Augmented Reality und digitale Zwillinge halten Einzug in den Maschinenbau. Dennoch setzen sie sich noch nicht flächendeckend durch, obwohl sie bereits jetzt Entwicklungsgeschwindigkeiten und die Qualität der Anlagen steigern könnten.
Die Maschine heranzoomen, mit einer Handbewegung drehen und dabei zusätzliche Informationen eingeblendet erhalten – Augmented und Virtual Reality sind längst zentrale Themen im Maschinenbau. „Für den Kunden wird es an ganz verschiedenen Punkten eines Projektes interessant, seinen Auftrag im Sondermaschinenbau mithilfe von Virtual Reality zu unterstützen“, sagt Mustafa Andisha, Director of Development Digitalization & Methods bei Bausch + Ströbel.
Das Unternehmen fertigt hauptsächlich Abfüll- und Verpackungsanlagen für die pharmazeutische Industrie und nutzt seit 2013 Augmented Reality und Virtual Reality – zum Beispiel als Tool zum gemeinsamen Design Review einer noch zu bauenden Anlage mit dem Kunden oder als virtuelles Mockup.
„Häufig werden im Sondermaschinenbau auch heute noch Holzmodelle für den Kunden gebaut, um zum Beispiel in der Realität zu prüfen, ob alle wichtigen Stationen auch über die Handschuheingriffe erreichbar sind. Zwar bieten wir dies auch noch immer an, können aber inzwischen eine bestellte Maschine in vollem Umfang virtuell entwickeln und präsentieren”, sagt Andisha.
So steht der Kunde mithilfe einer VR-Brille und einem Powerwall in einem virtuellen Reinraum und kann die noch zu bauende Anlage in allen Einzelheiten virtuell erleben – in einer Detailtiefe, die Holzmodelle naturgemäß nicht zu leisten imstande sind. Ergonomie-, Prozess- und Strömungssimulationen sind so bereits in einem frühen Stadium der Entwicklung digital erfassbar und optimierbar.
Schritt-für-Schritt-Animationen mit Handlungsanweisungen
„Augmented Reality unterstützt unsere Kunden unmittelbar bei den täglichen Aufgaben an der installierten Anlage. Mit Tablets oder einer Hololens stellt AR eine einzigartige Verbindung aller Informationen und Dokumente mit der realen Anlage her“, erklärt Michael Pratz, Leiter der Abteilung Training und Qualifikation bei Bausch + Ströbel.
Die alten Handbücher gehören damit der Vergangenheit an. „Stattdessen gibt es Schritt-für-Schritt-Animationen mit konkreten Handlungsanweisungen bei Formatwechseln, Serviceprozessen oder für den Austausch wichtiger Baugruppen. Ersatzteile können schnell an der Anlage identifiziert werden und Schnitte werden virtuell durch die Anlage gelegt – das unterstützt den Techniker beim Kunden enorm“, sagt Pratz.
Der digitale Zwilling einer Anlage könnte auch die Inbetriebnahme beschleunigen, ergänzt Andisha. „Unterschiedliche Parameter können wir so an der virtuellen Anlage testen, ohne die tatsächliche Anlage zu nutzen.“
Innovationszentrum für digitale Services
Nicht nur Azubis und Angestellte, sondern auch Kunden sollen die vielfältigen Aspekte virtueller und augmentierter Verfahren kennenlernen. Dafür verfügt die Optima Packaging Group über ein Digital Innovation Center in Schwäbisch Hall-Hessental.
„Digitale Produkte und Dienstleistungen sind ein zunehmend wichtiger Bestandteil unseres Portfolios“, erklärt Jan Deininger von Optima. „Unter anderem unterstützt Virtual Reality unser Engineering bei der Anlagenkonzeption und -planung.“
Auch hier spielen digitale Zwillinge eine entscheidende Rolle. „Virtual Reality gibt uns hier die Möglichkeit, frühzeitig auf Änderungswünsche des Kunden zu reagieren und Herausforderungen vor dem Bau der Anlage zu erkennen.“
Noch viel Potenzial für den Maschinenbau
Geschult werden sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch die Kunden mithilfe von Augmented Reality. „Durch AR erhalten Kunden digitale Unterstützung beim Beheben von Problemen in der Produktion oder beim Formatwechsel. Diese Unterstützung ist auf mobilen Endgeräten und via Augmented-Reality-Brille möglich.“ Deininger geht davon aus, dass sich AR und VR mit der technischen Weiterentwicklung auf noch mehr Anwendungsfelder ausweiten werden.
Der mögliche Einsatz von VR und AR werde aber laut Martin Buchwitz vom Verein Packaging Valley noch nicht voll ausgeschöpft. Es gebe noch Potenzial für den Maschinenbau – vom Verkauf über den konkreten Bau bis hin zur Wartung. Mithilfe virtueller Modelle könnten möglichst früh Fehler erkannt und ausgemerzt werden. Dies steigere die Qualität und die Geschwindigkeit von Entwicklungsprozessen.
In Zeiten immer rascherer Innovationszyklen ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Buchwitz ist überzeugt: „Je komplexer eine Maschine ist, desto sinnvoller wird der Einsatz von AR und VR.“ Entscheidend aber sei eine hohe Datenbasis, die als Grundlage geschaffen werden muss. Erforderliches Wissen und die dafür aufgewendete Zeit machen noch immer Unternehmer skeptisch. Ganz verschließen können sie sich dieser Technologie jedoch künftig nicht.
Falk Enderle