. Es bedarf der persönlichen, aktiven Beteiligung, um für die Werte unserer demokratischen Gesellschaft einzustehen und unser Zusammenleben zu gestalten.
Wie handhaben Sie den Spagat zwischen Kreisvertretung und dem Amt in Berlin? Wie häufig sind Sie in Berlin oder im Landkreis zugegen?
Juratovic: Ich bin etwa 22 Wochen im Jahr in Berlin und zwar von Montag bis Freitag. Die folgenden Wochenenden sowie die ganzen sitzungsfreien Wochen bin ich dann im Wahlkreis unterwegs. Das ist dann jeweils eine 60 bis 70 Stunden-Woche – sowohl in der Hauptstadt als auch im Wahlkreis.
Wie sieht die Landkreisvertretung auf Bundesebene konkret aus?
Juratovic: Ich bin Brückenbauer und Türöffner. Ich vermittle Gesprächsmöglichkeiten zwischen unseren regionalen Akteuren und den Zuständigen im Bundestag sowie den Ministerien. Mein Einsatz umfasst die Unterstützung konkreter Infrastrukturprojekte, ich bin Mittelbeschaffer für Projekte oder helfe bei der Standortsicherung wie beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Anliegen aus Landkreisen haben in der Bundespolitik mit Sicherheit nicht den allerhöchsten Stellenwert. Wie nehmen Sie Belange aus der Heilbronner Gegend auf und wie achten Sie darauf, dass diese auch in der Bundeshauptstadt Gehör finden?
Juratovic: Für mich haben gerade diese Anliegen höchsten Stellenwert. Ich bin von morgens bis abends im Wahlkreis unterwegs. Ich besuche Ämter und Schulen, soziale Einrichtungen und Firmen, Gewerkschaften und Vereine. Über neue Ideen und Projekte informiere ich mich gerne vor Ort, im Geschäft und auf der Straße, bei Festen und bei meiner Bürgersprechstunde: Ich rede viel mit den Menschen im Heilbronner Land und höre ihnen zu, wenn es um ihre Wünsche für die Zukunft geht; seien es gute Arbeitsbedingungen, Gerechtigkeit im Gesundheitssystem oder Sicherheit im Alltag. All diese Eindrücke und Erfahrungen fließen in meine politische Arbeit in Berlin ein. Dort sorge ich dann dafür, dass meine Argumente aus diesen Erfahrungen Gehör finden.
Wie sehen Sie die Zukunft des Landkreises, der aktuell zu den stärksten in ganz Deutschland gehört? Wie wird es sich in Sachen Arbeitsplätze, Infrastruktur und Wohngegend weiterentwickeln?
Juratovic: Dank der vielen klugen und fleißigen Menschen ist es mir um die Zukunft unserer Region überhaupt nicht bange. Allerdings können wir nur etwas erreichen, wenn wir uns nicht ständig gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben, sondern Hand in Hand zusammenarbeiten. Wir müssen ein politisches Klima schaffen, in dem ein Wettbewerb der Ideen und Argumente stattfindet, in dem wir nicht nur als „die Politiker“ behandelt werden, sondern in dem wir nach unserer persönlichen Leistung beurteilt werden.
Interview: Alexander Liedtke