Vom Dröhnen der Motoren gepackt

Eines ist sicher: Benzin im Blut haben nicht nur Männer. Das beweist Berufskraftfahrerin Claudia Koch jeden Tag aufs Neue. Sie liebt, was sie tut und könnte sich keinen anderen Beruf vorstellen – auch wenn sie es als Frau, die Lkw fährt, nicht immer einfach hatte.

Wenn der Motor des Zwölftonners dröhnt, ist Claudia Koch glücklich. Sie trägt dann die Verantwortung für sechs Zylinder und 290 PS. Die Bühlertannerin hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und wurde mit 38 Jahren Kraftfahrerin. Fünf Tage die Woche fährt sie für ein Transportunternehmen im Auftrag von DB Schenker. Ihre Tour führt sie von Crailsheim nach Schwäbisch Hall und in die Umgebung. Die Zahl ihrer Kolleginnen aus der Region kann die 45-Jährige an einer Hand abzählen, denn der Weg hinters Lenkrad ist steinig und der Warentransport immer noch eine Männerdomäne.

Bereits als Siebenjährige saß Koch samstags neben ihrem Vater auf der Planierraupe, wenn er in der Mülldeponie in Hessental unterwegs war. Hatte sie genug davon, durfte sie manchmal in den Müllautos mitfahren. „In den alten Daimlern gab es einen großen Getriebetunnel, wie eine Art Mittelkonsole. Er hatte locker die Größe von einer Stuhlsitzfläche und dort habe ich genau hingepasst“, erinnert sich Koch. Damals hat sie die Begeisterung für das „Gebrumme unterm Po“ gepackt und nicht mehr losgelassen.

Trotzdem war der Beginn ihrer Karriere zunächst alles andere als vielversprechend. Schuld daran waren vor allem die Gesetze. Als während ihrer Ausbildung zur Kfz-Mechanikerin klar wurde, dass für eine Frau eine eigene Toilette gebaut werden müsste, wollte niemand sie einstellen, obwohl Koch das erste Jahr an der Kfz-Berufsfachschule bereits abgeschlossen hatte. Sie wechselte auf eine hauswirtschaftliche Schule. Was blieb, war ihre Begeisterung für Motoren.

Mehr als 20 Jahre später lernt sie einen Lkw-Fahrer kennen, der an sie glaubt. Sie begleitet ihn auf seinen Touren und versucht sich hinterm Steuer. Koch zeigt nicht nur Freude, sondern auch Talent. Doch wieder kommen ihr Zweifel. „Wer stellt schon eine Lkw-Fahrerin ohne Berufserfahrung und ohne Fahrzeug ein?“ Auch hier weiß der Berufskraftfahrer Rat und nennt Koch den Namen einer Spedition, die auch Frauen beschäftigt.

Doch einen zwölf Tonnen schweren Hängerzug lediglich steuern zu können reicht nicht aus. Koch ist auch für das Be- und Entladen zuständig. Mittlerweile kann sie Sattelzüge mit bis zu 40 Tonnen fahren. Werbeprospekte, Reifen, Granulat, Baggerschaufeln, Rohre, Bulldogräder, Reisnägel, Kleidung, Schränke und Lebensmittel transportiert sie. Eine Palette kann mit einem Gewicht zwischen 200 Gramm und 1,5 Tonnen belastet werden. Diese bewegt Koch mit dem Hubwagen. Die Arbeit ist für den Rücken anstrengend. Außerdem sind Nervenstärke und ein gutes Zeitmanagement gefragt.

Zwischen 15 und 17 Stationen steuert die 45-Jährige meist an. In der Haller Innenstadt darf sie nur zwischen sechs und elf Uhr Ware anliefern, viel Zeit bleibt ihr nicht. In der engen Schwatzbühlgasse, einer Parallelstraße zu Im Haal, sind Rangierkünste, Geduld und Nervenstärke gefragt. Im Sommer regen sich manchmal die Gäste im Eiscafé über die Abgase des Lkws auf. „Dass diese Riesen-Lkw da immer vorbei müssen“, hat ihr einst ein Gast zugerufen. Neben seinem Stuhl standen zwei volle Einkaufstüten. Sie habe sich dann aus dem Fenster gebeugt und gesagt: „Da haben Sie aber kräftig eingekauft. Was glauben Sie eigentlich, wie die Sachen in den Supermarkt kommen? Vielleicht mit dem Hubschrauber?“ Viele Menschen vergessen, wer ihnen die vollen Supermarktregale ermöglicht, resümiert Koch.

Biss ist nötig

Den Respekt ihrer männlichen Kollegen musste sie sich erarbeiten. Hämische Sprüche und zahllose Anmachen gehörten zunächst zur Tagesordnung. Doch Koch bleibt beharrlich, macht ihre Arbeit und wird schon mal deutlich, wenn ein Kraftfahrer einfach nicht verstehen will, dass sie sich privat nicht für ihn interessiert. Ihren Job kann sie jeder Frau, die Biss hat und wirklich fahren will, empfehlen.

Der Kundenkontakt gehört zu den Aspekten, die Koch besonders gut gefallen. „Die Leute freuen sich, wenn sie mich sehen“, erzählt sie. Von manchem Dankeschön kann sie lange zehren. So erinnert sie sich an eine 76-Jährige, die ihr überglücklich zwei Euro Trinkgeld hinstreckte, nachdem sie ihr ein fünf Kilo schweres Paket ins Wohnzimmer getragen hatte. „Sie wollte mir dann auch noch einen Kuchen anbieten, aber ich habe doch keine Zeit.“

Ihre wichtigste Regel lautet: Egal, was passiert, ein Lkw-Fahrer darf niemals den Respekt vor dem Verkehr verlieren. Claudia Koch ist sich ihrer enormen Verantwortung bewusst, besonders im Winter. Ein Zwölf- oder 40-Tonner kommt eben nicht in einem Wimpernschlag zum Stehen, sondern hat je nach Ladung einen sehr langen Bremsweg. Aufmerksamkeit und vorausschauendes Fahren sind lebenswichtig. Sollte der Lkw dennoch ins Rutschen kommen, hofft sie heil davonzukommen. „Blech und Ladung sind versichert, mit der Gesundheit sieht es anders aus“, erklärt Koch.

Sie hat Unfallfahrzeuge nach einer Massenkarambolage auf der A6 gesehen. Sie standen auf dem Hof des Nachbarbetriebs. Koch hatte ein mulmiges Gefühl. „Das Fahrerhaus eines schönen schwarzen Lkws war komplett zerdrückt. Die Tür war offen, der Kaffeebecher stand noch. Im Zündschloss steckte ein Schlüssel mit einem Lederherz ‚Der beste Papa der Welt‘. In so einem Moment möchtest du deinen Lkw-Schlüssel wegwerfen. Aber man macht weiter, weil man mit jeder Faser liebt, was man tut.“

Juliane Renk