Verblühte goldfarbene Tulpen, knallgelbes Spülmittel und verbrannte Wunderkerzen – was der Alltag an versteckter Schönheit bietet, Claudia Guinard entdeckt es. Ihr Ding ist das Detail, die Struktur, der neue Blick. Mit der Ausstellung „Augenblick“ im Foyer der DHBW Heilbronn lässt sie alle teilhaben an ihrer Sicht auf die Welt: Die erste Werkschau der Künstlerin wurde am Donnerstag, 12. April, eröffnet.
Schon bevor Prof. Dr. Otto Weidmann die Gäste begrüßte, strömten die Besucher durch die Stockwerke. „Kunst ganz nah am Puls der Zeit“, freute sich nicht nur der Prorektor der DHBW Heilbronn. Auch Studierende des Schwerpunkts Fashion Management diskutierten mit Guinard über ihre Werke. Laudator Günter Minas – Publizist, Filmproduzent und Ausstellungsmacher – pries Kreativität, Meisterschaft und Erfahrung mit den Worten: „Wofür mancher Studiofotograf Stunden braucht, das entdeckt Claudia Guinard nebenbei.“
Guinard geht nicht nur ganz nah heran, sie geht tief hinein. Ihr Fotoapparat funktioniert wie ein Mikroskop: Unter der Linse enthüllen die Motive eine besondere Wirkung. Je tiefer man kommt, je näher man geht, desto fantastischer wird die Welt, desto abstrakter werden die Strukturen. Ihre Fotografie überquert die Grenzen zur Malerei und zur Grafik. Verwitterte Wände, rostige Fassaden, zerrissenes Papier auf Plakatwänden – reizlose Orte entfalten in Guinards Werken eine bizarre Schönheit.
Nein, hier ist nichts inszeniert, auch wenn die Fotos wie gemalt wirken. Zeit und Wetter schaffen ihre Kunst. Die schmalen schwarzen Wasserläufe auf den breiten Pinselstrichen? Regen auf dem Fenster. Das Farbspiel auf den maroden Wänden? Rostschichten und Grünspan. Guinard arbeitet seit vielen Jahrzehnten in der Modebranche. Schönheit ist ihr Metier. Mit ihren Fotografien hat sie den Sprung ans andere Ufer gewagt: weg von einer Welt des Glitzer und Glamour, einem schnellen Blick auf das Offensichtliche, hin zu der Schönheit im Alltag, dem Glanz des Vergänglichen und dem Blick nach innen.
Ihre Werkschau „Augenblick“ nimmt den Besucher mit auf diesen Weg: durch das Erdgeschoss mit seiner Natur-Fotografie von der prallen Traube und den Monet-Impressionen, dem Schwarzweißportrait„Major Tom“ hin zu „Mrs. Bluesky“, einem Mädchen fast wie in der Zeit vergessen. Geht man in die oberen Stockwerke, trifft man auf grafische Motive: Stahl und Gräser formen Strukturen, Ausschnitte aus Häuserfotografien wirken wie Malerei mit der Kamera.
Das Material ist Teil des Werkes: Wellen scheinen durch die Oberfläche des Papiers zu brechen, die optische Täuschung ist perfekt. Man möchte mit dem Finger über das Foto wischen. „Momentan ist Künstlerpapier mit Aquarellstruktur mein Favorit. Ich habe mit vielen Sorten experimentiert, bis ich genau diese Wirkung erzielt habe.“ Guinard fotografiert mit einer Spiegelreflexkamera, aber auch ihr Smartphone ist immer dabei. Einige der Werke – zum Beispiel red_blush und shining_susan – sind mit der Handy-Kamera entstanden. 2012 entdeckte Guinard ihre Leidenschaft für das Sammeln von Augenblicken: „Spaziergänge mit der Familie sind mittlerweile anstrengend geworden. Ich nehme so viel wahr, am Ende bin ich ganz ausgelaugt.“ Ihr Mann muss sich öfter umdrehen und nach ihr schauen: Wie ein Kind steht sie am Wegrand, staunt und findet den perfekten Augenblick für die nächste Aufnahme.
Die Ausstellung in der DHBW Heilbronn ist noch bis zum 31. Juli wochentags von 7.30 bis 17 Uhr zu sehen.